Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 07.06.2014

Unbekannte Schlichter

Die durch das Mietenbündnis eingerichteten Schiedsstellen verzeichnen erstaunlich wenige Fälle.
Der Senat feiert es als Maßnahme, um die jahrelang vernachlässigte Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu entspannen – die Opposition betrachtet es als PR-Maßnahme: das Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten, kurz Mietenbündnis. Es wurde im Herbst 2012 zwischen dem Senat und den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften (Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land, WBM) geschlossen. Durch das Mietenbündnis sollen unter anderem Mieterhöhungen begrenzt und Modernisierungskosten jährlich nur mit 9% statt mit 11% auf die Mieter/innen umgelegt werden. In strittigen Fällen soll eine Schiedsstelle vermitteln, wie es in der Erklärung des Senats zum Beschluss des Mietenbündnisses heißt.

Nach Angaben des Senats sollen die Schiedsstellen als für Mieter/innen unparteiische Anlaufstellen an sozialverträglichen Lösungen bei Mieterhöhungen arbeiten und Härtefälle prüfen. Dies geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (Piraten) hervor. Doch wie die Schiedsstellen tatsächlich arbeiten, kann der Senat dem Abgeordnetenhaus nicht erklären. Auf eine weitere Anfrage von Höfinghoff wollte der damals noch zuständige Staatssekretär Ephraim Gothe (SPD) nichts Genaues mitteilen. Gefragt nach einer Aufgabenbeschreibung der einzelnen Stellen antwortete er: „Die Schiedsstellen arbeiten ausschließlich auf Grundlage des Bündnisses für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten.“ Die Zahl der Schiedsverfahren ist angesichts der rund 277.000 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaften verschwindend gering: In den Jahren 2012 und 2013 wurden laut Senat insgesamt nur 12 Fälle bearbeitet. Zu dieser geringen Zahl bemerkt der Senat, dass es im Jahr 2013 zwar 626 nicht bewilligte Härtefallanträge im Rahmen von Mieterhöhungen gegeben habe, die geringe Anzahl von Verfahren mache jedoch „deutlich, dass Mieterhöhungen im Bestand mit größtem sozialen Augenmaß erfolgen“. Glaubt man dem Nachfolger Gothes, dem seit März amtierenden Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, sind die Schiedsstellen leicht zugänglich. Sie könnten „jederzeit durch die Mieterinnen und Mieter der städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Anspruch genommen werden, sofern sie ihre Positionen im Rahmen des Mietenbündnisses nicht hinreichend berücksichtigt erachten“.

Kaum Aufklärung, kaum deutliche Hinweise

Die Voraussetzung für die Nutzung von Schiedsstellen ist allerdings, dass die Mieter/innen wissen, dass sie überhaupt existieren. Hierzu gab der Senat an, dass im März 2013 eine Informationskampagne der Wohnungsbaugesellschaften stattgefunden habe, bei der in Broschüren und Flyern über das Mietenbündnis informiert worden sei. In den Mieterzeitschriften der einzelnen Gesellschaften sei zudem auf die Schiedsstellen hingewiesen worden. „Im entsprechenden Einzelfall“ würden die Wohnungsbaugesellschaften Mieter/innen außerdem schriftlich auf die Stellen hinweisen. Dass die Stellen jederzeit, also auch unabhängig von der Ablehnung von Einsprüchen angesprochen werden können, darf bezweifelt werden. Zumindest wird auf den Internetpräsenzen der Wohnungsbaugesellschaften nicht klar auf sie hingewiesen. So informiert zum Beispiel die Gewobag über das Mietenbündnis, indem sie einen Flyer der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereitstellt. In diesem wiederum findet sich kein Hinweis auf eine Schiedsstelle. Ähnlich verhält es sich bei der Gesobau. Auch auf ihrer Website findet sich weder ein Hinweis auf eine Schiedsstelle noch darauf, dass eine externe Ombudsfrau als Schiedsperson fungiert. Bei der WBM sind zwar die Kontaktdaten eines externen Ombudsmanns angegeben, allerdings ohne den Hinweis, dass dieser auch im Zusammenhang mit Schiedsverfahren im Rahmen des Mietenbündnisses angesprochen werden kann. Ob die Schiedsstellen tatsächlich so gut funktionieren, wie der Senat behauptet, wurde bislang nicht umfassend geprüft. Studien oder Evaluierungen hierzu wären laut Senat „nicht zielführend“.

Benedict Ugarte Chacón

 (Erscheint in MieterEcho 368)

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