Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 17.10.2019

Genossenschaftsmitglieder wehren sich gegen Lobbyarbeit der Verbände

Dass die Immobilienbranche gegen Enteignungsdiskussionen und Mietendeckel mobilisiert, war nicht anders zu erwarten. Dass aber auch die Genossenschaften in dieses zutiefst unsoziale Konzert einstimmen, enttäuscht doch sehr. Genossenschaften sind vom Gesetz verpflichtet, ihre Mitglieder zu fördern, was eine vollkommen andere Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit vorgibt, als es bei profitorientierten Immobilienunternehmen der Fall ist. Es gibt allerdings nicht „die Genossenschaften“, denn in der Praxis unterscheiden sich die Genossenschaften erheblich voneinander. Und es sind auch keineswegs „die Genossenschaften“, die sich jetzt voller Entrüstung gegen Enteignungen und Mietendeckel positionieren, sondern einzelne Verbände. Und in denen haben die Vorstände der Genossenschaften das Sagen, nicht die Mitglieder.

Am 15. Oktober fand im Treffpunkt der Genossenschaft Möckernkiez (zur Genossenschaft Möckernkiez siehe MieterEcho online, 02.02.2016 und MieterEcho 380, April 2016) in Kreuzberg eine Veranstaltung zum Thema „Sind Enteignung und Mietendeckel der richtige Weg?“ statt. Sie kam zustande infolge eines Offenen Briefes, mit dem Mitglieder mehrerer Berliner Genossenschaften im Juli die Positionen des Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) kritisiert hatten. BBU Vorständin Maren Kern bot daraufhin ein Gespräch an. Im Genossenschaftstreffpunkt diskutierte sie mit Helga Conrad von der Wohnungsbaugenossenschaft Friedrichshain, die den Offenen Brief unterzeichnet hatte, und dem ehemaligen Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening, der Mitglied der Möckerkiez Genossenschaft ist und ebenfalls unterschrieben hatte. Moderiert wurde das Gespräch von Uwe Rada von der taz.

Erstmals diskutiert Maren Kern (BBU) mit Genossenschaftsmitgliedern
In ihrem Offene Brief hatten die Genossenschaftsmitglieder ihr Unverständnis darüber ausgedrückt, dass sich ausgerechnet der Verein der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e.V. und der BBU „zu Wortführern der Verteidiger dieses enthemmten Marktes machen.“ Sie forderten ihre Dachverbände auf, endlich damit aufzuhören, sich „zum Sprachrohr der ‚Deutsche Wohnen AG‘ zu machen“, sondern „die Selbsthilfe und die Interessen der Mitglieder in den Mittelpunkt“ zu stellen. Insbesondere kritisierten sie, dass die Verbände: „einen bekennenden Neoliberalen für ein Gutachten gegen die Enteignungskampagne“ finanzieren, und dass sie dann „auch noch teure Anzeigen gegen den Mietendeckel“ schalten, als würde „der Untergang des deutschen Genossenschaftswesens“ drohen.

Der Versammlungsraum im Genossenschaftstreff war überfüllt, so dass die Diskussion in den vorderen Raum übertragen werden musste. Möckernkiez-Vorstand Frank Nitzsche begrüßte die Anwesenden und bat um Sachlichkett ind er Auseinandersetzung. Im Juli hatte er selbst im Tagesspiegel den Mietendeckel als Unsinn bezeichnet, und angekündigt, dass seine Genossenschaft zahlungsunfähig werden könne, wenn der Mietendeckel länger als fünf Jahre gelten würde.

Einleitend wies Günter Piening darauf hin, dass es den Genossenschaftsmitgliedern mit ihrem Offenen Brief darum gegangen sei, das Bild der Genossenschaften zu relativieren. Der BBU würde den falschen Eindruck erwecken, die Genossenschaften seien gegen Enteignungen und Mietendeckel, aber die Mitglieder würden gar nicht gehört. Zudem hätte der BBU ein Glaubwürdigkeitsproblem durch Mitglieder wie Deutsche Wohnen und Vonovia hätten. Diese Veranstaltung sei das erste Mal, dass auch Mitglieder zu Wort kämen.

Der BBU wurde ursprünglich als Verband von Genossenschaften, öffentlichen und kirchlichen Wohnungsunternehmen gegründet. Durch die Privatisierungen öffentlicher Wohnungsgesellschaften gehören ihm nun aber auch Deutsche Wohnen und Vonovia an. Maren Kern stellte sich als überzeugte Genossenschaftlerin dar, jedoch konnte sie dem Eindruck, der BBU würde sich an seinen stärksten Mitgliedern orientieren, nichts Substanzielles entgegensetzen. Immerhin stellen Deutsche Wohnen und Vonovia etwa 20 Prozent der Wohnungen und damit auch der Mitgliedsbeitragseinkünfte des BBU. Das dürfte für deren Gewicht in der Verbandspolitik nicht unwichtig sein.

Helga Conrad wies darauf hin, dass die meisten großen Genossenschaften so etabliert seien, und über erhebliche finanzielle Reserven verfügen würden, dass von einen Gefährdung durch den Mietendeckel keine Rede sein könne. Sie forderte Maren Kern auf, ihre guten Kontakte in die Politik besser dafür zu nutzen, sich für mehr Neubau einzusetzen, statt sich gegen den notwendigen Mietendeckel zu stellen. Außerdem solle sie sich von den profitorientierten Gesellschaften distanzieren, denn man könne nicht Diener zweier Herren sein.

