Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 21.05.2021

Kurs Privatwirtschaft

Die geplante Abwicklung des Mietendeckels für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verweist auf das wohnungspolitische Rollback zum Ende der Legislatur des rot-rot-grünen Senats

 

Wie die BZ bereits am Montag berichtete, planen Teile des rot-rot-grünen Senats die gesetzlichen Vorgaben des Mietendeckels zum Oktober 2021 auch für die 330.000 Wohnungen der sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auslaufen zu lassen. Das geht aus einer gemeinsamen Vorlage von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Die Linke) hervor, die MieterEcho-Online vorliegt. Demnach sollen durch den Mietendeckel abgesenkte Mieten ab Oktober wieder auf ihr Ursprungsniveau angehoben werden, wobei diese politisch verordneten Mietsteigerungen die ortsüblichen Vergleichsmieten bis zu 10% überschreiten dürfen. Statt der gesetzlich festgesetzten Mietobergrenzen sollen sich auch Neuvermietungen fortan an den Vergleichsmieten orientieren. Bei einer objektbezogenen „Unwirtschaftlichkeit“ dürfen die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sogar den maximalen Spielraum der Mietpreisbremse ausschöpfen und ihre Wohnungen für bis zu 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete anbieten. In dieser Hinsicht gäbe es keinen Unterschied mehr zwischen öffentlichen Unternehmen und privatwirtschaftlichen Marktakteuren. Die Steigerung der Bestandsmieten sollen sich am Verbraucherpreisindex orientieren und jährlich um bis zu 2% erhöht werden. „Entsprechende Mieterhöhungen können aufgrund der Maßnahmen zum Schutz von Mieterinnen und Mietern für die Dauer der Corona-Krise frühestens zum 1. Oktober 2021 angekündigt werden“, heißt in der Vorlage weiter.

Auf eine Anfrage von MieterEcho-Online reagierte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wortkarg. „Zum Thema Mieterhöhungen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften kann ich Ihnen mitteilen, dass aktuell durch den Beschluss des Senats zu den mietenschützenden Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie, Mieterhöhungen bis zum 31. Oktober ausgesetzt sind“, heiß aus der Pressestelle. Zu weiteren Inhalten wollte man sich nicht äußern. Kathrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, kritisierte die Senatspläne scharf: „Der Senat steht in der Pflicht seinen Ansprüchen selbst gerecht zu werden, die er nach dem Wegfall des Mietendeckels an private Vermieter formuliert hat. Denn schließlich hat das Land Berlin zwar keine Kompetenz alle Mietwohnungen zu deckeln, die landeseigenen Wohnungen jedoch schon“, sagte sie gegenüber MieterEcho-Online. Würden die Kerninhalte des Mietendeckels nicht weiter umgesetzt mache sich der Senat „unglaubwürdig“ und werde seiner Vorbildrolle nicht gerecht. „Gerade nach dem Wegfall des Mietendeckels sind die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die von ihnen verlangten Mieten wichtig für eine mietpreisdämpfende Wirkung für die ganze Stadt, denn sie haben Einfluss auf den Mietspiegel“, führte sie weiter aus. Auch Niklas Schenker, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Städtebau und Wohnungspolitik der Linken, sieht die Vorlage kritisch: „Es gibt keinen Grund vom Deckel abzuweichen. Der Mietendeckel wurde in der Koalition geeint, vom Abgeordnetenhaus beschlossen und die LWU haben mit geringeren Mieteinnahmen wirtschaftlich bis 2025 kalkuliert. Gerade jetzt wäre alles andere als eine Beibehaltung auch ein völlig falsches Signal an die Stadtgesellschaft“, sagt er. Schenker stellt sich gegen die Erhöhung abgesenkter Mieten und fordert, kommunale Wohnungen maximal zur Vormiete, oder, sofern diese niedriger sein sollte, zur ortsübliche Vergleichsmiete neu zu vermieten. Bestandsmieten sollten ab März 2022 in Höhe des Inflationsausgleich, jedoch maximal um 2 Prozent jährlich, angehoben werden. Von diesen Forderungen muss er nun jedoch auch seinen Parteikollegen Sebastian Scheel überzeugen. Nach den großen Widerständen von einigen Abgeordnet/innen aus den Koalitionsfraktionen wurde die Behandlung der Vorlage auf den 1. Juni vertagt.

