MieterEcho online 05.03.2020
„Zusammen aktiv gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung"
Der große Raum des S0-36 war am Mittwochabend zu etwa zwei Drittel besetzt. Das Bündnis Zwangsräumung verhindern und weitere Stadtteilinitiativen hatten unter dem Motto „Zusammen aktiv gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung“ zur ersten Kreuzberger Kiezversammlung nach dem Inkrafttreten des Mietendeckels aufgerufen. „Dass er überhaupt kommt, ist einer vielfältigen und gut vernetzen Mieter/innenbewegung zu verdanken. Doch wir wollen mehr“, erklärte eine de Moderatorin ganz am Anfang. Sie betonte, dass es sich um nicht um eine Informations-, sondern um eine Aktivierungsversammlung haltet. Das ist gelungen.
Der Kreis der Initiativen, die am Mittwochabend ihre Themen kurz vorstellten, war erstaunlich groß. Eine Vertreterin der Stadtteilinitiative Ora Nostra, in der sich von Verdrängung bedrohte Gewerbetreibende in der Oranienstraße zusammengeschlossen haben, berichtete über eine Solidaritätsaktion mit den Opfern des rassistischen Amoklaufs von Hanau. Zahlreiche Läden hatten während des Gedenktages am 4.März geschlossen. Die Rednerin verwies darauf, dass es in der Oranienstraße - ähnlich wie in Hanau - viele Ladenbesitzer/innen gibt, die in den Augen der Rechten nicht biodeutsch sind. Es sei bei vielen eine große Betroffenheit entstanden, dass eine solche rassistische Bluttat wie in Hanau auch bei ihnen passieren kann. Für Ora Nostra, wie für alle Initiativen, die sich am Mittwoch vorstellten, gehört der Kampf gegen Rassismus und gegen Verdrängung zusammen.
Solidarität braucht erneut der Buchladen Kisch und Co. Er war 2017 akut räumungsbedroht, weil die Nicolas Berggruen Holdings GmbH die Räume profitabler verwerten wollte. Die starken Proteste im Stadtteil und darüber hinaus bescherten dem Laden eine dreijährige „Galgenfrist“, wie es einer der Ladenbetreiber damals nannte. Nun braucht der Laden wieder Solidarität, um in der Oranienstraße zu bleiben.
Syndikat setzt auf solidarische Nachbarschaft
Am 17. April soll die Kiezkneipe Syndikat in der Neuköllner Weisestraße geräumt werden. Weil der Widerstand nicht auf einen Stadtteil begrenzt bleiben kann, war das Thema auch bei der Kreuzberger Kiezversammlung ein großes Thema. Für die nächsten Wochen sind zahlreiche Versammlungen, Demonstrationen und Go-Ins geplant. Dabei setzen die Betreiber/innen des Syndikat auf eine solidarische Nachbarschaft, Die Kneipe war immer Teil davon. Die Briefkastenfirma Pears Globalhat dem Syndikat nach mehr als 35 Jahren gekündigt. Dadurch wurde erst bekannt, dass die extrem verschachtelte Briefkastenfirma, hinter der Londoner Geschäftsleute stehen, mittlerweile zahlreiche Wohnungen in Berlin gekauft hat. Auch die Mobilisierung zur Mietenwahnsinndemonstration am 28.März wurde auf der Versammlung beschlossen. Dieses Mal ist die besonders notwendig, denn der Mietendeckel darf nicht dazu führen, dass sich manche der von Verdrängung Betroffenen wieder auf die Politik verlassen.
Peter Nowak