MieterEcho online 14.09.2015
Kein Verkauf des Dragoner Areals
Am Donnerstag, dem 10. September, stand eine Abstimmung zum sogenannten Dragonerareal im Finanzausschuss des Bundesrates erneut auf der Tagesordnung. Der Verkauf an eine private Immobiliengesellschaft wurde mit einer deutlichen Mehrheit der Bundesländer abgelehnt
Bereits in der Sitzung vom 23. April hatte das Vorhaben der BIMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben), das 47.000 Quadratmeter große bundeseigene Gelände im Höchstbieterverfahren an die österreichische Gesellschaft ‘Dragonerhöfe GmbH’ zu verkaufen, nicht die notwendige Zustimmung des Ausschusses gefunden. Finanzsenator Kollatz-Ahnen hatte dazu für das Berliner Abstimmungsverhalten erklärt, das Land habe seine Liegenschaftspolitik neu ausgerichtet. Bei der Veräußerung dürfe nicht nach dem Prinzip des Meistbietenden verfahren werden, wenn öffentliche Interessen zu berücksichtigen wären. Auch in der Junisitzung hatte der Ausschuss das Thema noch einmal vertagt.
Auf die Entscheidung waren viele Interessierte sehr gespannt gewesen, zumal das Thema ‘Dragonerareal’ inzwischen eine starke öffentliche Beachtung gefunden hatte. Die Medien haben verschiedentlich über die lange Veräußerungsgeschichte mit wechselnden Käuferangeboten berichtet, Initiativen gegen die BIMA-Strategie hatten das Gelände zum Aktionsort gemacht und noch einen Tag vor der jetzigen Sitzung hatte Info-Radio dort eine direkt übertragene Diskussion organisiert, an der auch der Finanzsenator teilnahm sowie als Kontrahent der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann, der zugleich Stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates der BIMA ist. Er verteidigte weiterhin das Höchstbieterverfahren, da es dem öffentlichen Haushalt zugute käme und so im Interesse der Steuern zahlenden Bevölkerung sei. Die Gewerbetreibenden auf dem Gelände und die drum herum Wohnenden, vertreten etwa durch das ‘Kiezbündnis am Kreuzberg’, hatten keinen Zweifel daran, dass die hohe Kaufsumme, die von der österreichischen Immobiliengesellschaft Dragonerhöfe GmbH geboten wurde, nur durch luxusorientierte Bauprojekte gewinnbringend wieder hereingeholt werden könnte, was zu einer Vertreibung der großenteils kiezbezogenen Kleinbetriebe und zu einem Mietspiegelanstieg im Wohnumfeld führen würde. Ein neuer Anstoß für eine Entscheidung gegen den Großinvestor wurde auch durch die gegenwärtige Flüchtlingskrise gegeben. Nach dem Treffen der Koalitionsspitzen am vergangenen Sonntag hieß es dazu, dass “der Bund den Kommunen Immobilien und Liegenschaften schnell und verbilligt für den sozialen Wohnungsbau bereitstellt.“
Wie es mit der Entwicklung des Geländes nun konkret weitergehen wird, ist zunächst offen, da es in jüngerer Zeit auch bei einem Grundkonsens gegen Privatisierung und Höchstbieterverfahren verschiedene Vorstellungen dazu gab. Der Senat hat am 25.8.“vorbereitende Untersuchungen“ zur Festlegung eines Sanierungsgebietes beschlossen. Sie werden von verschiedenen Seiten intensiv verfolgt werden.
Die Inhaberin des Clubs ‘Gretchen’ auf dem Gelände, Pamela Schobeß, hatte im August in einem Interview der Stadtteilzeitschrift Kreuzberger Horn dazu die Hoffnung geäußert, dass bei einer unbedingt wünschenswerten Ablehnung des Verkaufs an den Großinvestor “ ... auch Rücksicht auf alle hier genommen wird. Wir haben nichts davon, wenn das Land Berlin das Areal kauft und hier 100% sozialer Wohnungsbau hinkommt. Das ist besser als wenn ein Großinvestor hier Luxuswohnungen errichtet, aber dann könnten wir auch nicht bleiben.“
Eine akzeptable “Kreuzberger Mischung“ von bezahlbarem sozialen Wohnungsbau, kulturellen Einrichtungen und kiezbezogenem Gewerbe ist bereits von den verschiedenen engagierten Initiativen her sowie auch auf der Ebene des Bezirks und des Senats in Debatten und speziellen Papieren angedacht worden. Nun wird es darauf ankommen, die verschiedenen Belange und Vorstellungen sowie auch die finanziellen Möglichkeiten auf eine konstruktive Weise miteinander zu verbinden.
- Jürgen Enkemann -