MieterEcho online 08.08.2014
Kampf für Mieterrechte und gegen Privatisierung von öffentlichem Raum im Wedding
„Organisiert Mieterinitiativen. Lernt Eure Nachbaren kennen. Nutzt öffentliche Plätze für Eure Treffen“. Diese Aufforderung richtete eine Rednerin der StadtteiIinitiative „Hände weg vom Wedding“ an ca. 250 Menschen, die sich dort am Donnerstagabend auf dem Leopoldplatz zu Open-Air Aufführung des Films „Mietrebellen“ von Gertrude Schulte Westenberg und Matthias Coers versammelt hatten.
Er zeigt die Vielfalt der Berliner Mieterkämpfe von den Protesten der Senioren der Stillen Straße und der Palisadenpanther bis zu der Bewegung gegen Zwangsräumungen. Daran knüpften Rednerinnen des Weddinger Bündnisses, in dem sich MieterInnen und StadtteilaktivistInnen zusammengeschlossen haben, mit aktuellen Beispielen aus dem Stadtteil an. Sie erinnerten daran, dass im Juni Tina S. aus ihrer Wohnung in der Weddinger Buttmannstraße 18, in der sie über 30 Jahre gewohnt hat, zwangsgeräumt wurde. Eine Erwerbslosenaktivistin berichtet, dass die Mieten auch im Wedding oftmals über den Satz liegen, den das Jobcenter Hartz IV-EmpfängerInnen zubilligt. Für sie bleibt dann nur die Alternative, den Rest der Miete von ihren kargen Einkünften zu bestreiten oder wegzuziehen.
Bereits 2010 trafen sich MieterInnen zu mehreren Veranstaltungen, um über die aktuellen Aufwertungsentwicklungen im Stadtteil zu analysieren und Gegenstrategien zu entwickeln (siehe MieterEcho 541/Juni 2010). Seit letztem Jahr veranstaltet die Initiative „Hände weg vom Wedding“ regelmäßig Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen und vor Jobcentern, um auf die Verarmungsprozesse und die drohende Verdrängung einkommensschwacher Menschen im Stadtteil aufmerksam zu machen.
Wenn die Grundrechte nicht mehr gelten
Der Teil des Leopoldplatzes, der seit 2006 im Eigentum der Nazareth-Kirchgemeinde ist, sollte für die MieterInnenkundgebung zur Verfügung stehen. Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates Sebastian Bergmann erklärte, man müsse die politische Neutralität achten. Davon war er auch nicht durch den Offenen Brief der beiden Regisseure des Films „Mietrebellen“ abzubringen, in dem sie fragten, ob „eine evangelische Gemeinde ihrem Anspruch nach, als Ort der Armen und Verdrängten, ihre Tore nicht öffnen müsste, statt sie für diese öffentliche Filmaufführung zu schließen.“ Unterstützung bekam die Kirchengemeinde durch das Berliner Amtsgericht. Es lehnte eine Einstweilige Verfügung gegen das Platzverbot mit der Begründung ab, dass die Kirchengemeinde „nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden“ sei. Denn bei ihr handele es nicht um „eine staatliche Organisation oder ein Unternehmen, das mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht.“ Mit dieser Begründung bekommen aber private Organisationen eine Handhabe, demokratische Grundrechte wie Demonstrations- und Versammlungsfreiheit z außer Kraft zu setzen. Vor einer solchen Entwicklung hatten KritikerInnen der neoliberalen Stadtentwicklung in den 90er Jahren mit Innenstadtaktionstagen gewarnt. Die Weddinger Initiative hat nun den Kampf um den öffentlichen Raum und die Interessen der MieterInnen zusammengeführt, in dem sie den Platz für einige Stunden in Besitz genommen und über den MieterInnenwiderstand zu diskutieren.
Peter Nowak