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14.02.2013 MieterEcho online

Durchgesetzte Zwangsräumung ist Offenbarungseid für rot-schwarzen Senat

Die Durchsetzung einer Wohnungsräumung in Kreuzberg durch mehrere Hundertschaften der Berliner Polizei entpuppt sich als Offenbarungseid für den Berliner Senat.

Gegen den Protest von rund 1000 Nachbar/innen und aktive Mieter/innen hat die Berliner Polizei heute in der Lausitzer Straße die Räumung einer Mietwohnung durchgesetzt. Der Fall der Kreuzberger Familie Gülbol war zum Politikum geworden, nachdem im Oktober 2012 ein erster Räumungsversuch durch eine 200köpfige Sitzblockade verhindert worden war. Das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern!“ hatte dazu aufgerufen, die heutige Räumung ebenfalls zu blockieren.

Diesmal wurde nur ein kleiner Teil der Sitzblockaden – teils unter massivem Gewalteinsatz – geräumt, da Polizei und Gerichtsvollzieherin durch das Aufbrechen von Haustüren und das Aufschneiden von Zäunen einen Weg über mehrere Hinterhöfe auf das Grundstück der Lausitzer Straße 8 fanden. Gegenüber den vielen hundert Unterstützer/innen bedankte sich Ali Gülbol, noch tief erschüttert vom Verlust seiner Wohnung, anschließend für die überwältigende Solidarität, die seine Familie in dieser schwierigen Situation erfahren habe.
 

Mit der schonungslosen Durchsetzung der Zwangsräumung erkennen wir, dass die angebliche neue Mietenpolitik des rot-schwarzen Senats nur eine Farce ist. Ebenso wie die städtischen Wohnungsunternehmen weiterhin die Mieten erhöhen dürfen, werden weiterhin Mieter/innen auf die Straße gesetzt – wohl wissend, dass diese kaum eine Chance haben, eine adäquate und bezahlbare neue Wohnung zu finden. Über ein Jahr nach Beschluss des rot-schwarzen Koalitionsvertrags warten die Berliner Mieter/innen immer noch auf einen wirksamen Schutz von Wohnraum vor der Zweckentfremdung durch Leerstand oder Umwandlung in Ferienwohnungen. Ein Neubauprogramm für bezahlbare Mietwohnungen steht in den Sternen. Gleichzeitig wird mit einem maßlosen Polizeiaufgebot das Vermieterinteresse zur Maximierung der Rendite gegen das in der Berliner Verfassung verankerte Gebot zur „Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen“ durchgesetzt.
 

Im letzten Jahr hatte Ali Gülbol die erfolgreiche Räumungs-Blockade mit den Worten kommentiert: „Nicht wir haben das Recht verlassen, das Recht hat uns verlassen.“ Der Berliner Senat, der proklamiert, sich für die Mieterstadt Berlin einzusetzen, konnte hingegen die Interessen der Mieter/innen nicht verlassen, weil er noch gar nicht damit begonnen hat, sie zu vertreten. So bleibt zu hoffen, dass ihm in Zukunft bei vielen Gelegenheiten ein derart entschlossener zivilgesellschaftlicher Widerstand entgegen schlagen wird, so wie wir es heute erleben durften.
 


 
Sehen Sie hier einen Videobericht der Plattform für kritisches und alternatives Fernsehen Leftvision über die heutigen Proteste gegen die Zwangsräumung in der Lausitzer Straße:
Zwangsräumung um jeden Preis – Widerstand wächst