MieterEcho online 24.01.2017
Zweite Fortsetzung des stadtpolitischen Hearings
Das stadt- und mietenpolitische Treffen, das am 2. November 2016 mit über zwanzig Berlin-weit ansässigen Initiativen als “Hearing“ seinen Ausgang genommen hatte, wurde am Montag, dem 23. Januar, zum dritten Mal am gleichen Ort im Nachbarschaftshaus in der Kreuzberger Cuvrystraße durchgeführt (Berichte über die zwei vorherigen Zusammenkünfte sind im Archiv von MieterEcho - Online nachzulesen). Bei dem vorangehenden Treffen am 5. Dezember war es kaum möglich gewesen, übergreifende mieten- und stadtpolitische Forderungen herauszukristallisieren, so dass die Vorstellungen vom gemeinsamen Anliegen sehr vage geblieben waren. Dieser Schwierigkeit war in der Zwischenzeit dadurch entgegengewirkt worden, dass eine Arbeitsgruppe mit dem Namen “Ziele“ sich mit der Bündelung von Forderungen und mit Fragen der Koordinierung des recht heterogenen Bündnisses befasst hatte. Sie hatte dabei im E-Mail-Kontakt mit den einzelnen Initiativen gestanden. Eine andere Arbeitsgruppe hatte über eine langfristig verbindliche Namensgebung für das gesamte Unterfangen nachgedacht.
Das Treffen zeichnete sich diesmal durch einen sehr sorgfältig strukturierten Ablauf aus. Zunächst trat außerhalb des geplanten Programms eine Gruppe von Studierenden an der Humboldt-Universität auf, berichtete kurz über ihre Besetzung von Räumen nach der Entlassung von Andrej Holm durch die Universitätspräsidentin und wies auf bevorstehende Aktionstermine hin. Es folgte eine Information über die Diskussion in der AG zur Namensfindung für das Initiativenbündnis. Eine Reihe von Titeln mit mieten- und stadtpolitischen Anbindungen wurden der Versammlung etwas später zur Bewertung durch Anheften von grünen Zustimmungspunkten vorgelegt. Die AG will erst nach der Auswertung eine endgültige Entscheidung treffen.
Weiterhin berichtete ein Sprecher der "AG Ziele" über generelle Grundsätze und Perspektiven, die als Vorschläge für die Versammlung herausgearbeitet worden waren. Es solle, so wurde betont, ganz klar um ein außerparlamentarisches und regierungsunabhängiges Bündnis gehen, das sich gegenüber den parlamentarischen Institutionen aber nicht abschottet, sondern in Kontakt zu ihnen steht und stadtpolitische Forderungen an sie heranträgt. Für die Initiativen untereinander sollen Respekt und ein solidarischer Umgang miteinander als Grundprinzipien gelten. Die Ausübung von Druck auf einzelne Initiativen ist zu vermeiden und die bestehende Vielfalt anzuerkennen, gleichzeitig ist aber so weit wie möglich ein gemeinsamer Nenner zu finden. Als Hauptorientierungstermine für die Formulierung von Forderungen an die Politik wurde der Ablauf der 100-Tage-Frist des Rot-Rot-Grünen Senats im März und der Beginn des Bundestagswahlkampfes im laufenden Jahr anvisiert. Außerdem hatte die "AG Ziele" über Themen für spezielle Arbeitsgruppen zu einzelnen stadt- und mietenpolitischen Aspekten nachgedacht. Die Anwesenden wurden an diesem Abend zur Teilnahme an AGs angeregt.
Unterbrochen wurde der so vorgegebene Ablauf der Veranstaltung durch die Selbstvorstellung und den Kurzvortrag einer Gruppe, die nicht direkt dem Initiativenbündnis angehört, aber in engem Kontakt zu ihm steht. Es handelte sich um das “Urbane Parlament“, das aus einem Projekt der Akademie der Künste hervorgegangen ist und ein stadtpolitisches "Positionspapier" erarbeitet hat. Aus ihrer Sicht reicht es nicht, wenn seitens eines vergleichsweise progressiven Senats großzügig eine "Beteiligung" an stadtpolitischen Entscheidungen angeboten wird, sondern es muss Schritte hin zur strukturellen Verankerung einer "Mitgestaltung" geben, so dass ein “Wir sind die Stadt“ zur Selbstverständlichkeit wird. Unte anderem solle vor diesem Hintergrund konkret eine Bereitstellung von Resourcen für Stadtteilinitiativen gefordert werden.
Im Zentrum der Veranstaltung standen vor und nach diesem Einschub Überlegungen zu den spezielleren Arbeitsgruppen, von denen mehrere mit provisorischen Namen angeführt wurden, so etwa die "AG Aktionen - Kampagnen"; die "AG Landeseigene Wohnungsgesellschaften"; die "AG Selbstverständnis", in der es um Grundsatztexte, Präambeln und Mobilisierungsbroschüren gehen soll; die "AG Gemeingüter und Daseinsfürsorge", die Bereiche wie öffentliche Liegenschaften und Infrastrukturen für Wasser und Energie thematisieren will; die "AG Mieterinnen und Mieter auf dem freien Wohnungsmarkt"; die "AG “Wir sind 70%“ über Geschäftsmodelle einer finanzkapitalistischen Vereinnahmung von Wohnen"; die "AG Bürgerbeteiligung mit dem Blick auf Volksentscheide und andere öffentlich organisierte Begehren"; die "AG Orga - Netzwerk zur Herstellung einer Homepage für das Bündnis". Ein Zusammentreffen dieser speziellen AGs ist für den 9. Februar vorgesehen.
In der Schlussdebatte wurde der außerparlamentarische Status des Bündnisses noch einmal genauer definiert und es wurde die Unterstützung einer Resolution für die Wiedereinstellung von Andrej Holm beschlossen, die am Dienstag bei einer Pressekonferenz im besetzten Universitätsinstitut vorgelegt werden soll. Für Informationsanfragen zum Initiativenzusammenschluss ist hier vorläufig, solange noch keine verbindliche Gesamtadresse eingerichtet wurde, die folgende anzugeben: internet@bizim-kiez.de
Jürgen Enkemann