Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 21.10.2016

Zeitgewinn für das Neuköllner Soziale Zentrum Friedel54

„Die Ausführungen der Richterin machten es wahrscheinlich, dass sie dem Räumungsantrag zustimmen würde“, erklärte Rechtsanwalt Benjamin Hersch am Donnerstagmorgen einem Pulk von über 70 Menschen, die sich vor dem Amtsgericht Neukölln in der Karl-Marx-Straße versammelt hatten. Er kam gerade von der Verhandlung der Räumungsklage, die das luxemburgische Immobilienunternehmen „Pinehill“ gegen das Soziale Zentrum Friedel54 erhoben hatte. Der von einem Dutzend Gruppen verwaltete „Kiezladen“ ist seit Mai gekündigt, will aber den seit 12 Jahren bestehenden sozialen Raum nicht zu Gunsten einer Immobilienfirma aufgeben. Am Donnerstag endete die Gerichtsverhandlung relativ schnell mit einem Vergleich: Die Personen, die die Friedel54 – beziehungsweise den die Räume mietenden Verein „Akazie Berlin“ – offiziell vertreten, stimmten zu, die Räume spätestens zu Ende März zu übergeben. Im Gegenzug muss der Verein die Anwaltskosten der Gegenseite nicht bezahlen.
Allerdings ist dieses Ergebnis noch nicht endgültig. Beide Seiten haben bis zum 3. November Zeit, den Vergleich abzulehnen. Dann würde die Richterin ein Urteil nach Aktenlage fällen. Gegen dieses Urteil könnte wiederum Berufung eingelegt werden.
Die Gruppen der Friedel54 machen derzeit jeden Montag ein Plenum, um über die Situation zu beraten. Dort kann nun auch beschlossen werden, den Vergleich doch abzulehnen. Kommenden Dienstag gibt es ein Treffen für Menschen, die bei der aktuellen Kampagne helfen wollen. Eine Demonstration am 19. November wird bereits organisiert.
Seit einem Jahr wird der Kampf gegen den Verlust der Friedel54 auf die Straße getragen – und zwar nicht nur in Berlin. Da das Haus mindestens bis Juni der Wiener Firma „Citec Immobilien“ gehörte, fuhr einmal ein Bus den Protest bis in die österreichische Hauptstadt. Die Friedel54 wird von Initiativen getragen, die beispielsweise Flüchtlingen helfen oder eine alternative Lebensmittelversorgung praktizieren. Auch eine wöchentliche kostenlose Mieterberatung gibt es. Regelmäßige Termine sind darüber hinaus Kneipenabende, Volksküchen, Filmvorführungen und politische Diskussionsveranstaltungen.
Das Soziale Zentrum erhält mittlerweile auch viel Zuspruch aus der Neuköllner Bezirkspolitik. Die  16 Mietparteien, die über ihm wohnen, schrieben kurz vor der Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahl im September parteipolitische Akteure in Neukölln an, um von ihnen eine Stellungnahme zu dem Konflikt zu erhalten. Die Haushalte solidarisierten sich mit dem „Kiezladen“, fürchten aber auch, von Mietsteigerungen betroffen zu sein. Die Voreigentümerin hatte Modernisierungen bereits angekündigt.
In den Tagen vor und nach der Wahl gingen in Sachen Friedel54 neun Antworten von drei Parteien ein. So schrieb der (aus Altersgründen scheidende) Sozialstadtrat Bernd Szczepanski (Bündnis 90/Die Grünen), er sei „täglich mit Menschen konfrontiert, die von Immobilienfonds oder Kapitalgesellschaften aus Häusern vertrieben werden, die aus reinem Kapitalverwertungsinteresse erworben wurden“. Er wolle sich zukünftig als Bezirksverordneter für den Erhalt des Kiezladens einsetzen.
Die Bezirksgrünen schrieben in einem eigenen Brief, dass „im Fall der spekulativen Veräußerung von Gebäuden das Vorkaufsrecht durch den Bezirk, beziehungsweise durch städtische Wohnungsbaugesellschaften“ bisher von der „SPD-CDU-Mehrheit in unserem Bezirk“ nicht gewollt gewesen sei. Diese Mehrheit habe auch erst „nach langem Verzögern der Einrichtung von Milieuschutzgebieten zugestimmt“.
In einem dritten Grünen-Schreiben hält Anja Kofbinger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, fest: „Ein Runder Tisch ist das mindeste und der Anfang von allem. Das
Vorkaufsrecht des Bezirks muss dringend ausgeweitet werden. Hier sind wir in Neukölln schlecht aufgestellt.“ Kofbringer klingt energisch: „Alle Instrumente, die vorhanden sind, müssen endlich angewendet werden“, sie wolle „nach vielen Jahren des ergebnislosen Redens endlich handeln“.
Auch die Neuköllner Linksfraktion und der Bezirksverband der SPD sprachen sich für einen Runden Tisch aus. Zudem solle sich die neue Bezirkskoalition „stärker über das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten unterhalten“, schrieb SPD-Pressesprecher Christopher King. Er kündigte an: „Ich werde die Räumungsklage des Kiezladens F54 auf unserer ersten Fraktionssitzung nach der Wahl ansprechen.“ Das SPD-geführte Bezirksamt aber entschied dann in seiner Sitzung vom 27. September, nicht zu intervenieren, da der Milieuschutz beim Gewerbevertrag für das Ladenlokal nicht greife.
Seitens des Sozialen Zentrums und der im Haus wohnenden Familien wird weiterhin versucht, mit „Pinehill“ über einen Kauf des Hauses zu verhandeln. Ein Konzept dafür existiert, die Wiener Firma „Citec Immobilien“ verlangte allerdings deutlich mehr Geld.
Ob „Pinehill“ tatsächlich das Haus gekauft hat, ist übrigens nicht ganz sicher. Im Grundbuch sei die Firma noch nicht eingetragen, sagt Anwalt Hersch. Sicher ist nur, dass „Citec Immobilien“ seine Rechte aus dem Vertrag mit dem Friedel54-Verein Ende Juni an „Pinehill“ übertragen hat, so dass die luxemburger Firma die Räumung vor Gericht durchsetzen kann. „Pinehill“ ist laut einem Aktivisten bisher weder auf die Gesprächsversuche eingegangen, noch hat sie sich bei den im Haus wohnenden Familien als neue Eigentümerin vorgestellt.

Wie das MieterEcho vom Anwalt Hersch mittlerweile erfahren hat, hat die klagende Firma kurz vor dem Gerichtstermin eine Kopie des Kaufvertrags eingereicht, der beweist, dass sie das Haus der "Citec Immobilien" abgekauft hat.
Ralf Hutter

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