Es war abzusehen, dass die Diskussion keine Einigung bringen würde. Das Argument von Maren Kern, weder Enteignungen noch Mietendeckel würden neue Wohnungen schaffen, lief ins Leere, denn dafür ist ja beides gar nicht gemacht. Neubau soll weder mit der Enteignung großer Wohnungsunternehmen noch durch einen Mietendeckel ersetzt werden, sondern beides richtet sich logischerweise auf Bestandsbauten und die Regulierung eines aus den Fugen geratenen Mietengefüges. Die Behauptung, es drohe auch die Enteignung großer Genossenschaften, blieb inhaltsleer, weil das von der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen!“ nie vorgesehen war.

In der Pressemitteilung des BBU vom Juni, in dem der Mietendeckel als „Investitionsdeckel“ bezeichnet wurde, hatte Maren Kern eingeräumt: „Angesichts schwarzer Schafe auf dem Mietwohnungsmarkt könnten Anpassungen des Mietrechts aber sinnvoll sein.“ Die rassistische Wortwahl wurde an dem Abend nicht thematisiert, aber sie wurde gefragt, ob sie damit vielleicht ihr Mitgliedsunternehmen Deutsche Wohnen gemeint habe. Sie verneinte, lobte deren Sanierungsaktivitäten an einem Weltkulturerbe, „ganz ohne wirtschaftliche Interessen“, und auch das soziale Engagement der Deutsche Wohnen. Das Unternehmen hätte nur eine schlechte Öffentlichkeitsarbeit gemacht, und sich gegen den Mietspiegel positioniert.

Ideologische Kampagnen
Angesprochen auf einen Flyer des BBU gegen den Mietendeckel redete sich Maren Kern heraus, sie habe nur den Entwurf erstellt, aber verteilt würde er von den Wohnungsunternehmen selbst. Einen weiteren Flyer hat der Verein der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e.V. erstellt (der mit den Bauklätzchen), ein Marketingverband, dem in Berlin 23 Genossenschaften angehören. Darin wird behauptet, der genossenschaftliche Friede würde durch den Mietendeckel gestört, es werden Horrorszenarien beschrieben, wie im Jahr 2026 keine Instandhaltungen mehr möglich sind und Nachbarschaftstreffs geschlossen werden müssen, genossenschaftliches Eigentum geht an den Staat usw., kurz: das Ende des Genossenschaftswesens naht. Es ist zutiefst peinlich, wie ausgerechnet diejenigen, die doch für bezahlbare Mieten stehen und deswegen zunehmender Beliebtheit erfreuen, nun dermaßen massiv gegen eine Marktregulierung vorgehen. Ein Diskussionsteilnehmer wies darauf hin, dass Olaf Rabsilber, der Vorstandsvorsitzende des Vereins, auch Vorstand im Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwitschaft und in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist.

Angesprochen wurde auch eine geplante Kampagne des GdW (Gesamtverband der Wohnungswirtschaft), dessen Landesverband der BBU ist. Die taz hatte am 7. Oktober über einen Brief berichtet, mit dem der Verband seine Mitgliedsunternehmen zur Beteiligung an der „solidarischen Finanzierung einer Öffentlichkeitskampagne“ aufrief. Das Kampagnenkonzept setzt darauf „regionale Themen regional auszuspielen“, und soll an den Ebenen Lösungsorientierung, Kompetenz und Aufklärung ansetzen. Dafür werden 1,6 Milliponen Euro veranschlagt. Maren Kern versuchte, das als reine Imagekampagne herunterzuspielen. Allerdings kamen Details sowie ein Video zur geplanten Kampagne in die Öffentlichkeit, die eine andere Spreche sprechen.  Mit Facebook Geo-Targeting sollen ausgewählte Bevölkerungsgruppen erreicht werden, um durch „Eingrenzung des Wohnorts bis hinunter zum Stadtteil“ gezielte Botschaften zu platzieren. Politiker*innen sollen mit twitter direkt angesprochen werden, und es ist sicher kein Zufall, dass als Beispiel die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses genannt werden. Damit sollen „für uns möglichst positive ‚Wellen‘ bei der Politik ankommen.“

Abschließend gab Günter Piening dem BBU Wünsche und Empfehlungen von Genossenschaftsmitgliedern mit. Der BBU solle „wieder zu einem Verband des ausschließlich gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus werden und sich von Deutsche Wohnen AG, Vonovia und den anderen Wohnungsaktiengesellschaften trennen.“ Er solle sich auch „von der
undemokratischen Mustersatzung des GdW“ trennen. Stattdessen  sollten den Genossenschaften „Hinweise an die Hand gegeben werden, wie die Spielräume, die das Genossenschaftsgesetz für demokratische Mitwirkung in den Genossenschaften zulässt, optimal genutzt werden können.“ Abschließend appellierte er an den BBU, „dass er seine Politik, seine Finanzpläne, Einnahmen und Ausgaben, seine Geschäftsberichte usw. transparent macht.“ Ob das auf fruchtbaren Boden fällt, darf bezweifelt werden.

Elisabeth Voß

 

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