MieterEcho online 10.11.2012
Runder Tisch als Alibiveranstaltung
Initiative „Stadt Neudenken“ will Senat zu Kurwechsel in der Liegenschaftspolitik drängen . [Rainer Balcerowiak]
Am Freitag konstituierte sich im Berliner Abgeordnetenhaus der von der Initiative „Stadt Neudenken“ vorbereitete Runde Tisch zur Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik. Neben Fachpolitikern aller im Landesparlament vertretenen Parteien nahmen auch Vertreter verschiedener Verbände und lokaler Initiativen an der Veranstaltung teil.
Entsprechend heterogen sind die beim Runden Tisch vertretenen Anliegen. Während es der Industrie- und Handelskammer in erster Linie um die Förderung von Industrieansiedlungen geht, drängen Mieterinitiativen auf die Vergabe von Liegenschaften zur Schaffung preiswerten Wohnraums. Verbände der bildenden Künstler befürchten ebenso die Verdrängung aus begehrten innerstädtischen Quartieren, wie Kleingärtner und Nachbarschaftsprojekte.
Für die Entwicklung eines umfassenden Plans zur Stadtentwicklung fordert die Initiative daher ein Moratorium bei der Veräußerung von städtischen Immobilien, die bislang fast ausschließlich nach dem Höchstpreisprinzip an Investoren vergeben wurden.
Viele Teilnehmer äußerten die Sorge, dass der Runde Tisch zu einem unverbindlichen Debattenzirkel werden könnte, und verlangten vom Senat eine „enge Abstimmung mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren“. Neben Sofortmaßnahmen wie dem verlangten Moratorium gehöre dazu auch eine „Koordinierung der Vorgehensweise des Senats mit dem Runden Tisch“, damit dieser keine „Alibiveranstaltung“ werde, so die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Katrin Lompscher, die mit Politischen Placebos während ihrer eigenen Regierungsverantwortung sehr intensive Erfahrungen gemacht hat.
Wie sehr sie mit ihrer Befürchtung Recht haben könnte, zeigt das Vorgehen der Landesregierung. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat bereits eine Vorlage für die künftige Liegenschaftspolitik auf den Weg gebracht, die vom Senat bereits abgesegnet wurde. Diese sieht zwar neben den bereits bisher praktizierten „bedingungsfreien Bieterverfahren“ auch die Direktvergabe von Grundstücken nach stadtpolitischen Kriterien vor. Doch nach der von der Initiative geforderten verbindlichen Partizipation an entsprechenden Entscheidungen sucht man in der Vorlage vergeblich, gestärkt wird lediglich die Position der einzelnen Fachverwaltungen. Die Vorlage soll nach Beratungen mit dem Rat der Bezirksbürgermeister in absehbarer Zeit dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden.
Dennoch hat man beim Runden Tisch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Senat von der Notwendigkeit einer transparenten Liegenschaftspolitik zu überzeugen, die die Betroffenen einbezieht und nicht ausschließlich dem Primat der Haushaltssanierung und der Investoreninteressen unterliegt. Die nächste Sitzung wird in einigen Wochen stattfinden, der genaue Termin steht noch nicht fest
Im Internet: http://stadt-neudenken.tumblr.com
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