Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 15.10.2012

Heiße Luft und weiße Salbe

Wie die SPD in Moabit das Gespräch mit von Verdrängung bedrohten Mieter sucht.

Mit der etwas unscharfen Fragestellung „Ist Wohnen in Mitte noch bezahlbar?“ war eine Veranstaltung der SPD betitelt, zu der deren Wahlkreisabgeordnete Eva Högl am Montag in das Stadtschloss Moabit in der Rostocker Straße eingeladen hatte. 

Denn natürlich ist Wohnen in Moabit – um diesen Teil von Mitte ging es auf der Veranstaltung- bezahlbar, sofern man über entsprechend hohe Einkünfte verfügt. Der „Rest“ wird angesichts der Mietentwicklung in diesem Stadtteil allerdings arge Probleme bekommen.
Högl präsentierte sich vor den rund 40 Teilnehmern als Muster-Sozialdemokratin. Berlin sei nach wie vor eine „Mieterstadt“ und daher wolle man „bezahlbaren Wohnraum für Alle schaffen, so die Bundestagsangeordnete, die dort unter anderem im Rechtsausschuss sitzt. „Angst vor Verdrängung“, die durch die offensichtliche Aufwertung Moabits entstanden sei, nehme man „sehr ernst“. Nötig sei eine breite Diskussion über „die Gratwanderung zwischen Aufwertung und Sicherheit für die Mieter“. Ferner müsse man gegen „schlimme Fälle von Schikanen“ wie beispielsweise in der  in der Calvinstraße vorgehen, wo Mietern im Zuge von Baumaßnahmen Fenster zugemauert wurden.
Auch ihr Fraktionskollege Ingo Egloff, der für die SPD im Rechtsausschuss als Berichterstatter für Mietrecht tätig ist, gab sich als Anwalt der Mieter und kündigte umfassende Reformen für den Fall einer Regierungsübernahme nach den Wahlen im kommenden Jahr an. So werde man die Erhöhungsmöglichkeiten von Bestandsmieten und die Umlagemöglichkeiten nach Modernisierungen absenken und große Mietsprünge bei Neuvermietungen verhindern, versicherte Egloff. Ferner wolle man die Position der Mieter im Mietrecht stärken.

Nach dieser relativ plumpen Wahlkampfeinlage ergriff schließlich  Ephraim Gothe das Wort. Auch der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erging sich in allerlei Ankündigungen. So prüfe man derzeit den Erlass einer Zweckentfremdungsverordnung und wolle den Erlass von  Milieuschutzsatzungen in besonders von Verdrängung bedrohten Stadtteilen erleichtern, um beispielsweise Luxusmodernisierungen zu verhindern und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu beschränken.

Doch im Publikum gab es wenig Neigung, der SPD die Wandlung von neoliberalen Saulus zum sozialen Paulus abzunehmen. Schließlich war sie es, die vor noch nicht allzu langer Zeit eine angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt schlicht leugnete, gemeinsam mit den LINKEN die Privatisierung kommunaler Bestände forcierte, alle vorhandenen Instrumente zur Eindämmung von Vertreibungsprozessen einmottete und der sich anbahnenden Mietexplosion in den Häusern, die aus der Anschlussförderung des sozialen Wohnungsbau fielen, tatenlos zuschaute. Eine Vertreterin des Mieterbeirats in der Lehrter Straße warnte vor einem „Flächenbrand“ und einer „sozialen Tragödie“ in dem Kiez. Viele der alteingesessenen Bewohner lebten schon jetzt mit der Angst, bald ausziehen zu müssen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten könnten
Auch auf das Sanierungsgebiet Turmstraße wurde hingewiesen. Dort sind seit seiner Festlegung vor rund zwei Jahren bereits über 200 Häuser verkauft worden. In vielen dieser Objekte stehen jetzt Luxusmodernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen an. Der Erhalt der sozialen Mischung gehört ausdrücklich nicht zu den Sanierungszielen, und auch die offizielle Stadtteilvertretung erklärt sich für diese Problematik als nicht zuständig. Ähnliches gilt für das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung Mitte, die sich bislang noch nicht einmal dazu durchringen konnte, den Erlass einer Milieuschutzsatzung für Teile von Moabit zu prüfen.  
Gothe gab sich verständnisvoll und bot unter anderem an, den Bezirk bei einer derartigen Prüfung zu unterstützen, auch finanziell. Auch für andere Probleme, z.B. durch den Wegfall der Anschlussförderung, suche man nach einer Lösung   Der an dem Abend vielfach erhobenen Forderung, den Berliner Wohnungsmarkt offiziell für angespannt zu erklären, mochte er sich unter Verweis auf juristische Probleme nicht anschließen.

Für die anwesenden Mieter blieb das Fazit, dass die auf Bundesebene oppositionelle SPD viele Versprechungen macht, die angesichts ihrer jüngeren „Hartz IV“- und „Agenda 2010“- Vergangenheit wohl kaum Ernst zu nehmen sind. Und auf Landesebene wird fleißig „geprüft“, „diskutiert“ und „auf den Weg gebracht“, ohne dass ich für die Bewohner in den besonders von Verdrängung betroffenen Kiezen absehbar etwas zum Positiven wenden könnte. So gesehen also eine recht gelungene Veranstaltung, denn vielen Anwesenden dürfte klar geworden sein, dass nur mit erhöhtem Druck von unten etwas in Bewegung zu bringen sein wird.

[Rainer Balcerowiak]

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