Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 18.05.2017

Tarsap scheitert beim Versuch, einen langjährigen Mieter loszuwerden

Die Tarsap Bau- & Hausverwaltung GmbH ist dafür bekannt, dass sie ihrer Verantwortung als Vermieterin nur ungenügend nachkommt. So leiden zum Beispiel die Mieter/innen in ihren Gebäuden in der Schöneberger Kulmer- und Alvenslebenstraße seit Jahren unter Verwahrlosung. Die Hauseingänge sind vermüllt, Wohnungen mit Asbest und Schimmel belastet (siehe dazu MieterEcho 379, Februar 2016)*.

Tarsap verkauft hier Eigentumswohnungen, und bei diesem profitablen Geschäft stören die Mieter/innen, vor allem diejenigen mit alten Mietverträgen, die schon seit Jahrzehnten in den Häusern wohnen, und ihre Mietverträge noch mit der Neuen Heimat oder einer ihrer (damals noch öffentlichen) Nachfolgegesellschaften abgeschlossen haben. Über mehrere Eigentümerwechsel landeten die Gebäude in der Kulmer Straße 1 bis 4 und Alvenslebenstraße 12 und 12a bei der Tarsap. Ein dreister Versuch, einen Altmieter loszuwerden, wurde kürzlich vor dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg verhandelt.

Herr H. wohnt seit Januar 1980, mittlerweile also seit über 37 Jahren, in der Alvenslebenstraße. Im Mai und Juni 2016 kündigte Tarsap ihm dreimal außerordentlich, und hilfsweise auch noch einmal ordentlich. Zur Begründung führte sie an, der Mieter sei mit 219,56 Euro im Zahlungsverzug, und er gefährde die Substanz des Mietgegenstandes, weil er seine Wohnung verwahrlosen ließe, sodass auch ein Befall durch Ungeziefer und Ratten drohe.

Der Zahlungsrückstand beruhte auf einer Betriebskostenerhöhung wegen der Ausstattung der Wohnung mit einem Kabelfernsehanschluss. Da der Mieter den angemahnten Betrag zwischenzeitlich unter Vorbehalt gezahlt hatte, wurde dieser Punkt bereits in der ersten Verhandlung am 28. November 2016 vom Gericht als erledigt erklärt.

Wie sieht es in der Wohnung aus?

Im Prozess ging es nun um den Zustand der Wohnung. Dazu wurde beim zweiten Gerichtstermin am 20. März 2017 ein Zeuge vernommen, der im Auftrag der Tarsap die Wohnung von Herrn H. mehrfach besichtigt und dabei auch fotografiert hatte. Die Fotos wurden vor Gericht als Beweisstücke gewertet, obwohl Herr H. darauf hinwies, dass er zwar zugestimmt hätte, dass Fotos von seiner Wohnung angefertigt, nicht jedoch, dass sie vor Gericht verwendet werden.

Es war Herrn H. sichtlich unangenehm, dass seine privaten Wohnverhältnisse ins Licht der prozessualen Öffentlichkeit gezerrt wurden. Zuschauer/innen und Presse durften die Bilder nicht einsehen, und so war für Aussenstehende nicht immer deutlich, wo Tatsachenschilderungen in Vermutungen übergingen. Aus den Ausführungen des Zeugen Herrn J. und aus den Fragen und Kommentaren der Richterin ließen sich ein paar Schlussfolgerungen und Details über die Wohnverhältnisse des Herrn H. heraushören, die hier aber aus Respekt vor seiner Privatsphäre ungenannt bleiben sollen.

Nach Würdigung aller Umstände kam die Richterin zu dem Ergebnis: „Eine Substanzgefährdung durch Vermüllung seitens des Beklagten liegt nicht vor.“ Sie stellte des Weiteren fest, „dass die von der Klägerin behauptete Vermüllung und Gefährdung durch drohenden Ungeziefer- und Rattenbefall nicht vorliegt.“ Und sie erläuterte: „Grundsätzlich kann der Mieter die Mietsache bis zu den Grenzen einer Gefährdung nach seinem Geschmack gestalten, auch wenn dies nach außen als unordentlich erscheinen mag.“ Die Räumungsklage der Tarsap war daher abzuweisen, und der Mieter kann in seiner Wohnung bleiben.

Wohnen ist Privatsache!

Mit deutlichen Worten hat das Gericht eindeutig und unmissverständlich klar gemacht, dass MieterInnen das Recht haben, ihren privaten Lebensbereich so zu gestalten, wie sie es möchten. Die Einrichtung einer Wohnung und die Art und Weise, wie das Leben darin organisiert wird, ist Privatsache. Es ist verständlich, dass Herr H., trotz des für ihn günstig ausgegangenen Gerichtsprozesses, anschließend zutiefst empört war. Mit der öffentlichen Darlegung seiner Wohnverhältnisse war er nicht einverstanden, und auch einige ZuschauerInnen kritisierten nach der Verhandlung, dass diese die Privatsphäre des Mieters verletzt hätte.

Das Grundgesetz schützt mit Artikel 13 die Wohnung als unverletzliches Grundrecht, sie wird mitunter als „Dritte Haut“ des Menschen bezeichnet, womit auch benannt ist, wie existenziell Menschen auf ihre Wohnung angewiesen sind. Schon eine Wohnraumbewirtschaftung, die einzig der Profiterzielung dient, und nicht die Erfüllung dieses grundlegenden Wohnbedürfnisses im Blick hat, widerspricht eigentlich dem Grundgesetz. Wenn dann noch solche Versuche wie im geschilderten Fall hinzu kommen, einen langjährigen Mieter mit unbewiesenen Behauptungen loszuwerden, dann hat zwar das Gericht in diesem Fall das Schlimmste verhindert, es bleibt jedoch die Frage, wie das Grundrecht auf Wohnen strukturell abgesichert werden kann.

Von Elisabeth Voß

* Elisabeth Voß: Penthäuser für die einen, Asbest und Schimmel für die anderen: https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2016/me-single/article/penthaeuser-fuer-die-einen-asbest-und-schimmel-fuer-die-anderen.html

 

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