MieterEcho online 23.04.2017
Teuer erkauft, immerhin kommunal
Das Neue Kreuzberger Zentrum, in den Siebzigern und Achtzigern noch verpönt als massives Symbol einer verfehlten Stadtpolitik, hat sich für die dort lebenden Menschen zum liebgewonnenen Zuhause, Arbeitsort und öffentlichen Raum entwickelt, doch auch für so manchen Investor zu einem attraktiven Anlageobjekt. Mit seinen knapp 300 Wohnungen sticht das Gebäude aufgrund seiner Größe und Massivität heraus und birgt nun das Potential zu einem Symbol einer Stadtgestaltung zu werden, die das Soziale hoch auf die Prioritätenliste setzen will.
Lange schien das NKZ die Berliner Mietspirale umschiffen zu können, eine Kommanditgesellschaft aus einigen hundert an Steuerersparnis interessierten Anteilseignern aus dem westdeutschen Raum sowie die engagierte Kremer Hausverwaltung hatten keine Absicht, den Mieter_innen des langgezogenen Betonblocks das Leben schwer zu machen.
Als jedoch vor einigen Monaten bekannt wurde, dass ein berüchtigter Berliner Immobilienbesitzer nach und nach die Kommanditisten davon überzeugte, ihre Anteile zu verkaufen, beschlossen einige Mieter_innen, für das Neue Kreuzberger Zentrum einen Mieterrat zu gründen. Durch eine Wahl bestätigt begann der achtköpfige Rat unterstützt durch weitere Mieter_innen seine Arbeit, sich in das Labyrinth der Finanzierungs- und Verwertungsgeschichte des NKZ einzuarbeiten.
Kurz darauf trat jedoch ein weiterer Kaufinteressent auf den Plan, die Juwelus Investitions- und Beteiligungs GmbH & Co. KG. Die Kommanditisten einigten sich darauf, den Gebäudekomplex verkaufen zu wollen und dafür ein Bieterverfahren einzuberufen.
Das mittelfristige Ziel für den Mieterrat sei, eine Form der Selbstverwaltung zu entwickeln, "in der die Mieter_innen entscheiden, wie sie leben und arbeiten wollen", so Ryan Harty vom Mieterrat. Dafür müsse das Haus an die öffentliche Hand gehen – "solche Experimente und Modelle sind nichts für Private wie Juwelus", ergänzt der Mietervertreter.
Und in der Tat hatte auch die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobau mitgeboten, stieg jedoch bei 56,5 Mio. € aus, so dass Juwelus den Zuschlag bekam. Alarmiert begann der Mieterrat sogleich Protestveranstaltungen zu organisieren und informierte die Mieterschaft, MieterEcho online berichtete.
So trafen sich am Ostermontag viele Nachbar_innen zum Grillen und Austausch vor dem Ostflügel des NKZ. Die ganze Breite der Nachbarschaft war anwesend, es wurde über mögliche Perspektiven und Aktionsmöglichkeiten gesprochen, die Kinder färbten Ostereier. Per Soundanlage erläuterte ein Mieterratsvertreter auf türkisch die Situation, um die Leute zu erreichen, die auf den Balkonen geblieben waren.
Am 18. April 2017 trat dann die Kommanditgesellschaft zu einer Versammlung im Hotel am Zoo zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Zwei Vertreter_innen des Mieterrats konnten dem Treffen beiwohnen, allerdings ohne Rederecht. Per SMS-Nachrichten wurden die neuesten Entwicklungen an ein dutzend Mieter_innen draußen auf dem Ku’damm vor dem Hotel durchgegeben, die dort mit Schildern und Transparenten auf die Bedeutsamkeit der Lage aufmerksam machten. An der Versammlung in den Hotelräumen nahmen der gesamte Beirat, einige Kommanditisten, Juristen und Steuerberater, aber auch zwei Vertreter_innen des Mieterrats sowie ein Pressevertreter teil. Im Laufe der Sitzung wurde bekannt, dass von Juwelus seit dem gewonnenen Bieterverfahren nichts mehr gehört wurde, und sollte dies so bleiben bis einschließlich Donnerstag, der Gebäudekomplex an den Zweithöchstbietenden, also die Gewobag verkauft werde.
In den Debatten äußerten sich einige der Kommanditisten, dass ihnen die Mieterschaft am Herzen liege und sie froh über einen Verkauf an die Gewobag wären. Es dürfe jedoch keiner der Bietenden bevorzugt werden. Die Kommanditisten hätten hingegen eine Wahl gehabt, so Marie Schubenz vom Mieterrat nach der Versammlung, ob sie sich für ein Bieterverfahren entscheiden und seien davon bis dato auch nicht abgerückt. Und de facto galt auch, sollte die Gewobag wie Juwelus nicht rechtzeitig eine größere Anzahlung leisten, werde das Haus an den Dritthöchstbietenden gehen – an Tetras Grundbesitz GmbH, die aus dem Bieterverfahren knapp unterhalb des Gewobag-Gebots ausgestiegen war.
Bis Mitternacht des 20. auf den 21. April wurde noch auf Juwelus gewartet und in den frühen Morgenstunden des Freitags, 21. April ging dann eine Nachricht des Vorsitzenden des Gesellschafterbeirats beim Mieterrat ein, dass am selbigen Tag der Kaufvertrag mit der landeseigenen Gewobag geschlossen werde.
In den Aufgängen des NKZ wurden Zettel aufgehängt, die die für die Mieter_innen erfreuliche Botschaft kundtaten.
Laut dem Mieterrat komme es jetzt darauf an, den Prozess der Kommunalisierung aufmerksam zu begleiten und auch selbst zu gestalten. Denn in jüngster Vergangenheit hat sich gezeigt, dass – nur weil eine städtische Wohnungsbaugesellschaft Eigentümerin ist – noch längst nicht alle Rechte der Mieter_innen berücksichtigt werden.
Grischa Dallmer und Matthias Coers
Siehe auch ME online: https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/nkz-030417.html