Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 05.05.2016

Ferienwohnungen zu bezahlbaren Wohnungen

Endlich ein warmer Frühjahrstag – am Landwehrkanal tummeln sich Berliner_innen und Tourist_innen, der Markt am Maybachufer ist gut besucht. Nur wenige Meter weiter werden Transparente aus einer Wohnung im vierten Stock gerollt. Auf beiden Straßenseiten vor dem Haus sind Banner ausgebreitet. Einige Dutzend Menschen stehen vorm Haus lauschen zwei mit Perücken verkleideten Personen:
„Liebe Leute hier aus Neukölln, aus Kreuzberg, hier ist gerade eine Ferienwohnung besetzt worden.“

Seit dem 1. Mai 2016 ist in Berlin die Übergangsfrist der Zweckentfremdungsverbotsverordnung ausgelaufen, bis zu der Betreiber_innen von Ferienwohnungen Zeit hatten, eine offizielle Genehmigung für das Betreiben einer Ferienwohnung zu erlangen. Nun drohen hohe Strafen, auch den Vermietern, die Portale wie AirBnB oder wimdu nutzen. Aufgrund des jahrelangen Abbaus von Personalstellen in der Verwaltung bleibt es allerdings abzuwarten, wie weit die Einhaltung des Gesetzes überprüft werden kann.
 
Einige stadtpolitische Gruppen, die sich nicht auf die Aktivitäten der Verwaltung verlassen möchten, sind am Dienstag, dem 3. Mai 2016 selber tätig geworden und haben eine Ferienwohnung am Kreuzberger Maybachufer besetzt. Als die Aktion begann, wurde die Wohnung im 4. Stock bereits angemietet und die Tür geöffnet. In kürzester Zeit hingen Transparente aus den Fenstern und die Straße wurde mit Bannern abgesperrt, Anwohner/innen wurden per mobiler Soundanlage und Handzetteln informiert.

Kreuzberg ist der Stadtbezirk mit den aktuell höchsten Neuvermietungsmieten in Berlin, viele Ferienwohnungen finden sich in unmittelbarer Umgebung. Ein großer Teil der Anwohnerschaft spürt die akute Bedrohung, ihren Wohnraum und ihr Lebensumfeld zu verlieren. Entsprechend positiv war die Reaktion der Passant/innen auf die Aktion. Einige ergriffen das Mikrofon und schilderten ihre Situation und die Wut auf die derzeitige Mietenexplosion.
Eine Vertreterin des Bündnisses Zwangsräumungen Verhindern wies darauf hin, dass sich am Nachbarhaus Maybachufer 18 die Kämpfe gegen Zwangsräumungen in Berlin entfacht hatten, als Nuriye Cengiz 2012 mit Schildern an ihren Fenstern auf ihre drohende Zwangsräumung aufmerksam machte.

Anderthalb Stunden nach Beginn der Beschlagnahme der Ferienwohnung trafen Einsatzwägen der Polizei ein. Rund einhundert Aktive stellten sich vor den Hauseingang. Es wurde bald klar, dass die Eigentümerin, die Wohnungen in Berlin und Rom besitzt und diese lukrativ vermietet, einen Antrag zur Räumung gestellt hatte. Dazu kam es dann auch und die Polizei ging harsch in die Menge der Protestierenden hinein, so dass die Demonstrant_innen auf die andere Straßenseite wechseln mussten. Den Zutritt zur Wohnung hatten die Beamten dadurch jedoch nicht erlangt, erst mit einem Rammbock konnten sie die Tür öffnen und so die öffentlichkeitswirksame Aktion zum späten Abend durch eine Räumung beenden. Als Antwort darauf setzten sich die Protestierenden mit einer Spontandemonstration in Richtung der Gewerberäume der Vermieterin in Bewegung.
Die positive Resonanz durch die Anwohner/innen, wie schon bei der ersten symbolischen Beschlagnahme einer Ferienwohnung zum Jahresbeginn im Wedding einerseits und die interessante Situation, dass Betreiber/innen von Ferienwohnungen nun oft in der Zwickmühle sein werden, ob sie bei nicht genehmigten Ferienwohnungen die Staatsgewalt um Unterstützung bitten, andererseits, lässt erwarten, dass bald ähnliche Aktionen im Kampf für bezahlbaren Wohnraum folgen werden.

Grischa Dallmer und Matthias Coers

Weitere Informationen zum Thema:
www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2015/me-single/article/ferienwohnungen-bald-illegal.html
berlin.zwangsraeumungverhindern.org/2016/05/03/ferienwohnung-am-maybachufer-19-in-berlin-neukoelln-besetzt/

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