Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online – 22.05.2011

Bauausstellung des Kapitals?

Die bisherigen Ideen für eine Internationale Bauausstellung 2020 bleiben diffus

 

Jutta Blume
 

Seit Anfang des Jahres diskutiert ein Vorbereitungsteam über die Leitideen einer möglichen Bauausstellung (IBA) auf dem Tempelhofer Feld. Gleichzeitig wird das Erbe der letzten Bauausstellung, der Soziale Wohnungsbau der 80er Jahre, seiner sozialen Funktion enthoben.
 

„Keine Tricks mehr“ steht auf den gelben Plakaten, mit denen die Mieter/innen von Sozialwohnungen aus Kreuzberg und Mitte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) begrüßen. Die Sozialwohnungen wurden im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1984 gebaut, heute droht den Mieter/innen durch drastische Mieterhöhungen die Verdrängung. In manchen Gebäuden steht bereits die Hälfte der Wohnungen leer, aber neue, zahlungskräftigere Mieter/innen haben sich noch nicht gefunden. Berlin hat seinen Sozialen Wohnungsbau abgeschafft, der ein wesentlicher Bestandteil der vergangenen Berliner Bauausstellungen war. Der Berliner Senat plant eine neue Bauausstellung für das Jahr 2020. Unter dem Motto „IBA meets IBA“, der Begegnung der neuen mit den alten IBA-Ideen, steht das Expertenforum, vor dem Junge-Reyer am 18. April 2011 im Heimathafen Neukölln sprach. Die Begegnung zwischen den Bewohner/innen der IBA-Häuser der Vergangenheit und der IBA-Planerin der Zukunft war eine äußerst flüchtige. Die Senatorin würdigte die Protestierenden keines Blickes.
 

Tempelhofer Feld im Fokus

Ob in Berlin tatsächlich die IBA 2020 stattfinden wird, ist noch keine beschlossene Sache. Seit September 2010 arbeitet ein siebenköpfiges „Prae-IBA-Team“ an den Leitideen einer künftigen Bauausstellung. Seit Ende Januar finden im „IBA Studio“ im Gebäude des ehemaligen Flughafens Tempelhof regelmäßig öffentliche Diskussionen über die Leitideen statt. Denn die Randbereiche des Tempelhofer Felds sind es, auf denen die IBA-Bauten entstehen könnten. Ende Mai soll ein Konzept vorliegen, auf dessen Grundlage der Berliner Senat sich für oder gegen die Ausstellung entscheiden will. Doch wie wird diese Entscheidung getroffen? Werden die hinter der IBA stehenden Ideen entscheidend sein oder die finanzielle Machbarkeit in einer Stadt, die gerne auf ihre leeren Haushaltskassen verweist, zumindest dann, wenn es um Ausgaben im sozialen Bereich oder um Wohnungsbau geht?
 

Motto „Stadtkapital“

Das Expertenforum am 18. April steht auch unter dem Motto „Stadtkapital“. Was ist darunter zu verstehen, ein vollständig marktförmiges Verständnis von Stadt? Die Regierenden als Unternehmer, die ihre Stadt als Kapital möglichst gewinnbringend einsetzen? Martin Heller, Mitglied des Prae-IBA-Teams weist den Vorwurf, er und seine Kolleg/innen würden Stadtmarketing betreiben, prophylaktisch von sich. Doch das, was sich die Planer/innen unter „Stadtkapital“ vorstellen, bleibt an diesem Abend merkwürdig nebulös. Heller spricht von einer Auseinandersetzung mit den „Vermögen der Stadt“, die aber nicht in Geld zu beziffern, sondern als Talente zu beschreiben seien. Seine Kollegin Sonja Beeck betont, dass diese IBA nicht von den Problemen der Stadt her gedacht werden solle, sondern von ihren Potenzialen. Werden die offenkundigen Probleme der Stadt hier von vornherein ausgeklammert, weil man schon gar nicht mehr glaubt, sie bewältigen zu können?
 

Soziale Frage unbeantwortet

Bei den vergangenen Berliner Bauausstellungen ging es nicht nur darum, einen neuartigen Städtebau in architektonisch innovativer Form zu betreiben, sondern immer auch um die soziale Frage des Wohnens. So entstand bei der Interbau 1957 der Soziale Wohnungsbau im Hansaviertel, „der tausendfach nachgeahmt wurde und nicht immer gelungen ist“, wie Junge-Reyer behauptet. Allerdings sind wohl weniger die von internationalen Architekten individuell gestalteten Bauten des Hansaviertels misslungen. Vielmehr ist die städtebauliche Idee der Trennung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit der 50er Jahre heute nicht mehr zeitgemäß.

