MieterEcho online 26.06.2014
Mieter schicken Kreuzberger Rathausmitarbeiter in den Urlaub
„Mieten runter“ und „Kiez statt Profitwahnsinn“, lautete die Parolen auf den Transparenten, mit denen am 24. Juni mehr als 50 Mieter aus Kreuzberg mit einem Go-In im Rathaus des Stadtteils in der Yorkstraße ihren Kommunalpolitikern auf die Pelle rückten.
Zu ihren zentralen Forderungen gehörten ein berlinweiter Umwandlungsstopp von Miet- in Eigentumswohnungen, ein sofortiges und ausnahmsloses Umwandlungsverbot in allen Milieuschutzgebieten, die Aufnahme aller von Verdrängung besonders stark betroffenen Innenstadtgebiete in die soziale Erhaltungsverordnung und die Rekommunalisierung des privaten Wohnungs- und Mietshausbestandes durch die Einführung des berlinweiten Vorkaufsrechts eines nicht profitorientierten kommunalen Trägers.
Als besonderes Präsent an die Sachbearbeiter im Rathaus verteilten sie eine für ein Jahr geltende Beurlaubung bei vollem Lohnausgleich. „Wir wollen damit deutlich machen, dass sich unsere Kritik nicht gegen die Sachbearbeiter sondern gegen die Politiker richtet, erklärt Mieterin Kerstin Coltrin. Den Sachbearbeitern sei nicht zuzumuten, weiterhin gegen ihr Gewissen ausführender Arm in der Verdrängung langjähriger Mieter zu sein, so Coltrin. Die Freude bei den Beschenkten hielt sich allerdings in Grenzen. Sie reagierten überwiegend reserviert auf die Ausführungen der Mieter, in denen sie darlegten, dass auch die Sachbearbeiter auf ihrem Arbeitsplatz einer enormen psychischen Belastung ausgesetzt seien, da sie auf der einen Seite hautnah mit den Sorgen und Ängsten der Mieter konfrontiert sind und auf der anderen Seite von Investoren massiv unter Druck gesetzt würden. Der Grund für die Zurückhaltung des Rathauspersonals mag auch darin liegen, dass die Mieter ihnen empfahlen, die Reisekosten bei Berlin Aspire Real Estate, Taekker oder BIMA einzutreiben. „Sie haben sich viel zu lange auf Kosten der Mieter bereichert“, kritisierte der Mieter Johannes Spock, der ebenfalls an der Rathausaktion teilnahm. Die Namen dieser Firmen und Institutionen werden immer wieder genannt, wenn es um die Vertreibung von einkommensschwachen Mietern geht“, betont Spock.
Obdachlosenmagazin droht Zwangsräumung
Viele der am Go-IN beteiligten Mieter kommen aus Kreuzberg und haben aktuelle Beispiele für die Vertreibungspolitik parat, von der neben Mieter auch nichtkommerzielle Projekte betroffen sind. So droht die Obdachlosenzeitung Querkopf ihre Redaktionsräume in der Blücherstraße 37 zu verlieren, in denen sie seit 2001 arbeitete. Zum 31. März sollte sie die Räume verlassen. Eine Zwangsräumung soll jetzt gerichtlich durchgesetzt werden. Da aber die Kündigung an ein Vorstandsmitglied des Querkopf geschickt wurde, das bereits vor 2 Jahren verstorben ist, dürfte das Zwangsräumungsbegehren gerichtlich zurück gewiesen werden und der Querkopf kann zumindest vorerst die Redaktionsräume behalten. „Doch wir brauchen klare gesetzliche Regelungen, um solche Kündigungen zu verhindern“, begründete Kerstin Coltrin ihr Go-in ins Rathaus. Enttäuscht sind die Mieter über das völlige Ignorieren der Aktion durch die Medien. „Für die scheinen Mieterproteste keine Konjunktur mehr zu haben, für uns schon“, so Johannes Spock.
Peter Nowak
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