MieterEcho online 19.07.2018
Härtefall durch Tod des Mieters weggefallen
Ein Urteil zeigt, welche mitunter tödliche Folgen Eigenbedarfskündigungen haben.
Eine erfolgreiche Buchautorin und Kreativdirektorin einer großen deutschen Werbeagentur kauft in Berlin-Mitte mehrere Wohnungen. Eine bewohnt sie, eine zweite in der Torstraße will sie zusätzlich zum Arbeiten nutzen. Nur wusste sie beim Kauf im Jahr 2013, dass dort der Begründer und langjährige Leiter des Dokumentationszentrums "Prora" Jürgen Rostock bereits seit mehr als 2 Jahrzehnten inmitten seiner großen Bibliothek wohnt und dort seinen Lebensabend verbringen will. 2015 wird Jürgen Rostock mit dem Instrument der Eigenbedarfskündigung konfrontiert. Zwei Jahre später hatte er die Klage verloren:
Die Eigentümerin lehnte daraufhin die Bitte des Seniors ab, die Frist für den Auszug um 12 Monate zu verlängern, damit er mehr Zeit hat, eine neue Wohnung zu finden. In ihrer Begründung wird viel über die Ideologie einer erfolgreichen Vertreterin der kreativen Klasse deutlich. Wer ihnen im Weg steht, muss weichen:
Es sei nicht ungewöhnlich, dass ältere Menschen ihre angestammte Umgebung verlassen müssten, um in eine altersgerechte Wohnung oder ein betreutes Wohnen umzuziehen. Dieses würde von diesen Menschen auch regelmäßig gemeistert, wobei der Beklagte auf hohem Niveau psychisch und intellektuell widerstandsfähig sei, begründet die Wohnungseigentümerin ihr Insistieren auf eine schnelle Räumung.
Katharina Rostock berichtete anschaulich, welche Folgen der drohende Verlust der Wohnung für ihren Vater hatte:
"Ich kann nicht behaupten zu wissen, dass sein plötzlicher Tod im März die Folge der Belastung durch den Rechtsstreit war. Ich kann aber mit Sicherheit sagen, dass der Rechtsstreit eine Belastung für ihn war und das ist für einen herzkranken Menschen sehr ungünstig", beschreibt sie die letzten Wochen seines Lebens. Jürgen Rostock starb Ende März 2018 im Alter von 81 Jahren. Seine Tochter führte am 17. Juli vor dem Berliner Landgericht den juristischen Kampf gegen die Kündigung als Erbin fort. Das Gericht erklärte die Eigenbedarfskündigung mit der Begründung für rechtmäßig, dass wegen des Todes des Mieters kein Grund für einen Härtefall mehr gegeben sei. Wäre Jürgen Rostock nicht gestorben, hätte sich die Richterin den Fall noch mal genau angesehen und unter Umständen anders entschieden.
Keine ethischen Debatten im Gerichtssaal
Gleichzeitig machte die Richterin auch deutlich, dass sie ein hohes Alter durchaus nicht pauschal als Härtefall einstuft. Zudem sorgte sie beim Publikum für Erheiterung, als sie die angeblich sozialen Mieter/innenrechte in Deutschland lobte. Der Fachanwalt für Mietrecht Christoph Müller wies als juristischer Vertreter von Katharina Rostock dagegen vor Gericht eindringlich auf die mitunter tödlichen Folgen der Eigenbedarfskündigungen hin. Nach kurzer Zeit beendete die Richterin den Disput mit der Bemerkung, ethische Diskussionen sollten vor dem Gerichtssaal fortgesetzt werden. Dort sprach Christoph Müller auch die Verantwortung der Politik an. "In Frankreich verhindert seit 2016 ein Gesetz, dass Mieter/innen über 65 Jahre durch Eigenbedarfskündigungen ihre Wohnung verlieren. In Deutschland gibt es bisher keine solche Initiative, weil sich keine Partei mit der Immobilienwirtschaft anlegen will". Die Wohnungseigentümerin lies über ihren juristischen Vertreter, den Medienanwalt Dominik Höch, erklären: "Ich teile Ihnen mit, dass unsere Mandantin überhaupt keine Stellungnahme abgeben wird. Sie wird auch keine Fragen beantworten." So kommt sie auch nicht in Verlegenheit, erklären zu müssen, wie ihr Verhalten mit einem Buch zusammenpasst, in dem sie das einfache Leben feiert und Verzichtstipps gibt. Noch 2017 äußerte sie sich in einem Interview zu ihrem Buch fasziniert von den Tiny Houses und dem Leben auf 6,4 Quadratmeter. Das habe sie zu der Frage geführt, "wie viel Wohnraum man wirklich braucht".
Peter Nowak