MieterEcho online 13.02.2015
Friedelstraße 54 – nichts für schwache Nerven
Seit einigen Tagen sind auf den Balkonen des Hauses Friedelstraße 54 in Neukölln zahlreiche Transparente angebracht. „Respektvoller Umgang mit den Mietern“! So?!“, lautet ein Satz, der nicht sofort verstanden wird. Hier zitieren die MieterInnen ihren Eigentümer, die Unternehmensgruppe Citec Group. 2003 habe die Citec „das erfolgreiche Geschäftsmodell des Erwerbs und der verantwortungsbewussten Entwicklung von Wohnimmobilien“ auf den Berliner Markt übertragen, heißt es auf der Firmenhomepage. Dort wird die Pionierrolle des Wiener Unternehmens hervorgehoben: „Viele österreichische und internationale Investoren folgen und entdecken die deutsche Hauptstadt als zukunftsträchtige Investitionsmöglichkeit“. Firmengründer Franz Hartl bringt die Unternehmensphilosophie so auf dem Punkt:
„ Wenn du bereits mehr als 200 Zinshäuser gekauft und 400 verwaltet hast, spürst du schon beim ersten Betreten der Immobilie, woran du bist.“ Der Rest ist Routine: Prüfung der Mietverträge, der Bausubstanz, Berechnung des Optimierungspotentials und des Sanierungsaufwandes. Die Citec Immobilien Gruppe ist schnell in der Ankaufsentscheidung und in der Umsetzung, denn gute Immobilien sind nicht lange am Markt.“
MieterInnen, die ihre Rechte geltend machen, kommen in dem Szenario nicht vor. Tatsächlich wurde über Proteste in den zahlreichen von Citec erworbenen Häusern in sieben Berliner Stadtteilen nichts bekannt.
Doch in der Friedelstraße 54 scheint das Unternehmenskonzept „kaufen - sanieren – teurer weiterverkaufen“ nicht reibungslos aufzugehen. Die BewohnerInnen pochen auf ihre Rechte. Als im Herbst 2013 bekannt wurde, dass die Citec das Gebäude erworben hat, trat ein Großteil in die Berliner MieterGemeinschaft ein. Seitdem gibt es regelmäßige MieterInnentreffen.
So waren die BewohnerInnen vorbereitet, als ihnen die energetische Sanierung der Hausfassade und eine baldige Aufstellung des Baugerüsts angekündigt wurde. Sie verweigerten die Zustimmung. Mittlerweile klagen die Eigentümer auf Duldung. Erste Güteverhandlungen sind ohne Ergebnis geblieben. In den nächsten Tagen sind weitere Gerichtstermine anberaumt. Die MieterInnen widersprechen der Lesart des Eigentümer-Anwalts, dass die Fassade sanierungsbedürftig ist. Ein großer Erfolg wäre es für sie, wenn das Gericht ein eigenes Gutachten über die Notwendigkeit der energetischen Sanierung anfordern würde.
Wir lassen niemand allein
Auf einem MieterInnentreffen werden die angekündigten Mietsteigerungen als Hauptgrund für die Weigerung benannt. Zurzeit sind die Bedingungen in dem Haus sehr unterschiedlich. So gibt es in dem Haus neben Wohnungen mit Kohleofen, Außentoilette und sehr niedrigen Mieten sanierte Wohnungen mit hohen Mieten. Trotz der unterschiedlichen Wohn- und Mietsituation klappt die Organisierung gut. „Wir agieren gemeinsam und lassen uns nicht vereinzeln“, betont eine Mieterin. „Wir nehmen dabei alle mit und lassen niemand im Haus alleine“, betont eine andere Bewohnerin, Auch ältere Menschen und MieterInnen, die aus beruflichen Gründen selten an den Treffen teilnehmen können, werden unterstützt. Mit der Transparentaktion soll die Nachbarschaft über die Auseinandersetzung informiert werden. Kontakte zu MieterInnen in weiteren Berliner Citex-Häusern sind geplant. „Sicher nichts für schwache Nerven!“, wird die Immobilie Friedelstraße 54 auf der Citec-Homepage beworben. Der Spruch könnte für das Unternehmen nun eine ganz neue Bedeutung bekommen.
Peter Nowak