Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 08.06.2015

Wenn Heimarbeit zum Kündigungsgrund wird

Der Bundesgerichtshof hat mit einer veränderten Rechtsprechung die Kündigung von Mietern erleichtert, die von zu Hause aus arbeiten
 
Viele Klingelschilder sind ohne Namen in der Schönhauser Allee 103 im Berliner Stadtteil Pankow. Das Haus wechselte in den letzten Jahren mehrmals seinen Besitzer. Seit 3 Jahren gehört es der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. „ Schon kurz danach wurde die Mieterberatung Prenzlauer Berg bei uns im Haus aktiv. Die wurden bald nur noch Entmietungsberatung genannt, berichtet ein Bewohner gegenüber MieterEcho Online. Er schildert den Ablauf so: „Der Vortrag in den Räumen der Mieterberatung Prenzlauer Berg war sehr ernüchternd. Zunächst wurde uns mitgeteilt, dass uns der Milieuschutz ohnehin nicht helfen würde, da alle Maßnahmen innerhalb der Möglichkeiten der Modernisierungsmaßnahmen ausgereizt wurden. Dann begann das bekannte Programm: Druck, viele ungebetene Telefonate und immer wieder Drohungen, dass das Sozialplanverfahren eingestellt werden würde, wenn die Mieter nicht unterschreiben.“
Mittlerweile sind von 32 Mietparteien noch 8 übrig. Gegen die Verbliebenen nutzt die Gewobag nun aller rechtlichen Mittel. Zwei wurden abgemahnt, weil sie von ihrer Wohnung aus Computerarbeiten erledigen. Der Mieter Christoph Baumgarten betreibt einen Online-Handel mit Akkus. Sein Hauptlager hat er in Köln. Von seiner Wohnung bearbeitet er Bestellungen am Computer. Auf seiner Internetseite hatte er als Firmensitz die Schönhauser Allee 102 angegeben. Das war für die Gewobag ein Grund für eine Abmahnung wegen unerlaubter gewerkschaftlicher Nutzung. Baumgartens Nachbar Frank Volm wurde abgemahnt, weil er als Kleinunternehmer einen Reparaturservice betreibt und von seiner Wohnung gelegentlich Rechnungen ausstellt. Ohne sein Wissen sei er auf Portalen wie “Meine Stadt“ mit seiner Wohnadresse aufgeführt worden. Die Mieter werfen der Gewobag Bespitzelung vor. Das Unternehmen weist den Vorwurf zurück, dass über die Mieter eine Internetrecherche durchgeführt wurde. „Unsere Mitarbeiter haben festgestellt, dass die Mieter ihre Wohnung als Unternehmenssitz im Internet bewerben“, heißt es dort. Sie spricht von Zweckentfremdung einer Wohnung. Dass aber würde voraussetzen, dass die Wohnung ausschließlich zu gewerblichen Zwecken genutzt wird. Doch Frank Volm und Christoph Baumgarten können nachweisen, dass sie dort wohnen. Das kann auch Martina Lannatewitz nachweisen Sie lebt seit 30 Jahren in einer Dreizimmerwohnung in der Raumerstraße 11. Auch dieses Haus gehört der Gewobag. Nach einer Modernsierung sollte die Miete bei Frau Lannatewitz um über 120 Prozent von 284 Euro kalt auf 632 Euro steigen. Die Mieterin wehrte sich und ging an die Öffentlichkeit. Weil die Gewobag herausgefunden hat, dass auch Frau Lannatewitz für eine Agentur von ihrem Computer arbeitet, wurde sie ebenfalls wegen gewerblicher Nutzung abgemahnt. Weil die Mieterin weiterhin mit ihrer Privatadresse im Internet zu finden ist, hat die Gewobag mittlerweile eine Räumungsklage eingeleitet.

Vermieterfreundliche Rechtssprechung

Dabei nutzt die Gewobag eine vermieterfreundliche Rechtssprechung bei der Frage der gewerblichen Tätigkeit in der eigenen Wohnung. Bisher fanden die Gerichte eine berufliche Nutzung unproblematisch, solange man keine Mitarbeiter beschäftigt und keine Kunden empfängt. Im Jahr 2013 hielt der Bundesgerichtshof die Kündigung eines Mieters für berechtigt, der in seiner Wohnung einen Hausmeisterservice betrieb (BGH vom 31. Juli 2013 –VIII ZR 149/13Ö). „Bei geschäftlichen Aktivitäten, freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach Außen in Erscheinung treten, liegt eine Nutzung vor, die die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss“, urteilte der BGH. Eine solche rechtliche Verschlechterung der Mieter, zu einer Zeit, in der die Zahl der Berufe, die vom häuslichen PC erledigt werden wächst, ist unverständlich. Die Gewobag ist sicher nicht der einzige Haubesitzer, der die rechtlichen Möglichkeiten, die ihm hier in die Hand gegeben wurden, ausgiebig ausnutzt.
Peter Nowak

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