Aber auch die IBA 1984, die sich – reagierend auf die Hausbesetzerbewegung – die Wiederbelebung und behutsame Erneuerung der Innenstadt zum Ziel setzte, stellte die soziale Frage und schuf einen sehr viel kleinteiligeren Sozialen Wohnungsbau in den westlichen Innenstadtbezirken, vor allem in Kreuzberg und Tiergarten. Außerdem wurden Altbauten nicht länger abgerissen, sondern städtische Fördergelder für ihre Sanierung zur Verfügung gestellt. Zudem sollten Milieuschutzverordnungen die ansässige Wohnbevölkerung vor Verdrängung schützen.

Auf diesen Teil der IBA-Geschichte Bezug zu nehmen, versäumt Junge-Reyer wohlweislich, denn in den in dieser Zeit entstandenen Häusern wird die soziale Frage mit dem Ausstieg aus der Anschlussförderung im Sozialen Wohnungsbau heute zuungunsten derjenigen beantwortet, für die die Wohnungen einst gebaut wurden. Zwar bleiben die Häuser als Zeugnis der Berliner Baugeschichte bestehen, aber mit Mieten, die weit über dem Mietspiegel liegen, werden sie zukünftig nur noch Besserverdienenden zur Verfügung stehen. Die Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit in der Innenstadt mag bestehen bleiben, die soziale Mischung nicht. Zwar lässt sich heute kritisieren, dass der Soziale Wohnungsbau im Berlin der 80er Jahre eine gigantische Bereicherungsmaschine für Planer, Gutachter, Baufirmen und Politiker war, das berechtigt aber nicht, die heutigen Mieter/innen für die vergangene Misswirtschaft bezahlen zu lassen.
 

Senat bleibt Aktivposten bei der Verwertung der Stadt

In ihrer Rede über die Leitideen der zukünftigen IBA spricht Junge-Reyer von der Sorge um den sozialen Zusammenhalt, vom Druck auf den innerstädtischen Raum und sagt: „Wir müssen uns zunehmend dagegen wehren, dass Raum nur noch verwertet wird.“ Dabei ist es genau der Berliner Senat, der die Verwertung des Raums vorantreibt, mit seinem Auftrag an den Liegenschaftsfonds, landeseigene Grundstücke möglichst gewinnbringend zu veräußern, mit dem Verkauf der Wohnungsbaugesellschaften, mit der Verwertung des Tempelhofer Felds als Schauplatz einer Gartenausstellung, die Touristen in die Stadt bringen soll und dann nur noch gegen Eintritt zugänglich sein wird. Kritische Architekt/innen fordern heute, den Verkauf von Bundes- und Landesliegenschaften zu stoppen, solange allein die Grundstückserwerber über die zukünftige Nutzung und damit die Zukunft der Stadt entscheiden. Denn die heutigen Investoren vermögen kaum anderes hervorzubringen als Townhouses und andere abgeschottete Formen des Luxuswohnens hinter einfallslosen Fassaden.

Es ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die in Großprojekten wie Mediaspree oder dem Stadtquartier Heidestraße nur darauf setzt, internationale Investoren und Touristen in die Stadt zu locken, und die mit einem Konzept der unternehmerischen Stadt dafür sorgt, dass der Druck auf den innerstädtischen Raum zunimmt.

Weder die Stadtentwicklungssenatorin noch das Prae-IBA-Team liefern Antworten auf die Frage, wie ein Städtebau jenseits der Verwertung aussehen könnte, solange keine öffentlichen Mittel dafür bereitstehen. Denn auch wenn das Bauen bislang kaum konkret diskutiert wurde, werden am Ende bei einer IBA doch neue Gebäude entstehen, und Bauen kostet Geld. Wenn die Stadt hier nicht finanziell einspringen will, dann muss sie private Investoren gewinnen. Diese aber werden kaum willens sein, aus der Verwertungslogik auszusteigen und den Bewohner/innen Berlins ein Geschenk in Form von günstigen Wohnungen zu machen.
 

Leere Worthülsen

„Wir müssen uns Zeit nehmen für den Dialog mit der Stadtgesellschaft“, sagt Junge-Reyer an diesem Abend. Würde sie ihre eigene Aussage wörtlich nehmen, wäre sie vor der Tür bei den Sozialmieter/innen stehen geblieben und hätte sich deren Anliegen angehört. Und sie hätte 2008 den Wunsch der Bewohner/innen aus Friedrichshain-Kreuzberg ernst genommen, die Spreeufer frei von neuen Bürohochhäusern zu halten. Oder ist es weniger ein Dialog, den die Senatorin meint, als das altbekannte Instrumentarium, dass Einwände zwar geäußert werden dürfen, aber keineswegs berücksichtigt werden müssen? „Keine Tricks mehr“ – diese Forderung an die Stadtentwicklungssenatorin lässt sich auch auf ihre an diesem Abend formulierten Ansprüche beziehen.
 

Dieser Artikel ist ein Vorabdruck aus dem MieterEcho Nr. 347, das am 30. Mai 2011 erscheint.
 

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