Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online - 27.11.2011

Keine hundert Tage Schonfrist

Mit einem „mietenpolitischen Dossier“ wendet sich ein Bündnis von Mieter/innen an die Öffentlichkeit und an den neuen Berliner Senat. An dessen Reaktion soll sich schon in kurzer Zeit zeigen, wie groß die Bereitschaft der neuen Koalition ist, sich ernsthaft mit der Wohnungs- und Mietenproblematik zu beschäftigen. In dem folgenden Interview erläutern aktive Mieter/innen* aus zwei der in dem Dossier vorgestellten Initiativen die Idee ihrer Publikation.


 MieterEcho: Wie entstand das unter dem Titel „Ein Recht auf Stadt für alle“ am 8. November 2011 erschienene Dossier?

Am Anfang stand die Frage, wie wir das Mietenthema auch über die Wahlen hinaus in der öffentlichen Diskussion behalten können. Außerdem möchten wir mit unserem Papier erreichen, dass sich Mieter/innen auch als solche in die öffentliche Debatte einbringen. Das Dossier bildet mit Beispielen aus verschiedenen Häusern und Kiezen eine Klammer für über eine große Breite von unterschiedlichen Problemen, in denen sich die meisten Mieter/innen wiederfinden können.

MieterEcho: Der alte rot-rote Senat hat alles getan, um den Berliner Wohnungsmarkt derart zu gestalten, dass er den Verwertungsinteressen der Finanzbranche entspricht. Gleichzeitig stellte er sich gegenüber den Nöten der Mieter/innen konsequent taub. Glaubt oder hofft ihr, dass sich die Situation unter dem neuen Senat grundsätzlich verändert?

Die Hoffnung beruht weniger auf der Tatsache des Regierungswechsels als auf dem wachsenden Druck, der mit der Demonstration am 3. September und den vielfältigen und auch erfolgreichen Aktivitäten von Mieter/innen und Kiezinitiativen aufgebaut werden konnte. Das Dossier ist ein weiterer Baustein, um den Druck zu erhöhen. Angesichts der Erfahrungen, ist allerdings auch Skepsis gegenüber der Berliner Politik angebracht.MieterEcho: Das Dossier enthält eine Menge Forderungen, die sich aus den verschiedenen Problemlagen in den Häusern und Kiezen ergeben. Welche darüber hinausgehenden Positionen vertretet ihr?Die Herausgeber/innen des Dossiers bilden keine homogene Gruppe. Gemeinsam fordern wir aber „Ein Recht auf Stadt für alle“, wie der Titel schon sagt. Als Problem sehen wir eine wachsende soziale Spaltung und Ausgrenzung und sind der Meinung, dass die Menschen selbst darüber bestimmen sollen, in was für einer Stadt sie leben wollen. Dabei geht es nicht nur darum, bezahlbar wohnen zu können, sondern die Vielfältigkeit der Stadt zu erhalten.

MieterEcho: Ihr schlagt in dem Dossier einen „Mietengipfel aller Beteiligten“ vor. Wie soll ein solcher Gipfel aussehen und wer sollte sich daran beteiligen?

Dieser Vorschlag richtet sich in erster Linie an die vielen Initiativen und Interessenvertreter/innen der Mieterschaft. Der „Mietengipfel“ soll keine „Expertenrunde“ werden, sondern zum Ausdruck bringen, dass es sich um ein höchst wichtiges Thema handelt, wobei sich die konkrete Umsetzung in einem Diskussionsprozess entwickeln muss. Ziel des Gipfels soll die Stärkung der öffentlichen Diskussion sein, in die die Politik einbezogen werden soll.

MieterEcho: Das Dossier enthält die Aufforderung an den neuen Senat, binnen 100 Tagen zu den wohnungspolitischen Problemen Stellung zu beziehen und aktiv zu werden. Welche Aspekte müssten denn in einer solchen Stellungnahme enthalten sein, um von den Initiativen akzeptiert zu werden?

Wir verlangen von der Politik, sich mit allen einzelnen Aspekten und Problemen, die das Dossier beschreibt, auseinanderzusetzen, ohne dabei verschiedene Punkte oder gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auszuspielen. Nach 100 Tagen sollten die wesentlichen Fragen, die das Dossier aufwirft, beantwortet und Lösungsansätze erarbeitet sein. Als vertrauensbildende Maßnahme schlagen wir dazu ein wohnungspolitisches Sofortprogramm vor, welches der neue Berliner Senat direkt und ohne Verzögerung umsetzen soll.

Das Interview führte Hermann Werle.

* Namen der Redaktion bekannt

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