MieterEcho online 20.01.2015
Ferienwohnung von Mieterinitiative beschlagnahmt
„Wie verhindere ich Zwangsräumungen?“ lautet die Überschrift auf einigen Informationsblättern, die auf einen Tisch im Wohnzimmer ausliegen. Im Flur und im Schlafzimmer finden sich Plakate zum Thema Erwerbslosigkeit und Zwangsräumung. An Tischen sitzen kleine Gruppen und lassen sich über Probleme am Jobcenter beraten. In dem zweiten Raum sind einige Ausschnitte aus den Ergebnissen einer Umfrage aufgelistet, die die Berliner Mietergemeinschaft 2011 zum Komplex Ferienwohnungen geführt hat.
Für drei Tage wurde aus einer Dachgeschosswohnung in der Soldiner Straße 26 im Wedding ein soziales Zentrum. Allerdings wurde die Wohnung nicht besetzt sondern aus politischen Gründen zweckentfremdet. Über 200 Euro hat die Erwerbsloseninitiative Basta für die 3 Tage bezahlt. Sie will damit auf einen Tatbestand hinweisen, der in den letzten Monaten von vielen Medien und Parteien verbal beklagt wird, ohne dass sich was ändert.
„Allein im Wedding werden aktuell mehrere hundert Ferienwohnungen angeboten. Für BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Grundsicherung sind in dem Stadtteil dagegen nur zwei finanzierbare Wohnungen zu haben“, erklärt Basta-Aktivist Paul. Seine Mitstreiterin Gitta betonte, dass es mit der Aktion nicht darum geht, BesitzerInnen von Ferienwohnungen als die Schuldigen an den Pranger zu stellen. „Für uns sind die fehlenden bezahlbaren Wohnungen ein politisches Problem.“ Damit sind die MitstreiterInnen von Basta regelmäßig konfrontiert. Schließlich organisieren sie wöchentlich eine Beratung für Hartz IV-BezieherInnen. „Immer wieder kommen Menschen zu uns, die keine bezahlbare Wohnung finden “, erklärt Paul. Zwei wohnungslose Frauen haben sich der Aktion beteiligt.
Im Flur der beschlagnahmten Ferienwohnung ist eine Box eingerichtet, in die sich Wohnungssuchende eintragen können, die gerne in das Apartment einziehen würden. Allerdings geht es der Initiative nicht nur um die eine Wohnung.
Viel Unterstützung von NachbarInnen
Daher begann die Aktion am Dienstagmittag mit einem Stadtteilspaziergang durch die unmittelbare Umgebung der Soldiner Straße. Dort finden sich mittlerweile zahlreiche Ferienwohnungen. Die Vermieter/innen setzen dabei auf Berlinbesucher/innen, die nicht nur das historische Stadtzentrum kennen lernen wollen. „In der Soldiner Straße und der Umgebung wohnen viele Menschen mit geringen Einkommen. Wenn ausgerechnet in einer solchen Gegend immer mehr Ferienwohnungen entstehen, wird der günstige Wohnraum noch mehr verknappt“, begründet ein älterer Anwohner, der bereits in den 80er Jahren im Wedding in einer Stadtteilgruppe aktiv war, seine Teilnahme an der Aktion. Er hofft, dass die Beschlagnahme keine einmalige Aktion ist und sich auch im Wedding wieder eine MieterInnenbewegung etabliert. Die Stadtteilinitiative „Hände weg vom Wedding“, die die Beschlagnahme unterstützt, weist in ihrer Erklärung auf die politische Dimension des Ferienwohnungsmarktes hin:
„Völlig unklar ist es, wie viele Wohnungen Geflüchteten, Wohnungslosen oder Prekarisierten entzogen sowie privat oder über Online-Portale wie Airbnb vermarktet werden. Stadtentwicklungs-Senator Andreas Geisel (SPD) kündigte im Dezember vollmundig an, fast alle Ferienwohnungen wieder dem Wohnungsmarkt zurückführen zu wollen. An dem Prinzip der Wohnung als Ware, wird selbstverständlich nicht gerüttelt. Darum liegt es an solidarischen Menschen in dieser Stadt, Leerstand und Ferienwohnungen zu kollektivieren.“ Paul von Basta betont allerdings, dass die Ferienwohnungen nur ein Teil des Problems sind. „Es fehlen bezahlbare Wohnungen, weil der soziale Wohnungsbau abgewickelt wurde. Das wird sich nur ändern, wenn neben der Abschaffung des Ferienwohnungsunwesen neue Wohnungen gebaut werden.“
Peter Nowak