Die geplante Abwicklung des Mietendeckels bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften reiht sich in weitere Entscheidungen des rot-rot-grünen Senats in der jüngeren Vergangenheit ein mit denen sich die öffentlichen Unternehmen wieder stärker an die Wohnungsbewirtschaftung privater Marktakteure angleichen. Zu Beginn der Legislatur zeigten die Signale noch vorsichtig in Richtung einer sozialeren Ausrichtung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, etwa durch die Anhebung der Quote von geförderten Wohnungen bei Neubauprojekten von 30% auf 50% und die stärkere Berücksichtigung von WBS-Berechtigen und besonderen Bedarfsgruppen bei der Wiedervermietung. Doch im Verlauf der Legislatur wurden selbst kleinere Spielräume für einen sozialen Umbau der Unternehmen nicht genutzt. Bei der Besetzung der Vorstände griff auch die rot-rot-grüne Koalition auf Manager/innen der privaten Wohnungswirtschaft zurück, wie die Ernennung des ehemaligen Vonovia-Managers Ulrich Schneider zum Geschäftsführer der HOWOGE im April 2019 zeigte. Auch die AöR Wohnraumversorgung, die die Arbeit der Wohnungsbaugesellschaften kontrollieren soll und sie stärker steuern könnte, blieb ein politischer Wasserkopf ohne Weisungsbefugnis und mit unklarer Kompetenz. Mit der Ernennung von Volker Härtig zum Vorstand Ende 2020 dürfte die AöR weiter an Bedeutung für eine soziale Ausrichtung der öffentlichen Unternehmen verlieren. Schließlich ist Härtig eng mit der privaten Bauwirtschaft verknüpft.

Ein deutlicher Rückschritt in der sozialen Wohnungspolitik ist die im April 2021 abgeschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Demnach kann ein Viertel der kommunalen Neubauwohnungen künftig für Mieten von bis zu 11 Euro/m², statt wie bisher für 10Euro/m², vermietet werden. Ein weiteres Viertel wird im sogenannten Zweiten Förderweg angeboten. Auf diesen Wohnungen haben Haushalte mit einem Einkommen von bis zu 240% der Einkommensgrenze für eine WBS-berechtigung Zugriff. Nach Berechnungen der Initiative Mietenvolksentscheid könnte ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Netto-Einkommen von mehr als 5.400 € Anspruch eine Wohnung aus diesem Förderweg anmieten. Lediglich die Hälfte der Neubauwohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen laut Kooperationsvereinbarung als Sozialwohnungen zu 6,50 Euro/m² angeboten werden. Die neue Kooperationsvereinbarung trägt damit eindeutig die Handschrift der Vorstände der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Sie inszenierten sich zunächst durch eine mediale Kampagne gegen weitere soziale Vorgaben und setzten sich schließlich in den Verhandlungen um die Neugestaltung der Vereinbarung gegenüber der Politik vollends durch. Die Einigung sei „ein Schlag gegen die notwendige offensive im Sozialen Wohnungsbau und eine Missachtung der Interessen von Mietenbewegungen. Das zeigt: Die LWU müssen durch den Gesellschafter stärker an die Kandare genommen werden“, kommentierte die Initiative Mietenvolksentscheid treffend. Warum der Senat als 100%iger Gesellschafter überhaupt Verhandlungen mit den Unternehmen Vorständen führt, statt sie politisch anzuweisen, ist ebenso wenig verständlich, wie die Tatsache, dass er sich dabei immer wieder über den Tisch ziehen lässt. Mit der Kooperationsvereinbarung ignoriert der Senat zudem seinen eigens in Auftrag gegebenen Wohnraumbedarfsbericht 2019, der ein Versorgungsdefizite im rund 375.000 Wohnungen im leistbaren und geförderten Wohnungssegment errechnete. Durch Neubauwohnungen zu 11 Euro/m² werden diese Defizite jedoch nicht behoben.

Angesichts des abschmelzenden Bestandes an Sozialwohnungen in Berlin und der Tatsache, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften den geförderten Wohnungsbau quasi im Alleingang errichten, wäre eine vollkommen andere Ausrichtung der kommunalen Wohnungswirtschaft dringend notwendig. Dazu zählt die Abkehr von der zeitlich befristeten Wohnungsbauförderung und ein Übergang zu einer dauerhaften und öffentlichen Finanzierung der kommunalen Wohnungsunternehmen. Die Rufe nach einer auskömmlichen Finanzierung und dem Aufbau öffentlicher Baukapazitäten blieben unter der rot-rot-grünen Koalition jedoch unerhört. Der Umbau der eigenständig agierenden und privatrechtlich organisierten, kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu öffentlich-rechtlichen Trägern stand ohnehin nie auf der Agenda dieser Regierung. Mit der Abwicklung des Mietendeckels bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften würde sie sich vollends von der Transformation der städtischen Wohnungsunternehmen zu Trägern einer sozialen Wohnraumversorgung verabschieden.

 

Philipp Möller

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