In Friedrichshain solidarisieren sich Nachbar/innen mit einer von Kündigung bedrohten Mieterin
„Wir sind solidarisch mit unserer Nachbarin Lene“, heißt es auf den Plakaten, mit denen zur Kundgebung am vergangenen Sonntagnachmittag zu einer Kundgebung im Stadtteil Friedrichshain aufgerufen wurde. Mehr als 100 Menschen, vorwiegend Anwohner/innen, haben sich an der Ecke Rigaer Straße/Samaritastraße versammelt, um ihre Solidarität mit Lene auszudrücken. Sie wohnt dort seit mehreren Jahren und wurde jetzt von ihrem Vermieter wegen Eigenbedarf gekündigt. Nur in den seltensten Fällen gehen die Betroffenen damit an die Öffentlichkeit. Lene gehört zu den wenigen, die deutlich machen, dass sie als Mieterin Eigenbedarf an ihrer Wohnung hat. Sie hat solidarische Nachbar/innen informiert, die sie bei zwei Kündigungsprozessen begleiteten. Nicht nur die Richterin, sondern auch der Eigentümeranwalt registrierten mit Erstaunen, dass große Interesse an dem Prozess vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. Im Anschluss an den Prozess Mitte August, bei dem der Eigentümer eine von der Richterin vorgeschlagene gütliche Einigung ablehnte, entstand die Idee zur Kundgebung. Beteiligt daran waren Nachbar/innen aus umliegenden Hausprojekten und Menschen in "normalen Mietverhältnissen". Der Kleinkünstler Geigerzähler sorgte nicht nur mit seinen musikalischen Einlagen für gute Stimmung auf der zweistündigen Kundgebung. Er formulierte auch den Grundkonsens, der die sehr unterschiedlichen Nachbar/innen einte: „Es ist egal, ob Du in einem Hausprojekt oder zur Miete wohnst. Es spielt keine Rolle, welche Musik Du hörst und welchen Haarschnitt Du hast. Es kommt darauf an, dass Du mit Deinen Nachbar/innen solidarisch bist, wenn sie verdrängt werden sollen.
CG-Gruppe - Motor der Verdrängung
In der Umgehung des Kundgebungsorts haben sich in den letzten Monaten viele Mieter/innen in dieser Frage positioniert, wie unschwer zu erkennen war. Aus mehreren Fenstern der Samaritastraße 8 hängen seit Monaten Transparente mit zwei Zahlen, die mehr als viele Worte sagen. „Miete vorher 700 Euro – Miete nachher 1700 Euro“. Die Mieter/innen, die teilweise mehrere Jahrzehnte in dem Haus wohnten, sind im März 2019 an die Öffentlichkeit gegangen, nachdem bekannt wurde, dass die Immobilienfirma Fortis Grup das Haus gekauft hat (MieterEcho berichtete). Auch in einem Nachbarhaus haben Mieter/innen ein Transparent gegen Verdrängung aus dem Fenster gehängt. In dem Redebeitrag eines Mieters wurde erklärt, warum in dieser Gegend in der letzten Zeit die Mieten steigen. Verwiesen wurde auf die Großbaustelle an der Rigaer Straße 71 -73. Dort will die CG-Gruppe, Eigentümer ist der bundesweit berüchtigte Investor Christoph Gröner, Wohnungen für Menschen mit hohen Einkommen errichten. Dagegen wehren sich seit mehreren Jahren Anwohner/innen. „Wir haben damals schon gewarnt, dass Menschen mit niedrigen Einkommen verdrängt werden, wenn solche Projekte, wie das der CG-Gruppe hier umgesetzt werden. Trotzdem hat die Politik zugelassen, dass die letzten denkmalgeschützten Häuser auf dem Gelände abgerissen wurden, dass die im Baurecht vorgesehenen Informationsveranstaltungen unter Polizeischutz und unter Ausschluss von Teilen der kritischen Nachbarschaft über die Bühne gehen konnten“, heißt es in dem Redebeitrag. Projekte, wie das der CG-Gruppe sorgten dafür, dass auch andere Eigentümer ihre Profiterwartungen in die Höhe schrauben. Doch das Interesse an der kurzfristig geplanten Kundgebung zeigt auch, dass es in der Nachbarschaft noch Mieter/innen gibt, die sich nicht vertreiben lassen wollen. Der nächste und entscheidende Räumungsprozess von Lene soll am 18.November am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in der Möckernstraße 130 stattfinden. Auch er soll von solidarischen Nachbar/innen begleitet werden.
Peter Nowak
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