MieterEcho online 11.02.2014
Bezirksamtszeitung hetzt gegen Mieterinitiative
Im Moabiter Sanierungsgebiet Turmstraße eskalieren die Konflikte in der Stadtteilvertretung.
Bis vor einem Jahr war die Stadtteilvertretung im Sanierungsgebiet Turmstraße eines jener typischen Bürgergremien, die von Bezirksämtern als pseudodemokratische Spielwiesen bereitgestellt und mit ein paar Euro ausgestattet werden. Man kümmerte sich um paar Baumscheiben, ließ eine Parkbank anmalen und veranstaltete ein bis zwei kleine Feste im Jahr. Die Interessen jener unzähligen Kiezbewohner , die von exorbitanten Mietsteigerungen und Verdrängung bedroht sind, spielten keine Rolle.
Das änderte sich im März 2013, als bei der Neuwahl acht Kandidaten einer örtlichen Mieterinitiative (darunter auch der Autor) in das Gremium einzogen, um die simulierter Bürgerbeteiligung zu ignorieren und sich dem Kernproblem des Bezirks zuzuwenden: Der in vollem Gang befindlichen Vertreibung einkommenschwächerer Mieter aus dem Kiez durch Spekulanten und Miethaie und der wohlwollenden Untätigkeit der Bezirkspolitiker in dieser Frage.
Den alteingesessenen, vornehmlich aus der SPD oder ihrem Umfeld stammenden Stadtteilvertretern passte das natürlich nicht. Das führt zu Konflikten in der Stadtteilvertretung – und das ist auch gut so. In der im Auftrag des Bezirksamts erstellte Sanierungsgebietszeitung „Ecke Turmstraße“ wird seitdem stetig gegen die Vertreter der Mieterinitiative und eine ebenfalls in Stadtteilvertretung aktive Umweltschutzgruppe gestichelt – ohne sie selber zu Wort kommen zu lassen. Diesem ohnehin merkwürdigen Verständnis von Berichterstattung setzte die verantwortliche Redakteurin Ulrike Steglich nun noch einen drauf. Was sie in der aktuellen Ausgabe der Ecke über die Stadtteilvertretung schreibt, kann man wohl nur noch als Lumpenjournalismus bezeichnen. Über eine Diskussion der StV über ihre Arbeit heißt es dort: „Moderatere Mitglieder baten darum, endlich intern zu produktiver Arbeit zurückzukehren, statt auf den monatlichen Plena ständig mit immer sinnloseren AG-Anträgen und Beschlüssen befeuert und von Streitereien zermürbt zu werden“.
Bei besagten „sinnlosen Anträgen und Beschlüssen“ ging es unter anderem um Forderungen an das Bezirksamt, endlich Milieuschutzsatzungen auf den Weg zu bringen, um die Vertreibung etwas zu dämpfen und Maßnahmen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zu ergreifen. Das schreibt Frau Steglich natürlich nicht. Vielmehr stellt sie fest, „das Anliegen der Mieterinitiative (…) ist aber in der STV einfach an der falschen Adresse.“ Denn diese habe die Aufgabe die „Interessen der Bürger“ zu vertreten.
Das bringt die Sache auf den Punkt. Mieterinteressen haben in einem Bürgergremien nichts verloren, und man hat sich gefälligst auf die „Spielregeln“ einzulassen. Am liebsten wäre es dem Bezirksamt und den Sanierungsträgern natürlich, man würde sich wie die bisherigen StVen mit Baumscheiben, bemalten Verteilerkästen oder dem Material für Fahrradbügel beschäftigen und ein bisschen öffentliches Geld für Feste rausschmeißen. Und das nennt sich dann „die Interessen der Bürger vertreten“. Dieses Spiel macht unsere Mieterini aber nicht mit, und wir wollen auch nicht die Interessen aller „Bürger“ vertreten – im Gegenteil: Wir wollen massiv gegen jene „Bürger“ vorgehen, die z.B. als Investoren aktiv an der Mietervertreibung beteiligt sind. Wir wollen Mieter zum Widerstand ermuntern. Und wir wollen dem Bezirksamt Beine machen. Das haben wir auch ganz offen gesagt, als wir uns zur Wahl gestellt haben. Dass bezahlten Claqueuren wie Frau Steglich dies nicht passt, ist normal, wird uns aber nicht weiter stören.
P.S. Die neue Ausgabe (1/2014) der “Ecke Turmstraße” ist im Netz. Besagter Artikel (“Krise in der Stadtteilvertretung”) befindet sich auf S.3.
[Rainer Balcerowiak]