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MieterEcho online 16.12.3016

SPD-Politiker will Wohnungslose vom Hansaplatz verdrängen

Wenn man durch die Straßen Berlins geht, sieht man selbst im Winter immer mehr Menschen, die draußen übernachten müssen, weil sie keine Wohnung haben. Seit September 2013 versucht der Verein Berliner Obdachlosenhilfe e.V. diesen Menschen das Leben auf der Straße etwas erträglicher zu machen. An verschiedenen Plätzen in Berlin, an denen sich Obdachlose aufhalten, bieten ihnen die ehrenamtlich arbeitenden Helfer/innen ein gesundes Essen, einen warmen Tee und saubere Kleidung an. Seit einigen Monaten gehört auch der Hansaplatz in Moabit zu diesen Orten. „Es kommen immer viele Menschen, die froh sind, sich zumindest einmal die Woche einmal satt zu Essen“, erzählt Falko Stein, einer der Helfer, gegenüber MieterEcho Online.
 
Doch ein Teil der Bewohner/innen rund um den Hansaplatz ist über dieses ehrenamtliche Engagement gar nicht erfreut. Sie werfen dem Verein vor, Wohnungslose anzulocken und damit den Kiez abzuwerten. Zum Sprachrohr der KritikerInnen der Obdachlosenhilfe machte sich der SPD-Politiker Thomas Isenberg, der seinen Wahlkreis im Hansaviertel hat. Auf einer von ihm moderierten Veranstaltung „Sicherheit und Sauberkeit im Hansaviertel“ am Dienstagabend machte Isenberg im Gymnasium Tiergarten mehrmals klar, dass der Hansaplatz in einem Jahr sauber sein soll und dazu sei er auch bereit, die Wohnungslosen von dort zu verdrängen.  
 
Notfalls Anzeigen machen
 
Isenberg hatte Vertreter/innen der Polizei und des Ordnungsamtes sowie den Vorsitzenden des Bürgervereins Hansaviertel Matthias Rudolph auf das Podium  eingeladen. Gleich am Beginn regte sich eine besorgte Bürgerin über „Osteuropäer“  auf, die bestimmt keine „syrische Flüchtlinge“ seien und vor dem Eingang zu ihrem Abstellplatz für ihr Fahrrad sitzen würden. Andere störten sich daran, dass Obdachlose vor den Einkaufsmärkten stehen und auf Bänken rund um den Hansaplatz sitzen würden. Es war der anwesende Polizeikommissar Mario Kanisch, der entgegen den subjektiven Bedrohungsgefühlen einiger Anwesender klarstellte, dass die Kriminalität rund um den Hansaplatz zurückgegangen ist. Daher hätte das Verwaltungsgericht entschieden, dass dies kein Kriminalitätsbelasteder Ort (KBO) ist, was die Rechte aller Nutzer/innen am Platz stärkt und die polizeilichen Eingriffsmöglichkeiten reduziert. Das störte neben manchen Anwesenden auch Thomas Isenberg, der dazu aufrief, alles was stört, zur Anzeige zu bringen, beispielsweise, wenn jemand auf einer Bank schläft oder in eine Hecke pinkelt. Doch die Hoffnung von Isenberg und einigen der Anwesenden mit vielen Anzeigen den Hansaplatz wieder zum kriminalitätsbelastenden Ort zu machen, dämpfte Polizeikommissar Kanisch. Das sei ein langes Prozedere und werde durch Gerichte entschieden. Isenberg ließ sich in einen seien Aktivismus allerdings nicht bremsen. So wolle er die Läden rund um den Hansaplatz anschreiben, damit sie den Wohnungslosen möglichst nichts verkaufen und ihnen keine Pfandflaschen mehr abnehmen. Lobend erwähnte er einen Dönerladen, der die Wohnungslosen nicht bediene. Heftig kritisiert wurde ein Spätkauf, der keinen Unterschied zwischen seinen Kund/innen macht und sich eigentlich nach den Maßstäben des Rechtsstaates vorbildlich verhält. Schließlich dürfte sich eine gezielte Nichtbedienung von Wohnungslosen wohl kaum mit den Antidiskriminierungsgrundsätze vereinbaren lassen. Doch davon ließen Isenberg und sein junger Mitarbeiter Marlon Bünck nicht beirren. Auf Einwände, dass eine Verdrängung der Obdachlosen das Problem nicht löst, entgegnete Bünck, dass sei Sozialromantik.  Wenn er redete, konnte man verstehen, warum ein Thilo Sarrazin die SPD noch als seine politische Heimat begreift. Isenberg und Bünk, der als Leiter der Projektgruppe Hansaviertel die Politik der Sauberkeit und Sicherheit umsetze sollen, haben mehrmals angekündigt, dass sie alle Schritte prüfen wollen, um der Berliner Obdachlosenhilfe die Ausgabe von Essen und Kleidung im Hansaviertel zu verbieten.
 
Man bekämpft die Armen nicht die Armut
 
Nur wenige BesucherInnen machten darauf aufmerksam, dass Obdachlose nicht verschwinden, wenn sie am Hansaplatz kein Essen mehr bekommen. Sie forderten sozialarbeiterische und gesundheitspolitische Maßnahmen, um die Obdachlosigkeit und nicht die Obdachlosen zu bekämpfen. Vage kündigte Isenberg an, damit werde sich eine weitere Veranstaltung im nächsten Jahr beschäftigen. Doch er ließ keinen Zweifel daran, dass zum 60. Jubiläum des Weltkulturerbes Hansaviertel Arme dort keinen Platz haben.
 
Peter Nowak

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