Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 05.06.2019

„Wir machen nur unseren Job“

Vertreter von Medici Living weisen Kritik an ihren „Co-Living-Spaces“ in der Lehrter Straße zurück. 

Einem Lehrstück in Sachen moderner Unternehmenskommunikation konnten am Dienstagabend die Besucher einer Veranstaltung des Betroffenenrats Lehrter Straße beiwohnen.  Volker Binnenböse und Björn Welter von der Medici Living Group waren einer Einladung des Gremiums gefolgt, um ihr neuestes Projekt zu erläutern und mit Anwohnern zu diskutieren. Das Unternehmen hat im neuen Stadtquartier „mittenmang“ in der Lehrter Straße zwei Häuser mit 94 Wohnungen als Generalmieter übernommen, die nach erfolgtem Umbau ab August als „Co-Living-Spaces“ bewirtschaftet werden. Insgesamt werden dann 266 Zimmer mit Größen zwischen 13-18 Quadratmetern in Wohngemeinschaften separat möbliert vermietet. Die Monatsmieten stehen noch nicht genau fest, werden aber auch für die kleinsten Zimmer ohne Balkon oberhalb von 600 Euro liegen - wobei Nebenkosten und die Nutzung von Gemeinschaftsflächen inklusive sind. In Moabit gibt es bereits ein ähnliches Objekt von Medici in der Stromstraße.

Was Anwohner und örtliche Mieterinitiativen als besonders dreiste Form der Geschäftemacherei mit Wohnraum ansehen, verstehen Binnenböse und Welter eher als eine Art soziale Wohltat. Man biete „jungen Berufstätigen, die erst am Anfangt ihrer Karriere stehen, preiswerten und flächeneffizienten Wohnraum, der zudem genau ihren Bedürfnissen entspricht“, so Binnenböse. Diese „für Berlin sehr wichtige Zielgruppe“  suche „einen Ruhepol zum schlafen“, ein angemessen komfortables Umfeld, urbanes Ambiente und „das Gefühl einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten“, welches in normalen Wohnungen und auch in abgeschlossenen Mikro-Appartements fehle. Die Mietverhältnisse seien „unkompliziert und flexibel“, was gerade für Wohnungssuchende aus dem Ausland wichtig sei, da sie weder Schufa-Bescheide noch Mietschuldenfreiheitsbescheinigungen vorlegen könnten.
Für Binnenböse ist es auch kein Problem, dass die Häuser ursprünglich für Paare und Familien geplant waren: „Unsere Mieter verbrauchen viel weniger Fläche und konkurrieren daher nicht mit Familien um Wohnraum“.

Für den Einwand, dass derartige Projekte dazu beitragen, Verdrängung und soziale Umschichtung in Altstadtquartieren wie Moabit weiter zu beschleunigen, gab es ein freundliches Schulterzucken. „Die Welt ändert sich überall, da muss man zusammenarbeiten, ohne sich auf die Füße zu treten“. Deswegen sei man auch zu der Veranstaltung gekommen, „denn wir wollen natürlich wissen, wie dieser Kiez tickt“. Ihr Job sei es, so Welter, ein passgenaues und marktgerechtes Angebot für eine wichtige Zielgruppe zu entwickeln. Alles andere seien „politische Fragen, auf die wir keinen Einfluss haben und die an anderer Stelle geklärt werden müssen“.

Genau das hatten der Betroffenenrat und die Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte auch versucht und wollten in einer schriftlichen Anfrage an das Bezirksamt wissen, ob man dieser Umnutzung von Wohnraum nicht einen Riegel vorschieben könne. Doch in seiner Antwort machte Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe am 16.Mai klar, dass weder das Baurecht, noch die Zweckentfremdungsverbotsverordnung oder die in Berlin geltende „Kooperative Baulandentwicklung“ dem Geschäftsmodell von Medici Living entgegenstehen, da es sich rechtlich um eine Wohnraumnutzung handele. Und daran werde sich auch in der näheren Zukunft nichts ändern

Rainer Balcerowiak

 

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