MieterEcho online 18.11.2015
Koloniestraße oder wie mit Sozialwohnungen Profit gemacht wird
„Keine Tricks mehr“ und “Stoppt die fiktiven Kosten im sozialen Wohnungsbau“ lauteten die Parolen, mit denen MieterInnen mehrerer Häuser der Weddinger Koloniestraße vor einigen Tagen vor der Berliner SPD-Zentrale protestierten. Die Kaltmieten der BewohnerInnen der Koloniestraße 2, 2a, 6, 6a 6b 7 und 8 sollen sich ab 1. Dezember von monatlich 6 auf 12 Euro pro Quadratmeter fast verdoppeln. Eine Mieterin, die bisher 408 Euro Miete im Monat gezahlt hat, soll nun mit 790,56 Euro monatlich überweisen. Betroffen sind ca. 500 BewohnerInnen aus 157 Wohnungen. Viele von ihnen gehören zu den Menschen mit geringen Einkommen, beziehen Hartz IV oder arbeiten im Niedriglohnbereich. Da war der Schock groß, als vor einigen Wochen die Ankündigung der Mieterhöhung angekommen ist. Einige hätten sofort gekündigt, berichtete Kristina Schmygarjew. Die Mieterin der Wohnanlage in der Koloniestraße hat sich in den letzten Wochen mit Stadtteilinitiativen wie „Hände weg vom Wedding“ und anderen politischen Organisationen getroffen. Ihr Ziel ist klar: „Ich will erreichen, dass alle MieterInnen in ihren Wohnungen bleiben können und die Mieterhöhung zurückgenommen wird“, betont Frau Kristina Schmygarjew. In den letzten Wochen gab es zahlreiche MieterInnenversammlungen. Anfangs haben sich die BewohnerInnen noch im geräumigen Hof getroffen, mittlerweile hat man die Beratungen witterungsbedingt in den Heizungskeller verlegt. An den Protesten beteiligen sind regelmäßig ca. 60-80 MieterInnen. Viele von ihnen sind in der Koloniestraße geboren und wollen auf keinen Fall wegziehen. Dabei ist die Koloniestraße keinesfalls eine Ausnahme in Berlin. Die im Sozialen Wohnungsbau errichteten Häuser gehören zu den ca. 28000 Berliner Sozialwohnungen, die vom Wegfall der sogenannten Anschlussfinanzierung betroffen sind. Danach können die VermieterInnen dieser Wohnungen die sogenannte Kostenmiete in voller Höhe verlangen. Laut Gesetz soll die Miete kostendeckend sein. Das bedeutet eigentlich, dass sie nicht höher als die laufenden Aufwendungen der VermieterInnen sein soll. Tatsächlich ist die Miete nach dem Wegfall der Anschlussförderung oft zwei- bis dreimal höher als die ortsübliche Vergleichsmiete. So wird eine Wohnanlage durch den Wegfall der Anschlussfinanzierung für Eigentümer erst richtig profitabel. Nach Einsicht in das Grundbuch wurde klar, dass die jetzigen EigentümerInnen der Wohnanlage in der Koloniestraße etwa 10 Millionen Euro für das ganze Ensemble gezahlt haben. In der Wirtschaftlichkeitsberechnung stehen aber die ursprünglichen Baukosten von 32 Millionen. Dass heißt der jetzige Eigentümer darf laut Gesetz Kosten geltend machen, die er nie gehabt hat und die schon durch Subventionen und Garantien im Insolvenz-Fall durch Steuergeld bezahlt wurden.
Ein bewährtes Team am Berliner Immobilienmarkt
Die Wohnanlage in der Koloniestraße wurde nach einer Insolvenz des Voreigentümers 2010 an die Portfolio GmbH Lior Mamrud und Josif Smuskovics verkauft. Zu den in den letzten Jahren mehrfach wechselten Hausverwaltungen gehört die Claus Hausverwaltung GmbH. Hellmuth Claus ist wiederum Geschäftsführer von Immonexxt, die mit dem Slogan „Wohnen mit Wohlfühlfaktor“ wirbt. BeobachterInnen des Berliner Wohnungsmarktes ist das Duo Claus/Lior Mamrud und Josif Smuskovics allerdings schon häufiger begegnet. Zum 1. Januar 2014 hat die Claus Hausverwaltung die Verwaltung wesentlicher Teile des Immobilienbestandes der Berliner Family Office Mamrud Smuskovics-Gruppe übernommen. Im Gegenzug hat die D.V.I. Deutsche Vermögens- und Immobilienverwaltung GmbH – ein Unternehmen der MamrudSmuskovics-Gruppe – 50 % der Gesellschaftsanteile der Claus Hausverwaltung GmbH erworben. Stefan Claus, Geschäftsführer der Claus Hausverwaltung GmbH, sieht in der Verzahnung Vorteile für beide Partner. Während die Claus Hausverwaltung den von ihr verwalteten Immobilienbestand von derzeit rund 4.000 Wohnungen schrittweise auf über 7.000 erweitere, rücke der Investor durch seine Gesellschafterstellung noch näher an die Immobilienverwaltung heran. Der für die Verwaltung geschlossener Immobilienfonds zuständige Unternehmensbereich der Claus-Gruppe, die BEB Verwaltungs GmbH, bleibt von diesen Veränderungen unberührt und unter der alleinigen Kontrolle der Familie Claus. Im Zuge der Trennung der beiden Unternehmensbereiche ist Stefan Claus aus der Geschäftsführung der BEB Verwaltungs GmbH ausgeschieden; verantwortlicher Geschäftsführer der BEB Verwaltungs GmbH bleibt Dino Kirchmeier. Die D.V.I. - Gruppe beschreibt auf ihrer Homepage die Grundzüge ihrer Unternehmensphilosophie:
„Im Gegensatz zu den klassischen Immobilienunternehmen haben wir unser Investmentspektrum sehr weit definiert und je nach Bedarf führende Spezialisten in den Akquisitions- und Entwicklungsprozess integriert. Vom konventionellen Wohn- und Geschäftshaus bis hin zu komplexen NPL-Transaktionen haben wir auf unserer bisherigen Reise eine Vielzahl von umfangreichen Baumaßnahmen durchgeführt, nahezu alle Facetten der gewerblich genutzten Immobilie in unseren Bestand aufgenommen, großflächige Bebauungspläne für eigene Grundstücke initiiert, zahlreiche unterschiedliche Wohnanlagen erworben und nicht zuletzt die mehrheitliche Übernahme von geschlossenen Immobilienfonds umgesetzt. (…) Angetrieben von der Leidenschaft für Immobilien, sehen wir unsere Kernkompetenz in der Bereitschaft neue Wege zu gehen und beweglich zu sein – Entschlossenheit und Konsequenz prägen unsere Umsetzung.“
„Die Gründe liegen in der Markteinschätzung des Eigentümers“
Der Berliner Kurier hatte im März 2011 unter der Überschrift „Wer sind die skrupellosen Miethaie?“ auch die Claus Hausverwaltung besucht. Sie suchten nach den Verantwortlichen die für massiven Mieterhöhungen in der Berliner Kochstraße, die damals Schlagzeilen machten. „Die Gründe liegen in der Markteinschätzung des Eigentümers“, zitiert der Kurier aus einer Mail von Stefan Claus. Das dürfte auch auf die Wohnanlage in der Koloniestraße zutreffen.
Peter Nowak