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MieterEcho online 16.05.2019

Grüne Eiertänze um das Enteignungs-Volksbegehren

Der Landesausschuss der Berliner Grünen hat am Mittwochabend auf einem „kleinen Parteitag“ einstimmig einen Leitantrag verabschiedet, mit dem sich die Partei nach wochenlangen internen Auseinandersetzungen zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen&Co enteignen“ positioniert. Demnach unterstützen die Grünen die „wohnungspolitischen Ziele“ des Volksbegehrens und wollen mit den Initiatoren „in einen Dialog eintreten“.
Eine tatsächliche Enteignung der großen Konzerne wird allerdings nicht angestrebt. „Wir würden uns wünschen, dass die Umstände uns nicht zwingen, die Vergesellschaftung als letztes Mittel anzuwenden, um den verfassungsgemäßen Auftrag (soziale Wohnraumversorgung) erfüllen zu können“, heißt es in dem Papier. Angeregt wird „ein Runder Tisch, an dem alle beteiligten Akteur*innen, von der Initiative bis bis hin zu profitorientierten Wohnungsunternehmen beteiligt sind, um weitgehende Maßnahmen zum Schutz der Mieter*innen zu erarbeiten“. Die Forderung der Initiative, alle gewinnorientierten Unternehmen ab einem Bestand von 3000 Wohnungen zu enteignen,  sehe man „kritisch“, heißt es weiter. Vielmehr gehe es um qualitative Kriterien wie Einhaltung des Mietspiegels, Erfüllung von Instandhaltungspflichten oder ein Mietenmoratorium.

Der Landesvorsitzende Werner Graf bezeichnete die Volksinitiative für die Enteignung als „Weckruf“ und beschwor den „grünen Dreiklang in der Wohnungspolitik: „Bauen, erwerben, regulieren – und zwar alles gleichzeitig“. Dazu gehöre auch ein wirksamer Mietendeckel, für den so schnell wie möglich ein Gesetzentwurf der Koalition erarbeitet werden müsse. Ein originär grünes Thema sei auch die verstärkte Förderung von Genossenschaften, womit sich die Koalitionspartner SPD und LINKE noch etwas schwer täten. Die Ko-Vorsitzende Nina Stahr betonte die realpolitische Verantwortung der Partei, denn „Regieren bedeutet nicht Unterschriften sammeln, sondern handeln“.
Der Abgeordnete Andreas Otto sieht die Grünen als „Vorreiter beim Dialog mit der Wohnungswirtschaft auf Augenhöhe“. Der LINKEN warf Otto vor, sie befände sich „im Klassenkampfmodus“.

Auch Franziska Eichstädt-Bohlig, ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, war auf vorsichtige Distanz zur Initiative bedacht. Sie sei „kein Fan von Enteignungen“ und für viele Parteimitglieder sei das „Teufelszeug“, betonte Eichstädt-Bohlig. Dennoch müsse man der Initiative „für diesen Tabubruch dankbar sein“, da dadurch die Wohnungsfrage in den Mittelpunkt der stadtpolitischen Auseinandersetzung gerückt worden sei.

Dagegen stellte sich Katrin Schmidtberger, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion, eindeutig hinter die Initiative: „Wer mit unserer Stadt Monopoly spielt, muss damit rechnen, dass wir die Ereigniskarte Vergesellschaftung ziehen“. Das Volksbegehren sei eine große Chance und „ein scharfes Schwert, um endlich das Primat der Politik auf dem Wohnungsmarkt durchzusetzen“.

Der innerparteiliche Konflikt um die Enteignungsfrage ist mit dem verabschiedeten Antrag zunächst einmal befriedet. Doch wenn die Initiative Ernst machen sollte und die 2. Stufe des Volksbegehrens einleitet, könnte er wohl jederzeit wieder aufbrechen.

Rainer Balcerowiak

 

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