MieterEcho online 02.12.2014
Gefahrenzone für Mieter/innen
Die Mieter/innen der Siedlung Am Steinberg wehren sich gegen Vertreibung auch mit dem Symbol der Klobürste. Demnächst droht dort eine Zwangsräumung.
In der Siedlung „Am Steinberg“ in Reinickendorf scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. An den Fenstern der kleinen Häuschen hängen Spitzengardinen. Doch daneben hängt ein Plakat mit der Aufschrift „Wir bleiben Alle.“ An der Seite prangt ein roter Stern mit weißer Klobürste in der Mitte. Mit der Klobürste in der Hand sind in Hamburg vor fast einen Jahr viele Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Einschränkung der Demonstrationsrechte in den Gefahrenzonen zu protestieren, die von der Polizei eingerichtet worden waren. Doch, was haben die Polizeimethoden aus linken Hamburger Szenebezirken mit der abgelegenen Siedlung „Am Steinberg“ zu tun, die von den BewohnerInnen mit einer gehörigen Portion Selbstironie Kleinkleckersdorf genannt wird? Sogar ein Schild mit diesen Namen haben sie anfertigen lassen und am Eingang der Siedlung platziert.
„Das Symbol mit der Klobürste haben wir bewusst gewählt. Denn auch wir leben in einer Gefahrenzone. Wir sollen hier vertrieben werden, “ berichtet ein Mieter. Sein Nachbar nickt. Er hat gerade ein Schild mit der Aufschrift „Miete ist keine Ware“ in den großen Weihnachtsbaum in der Siedlung gehängt. Jedes Jahr am Samstag vor dem 1. Advent wird er unter Beteiligung vieler Bewohner geschmückt. Doch am vergangenen Samstag haben die Mieter/innen das Baumschmücken zu einer Protestaktion gegen Vertreibung umfunktioniert und dafür MieterInneninitiativen aus ganz Berlin eingeladen. Mehr als 60 Menschen verschiedener Initiativen sind gekommen. Sie brachten Schilder, Plakate und Aufkleber mit, die an dem Weihnachtsbaum befestigt wurden.
Kündigungsdrohung wegen eines Plakats
Das Schmücken des Weihnachtsbaums mit politischen Plakaten hat einen ernsten Hintergrund. Denn die Immobilienentwicklungsgesellschaft Am Steinberg, die die 38 Einfamilien- und drei Reihenhäusern vor knapp 4 Jahren gekauft hat, wollte einer Mietpartei verbieten, das Schild „Wir bleiben alle“ aufzuhängen. Der Eigentümer-Anwalt Felix Zimmermann erklärte in der Presse, damit werde der falsche Eindruck erweckt, die Eigentümer wollten die MieterInnen vertreiben. Doch das sie nicht der Fall. Sollten sie sich nach der geplanten Sanierung die Miete noch leisten können, können sie bleiben. Doch viele MieterInnen wissen schon jetzt, dass sie sich die nach einer Sanierung die Miete nicht leisten können. Nachdem eine Rentnerin eine Modernisierungsankündigung bekommen hat, die ihre Miete von 4,04 auf 10,06 Euro pro Quadratmeter steigen ließ, sahen sie ihren Befürchtungen bestätigt. Anwalt Zimmermann nannte die Mieterhöhungen in dieser Größenordnung eine absolute Ausnahme, räumte aber ein, dass sich Mieterhöhungen nicht vermeiden lassen. Einige haben die Siedlung schon verlassen. Derweil bereiten sich die aktiven Mieter auf eine erste Zwangsräumung in der Siedlung vor. Ein Rentner konnte nach einem Herzinfarkt die Miete an einem Monat nicht vollständig überweisen. Der Vermieter kündigte ihm daraufhin. Der Mieter klagte dagegen und bekam in der 1. Instanz Recht. In der zweiten Instanz vor dem Berliner Landgericht wurde hingegen die Kündigung bestätigt. Zum 1. Mai 2015 muss der Mieter die Wohnung räumen. Er will sich dagegen wehren und hat sich mit dem Bündnis gegen Zwangsräumungen in Verbindung gesetzt.
Peter Nowak