MieterEcho online 31.01.2018
Berlin setzt weiter auf Tourismus
Senat billigt neues Konzept für „Erlebnisqualität“ „Nachhaltigkeit“ und „Dezentralität“
Der Berliner Senat hat am Dienstag das von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) vorgelegte "Tourismuskonzept 2018+" gebilligt. Vor der endgültigen Verabschiedung wird es noch dem Rat der Bezirksbürgermeister zur Stellungnahme zugeleitet.
Pop betonte die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus, der mit einem jährlichen Umsatz von 11,5 Milliarden Euro und einem Beschäftigungseffekt von 235.000 Vollzeitbeschäftigten zu den Schlüsselbranchen der Hauptstadt gehöre. Dabei handelt es sich allerdings hauptsächlich um prekär Beschäftigte im Niedriglohnsektor, vor allem in der Gastronomie und im Gastgewerbe.
Die Senatorin räumte ein, dass es in den bei Gästen besonders beliebten Innenstadtbezirken "Akzeptanzprobleme" gebe. Daher setze man für die Zukunft auf "nachhaltigen, stadtverträglichen und dezentralen" Tourismus. Besucherströme sollen gezielt in Stadtteile außerhalb des S-Bahn-Rings geleitet werden. Ziel sei es, "die Erlebnisqualität der Besucherinnen und Besucher und zugleich die Lebensqualität der Berlinerinnen und Berliner zu erhöhen."
Wie es genau gelingen soll, erlebnishungrige Berlin-Besucher von den Friedrichshainer und Kreuzberger Partymeilen nach Marzahn-Hellersdorf und Lichterfelde Süd umzuleiten, ist dem Konzept allerdings nicht zu entnehmen. Auch der Zusammenhang zwischen Massentourismus, Zweckentfremdung von Wohnraum und Verdrängung von alteingesessenem Kleingewerbe in den "Partyzonen" wird in diesem Zusammenhang nicht thematisiert.
2016 verbuchten Berliner Hotels und andere Unterkünfte offiziell mehr als 31 Millionen Übernachtungen. Doch die Dunkelziffer dürfte erheblich sein, zumal immer mehr Wohnungen in Kleinstappartements parzelliert werden. Zwar werden laut einer Senatsmitteilung nur noch 400 der seit Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbots gemeldeten rund 6000 Ferienwohnungen für touristische Angebote genutzt. Aber schon ein oberflächlicher Blick in die einschlägigen Vermittlungsportale zeigt, dass nach wie vor unzählige Objekte angeboten werden. Außerdem sind tausende von Widerspruchsverfahren noch nicht endgültig entschieden.
Zudem plant der Senat durch eine Neuregelung die Vermietung von Wohnungen an Touristen für bis zu 60 Tage im Jahr freizugeben. Der Konzentration der Berlin-Besucher auf die "angesagten" Stadtteile dürfte dies einen weiteren Schub geben. Zumal die Zahl der "Party-Touristen" der "Generation Air BnB", deren Anteil von der städtischen Marketingorganisation "Vosot Berlin" auf 30 bis 40 Prozent geschätzt wird, im laufenden Jahr wieder steigen wird. Denn im vergangenen Jahr hatte die Pleite des Billigfliegers Air Berlin zu einem merklichen Rückgang in diesem Segment geführt.
Rainer Balcerowiak