MieterEcho online 15.10.2013
Richter wollen Marke "Unabhängigkeit der Justiz" aufpolieren
„Baulärm ist hinzunehmen“, „Für die Rendite werden Mieter skrupellos vergrault“, Richterin in Mietstreit in der Kritik“. Das sind nur drei von vielen Überschriften Berliner Medien, die sich in den letzten Monaten kritisch mit Urteilen des Berliner Landgerichts in Mietsachen befassten. Doch nicht nur aus der Presse kam Kritik. So haben Mieteraktivisten ein Seminar des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. besucht, das von der Richterin der 63. Kammer des Landgerichts Regine Paschke geleitet wurde. Die Kritik zeigt Wirkung. Am vergangenen Montag lud der Präsident des Berliner Landgerichts Bernd Pickel zu einem zweistündigen Hintergrundgespräch über das Bild der Justiz bei Mietprozessen eingeladen. Schon in der Pressemitteilung wurde die Intention deutlich. „Die Neutralität der Gerichte wird zu einzelnen Mietprozessen in der Presse und in Internetforen intensiv diskutiert“, heißt es dort. „Unabhängigkeit unser Marken“, hieß es beim Gespräch. Die Marke muss also wieder mal poliert werden.
Fakten, Fakten, Fakten
Nun könnten sich die Richter die Frage stellen, ob die kritisierten Entscheidungen Anlass zur Kritik gegeben haben können. Aber die Einladung weist in Richtung Presseschelte. „Nicht immer wird in der Berichterstattung über Mietthemen deutlich, welche Rolle "die Justiz" in dem Geschehen einnehmen darf, nach welchen rechtlichen Vorgaben sie tätig wird und wo sie Entscheidungsspielräume hat und wo nicht. In der oft hitzigen Diskussion kommen auch die Fakten des jeweiligen Prozesses in den Medien manchmal zu kurz“. Die Fakten sollten nun in Hand einiger der besonders kritischen Urteile Berliner Landgerichts nachgeliefert werden. Dabei standen die Klagen der Mieter der Moabiter Calvinstraße 21 im Mittelpunkt. Dazu gehört das Urteil gegen eine Rentnerin, vor deren Bad und Küche die Eigentümerin, die Terrial Stadtentwicklung GmbH aus Baden-Württemberg, eine Mauer hochgezogen hat. Anders als die Vorinstanz war die Kammer des Landgerichts mit Frau Paschke als Richterin der Meinung, ein Abriss der Mauer wäre für die Eigentümer ein zu großes Opfer. Zudem hätte die Mieterin mittels Einstweiliger Verfügung den Bau der Mauer vor der Fertigstellung verhindern müssen. Hier vermissten die Richter in der Berichterstattung den Hinweis, dass zu diesem Urteil Revision zugelassen wurde. Die Richter wollten den Eindruck zerstreuen, vor der 63ten Kammer des Berliner Landgerichts hätten Mieter keine oder nur eine geringe Chance, sich gegenüber den Vermietern durchzusetzen. Die Nachfragen und Kommentare der anwesenden Journalisten zeigten aber auch, dass der Erfolg der Überzeugungsarbeit nicht besonders groß war.
Mit den Haus- und Grundstücksverband Öffnung in die Gesellschaft
Auf viel Unverständnis bei den anwesenden Journalisten sorgte auch die Verteidigung der Nebentätigkeiten der Richterin Regine Paschke beim Haus- und Grundbesitzerverband durch ihre Kollegen. Die Honorare überstiegen nicht die üblichen Sätze und zudem sei es doch ein Vorteil für die Rechtspflege, wenn Richter nicht immer nur Akten lesen sondern sich in der Gesellschaft bewegen würden, erklärten die Richter. Dass der Haus- und Grundbesitzerverband ein gutes Beispiel für eine Öffnung in die Gesellschaft sein soll, verwundert nicht. Schließlich sind auch viele Richter Besitzer einer Eigentumswohnung oder eines Eigenheims. Am kommenden Freitag soll das Landgericht darüber entscheiden, ob die Mieter der Calvinstraße die Modernisierung dulden müssen. Kritik scheint fast vorprogrammiert.
Peter Nowak.