Zu einer Demonstration der eher skurrilen Art versammelt sich am Montag einige hundert Menschen vor dem Brandenburger Tor, um gegen den Mietendeckel und für das Recht auf Mietwucher zu demonstrieren. Dazu aufgerufen hatten Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft und einige von ihnen ins Leben gerufene „Bürgerinitiativen“ wie „Neue Wege für Berlin“ oder „Mut statt Wut““. Auch die Fraktionen von CDU und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus waren mit ihren Vorsitzenden Burkhard Dregger und Sebastian Czaja prominent vertreten. Für die Ausstaffierung der Demonstranten sorgte der Lobbyverband „Haus&Grund“, der gelbe Westen (sic!), Regenschirme, Trillerpfeifen, Handratschen und Plakate zum Hochhalten verteilte. „Mietendeckel = Klimanotlage“ , „Wir wollen keine DDR-Wohnungswirtschaft“ oder auch „Mietendeckel zerstört unsere Altersvorsorge“ war dort unter anderem zu lesen.
Die aufgebotenen Redner überboten sich in nahezu apokalyptischen Visionen für die Zukunft der Stadt nach Inkrafttreten des Mietendeckels. Schon jetzt hätten einige Branchen Auftragsrückgänge von bis zu 80 Prozent zu verzeichnen, „und das ist erst der Anfang“, so der Präsident der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg, Klaus-Dieter Müller. An die Grünen appellierte der Verbandschef, das Gesetz zu stoppen, weil sie sonst jede Glaubwürdigkeit als Partei des Klimaschutzes verlieren würden. Als „große Ermutigung“ wertete Müller, dass CDU und FDP bereits Normenkontrollklagen beim Landes- und beim Bundesverfassungsgericht gegen den Mietendeckel angekündigt haben.
Anschließend ergriff Heiko Kretschmer als Sprecher von „Neue Wege für Berlin“ das Wort. Für die Immobilienlobby ist Kretschmer als Präsidiumsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums ein wichtiges Aushängeschild. In seiner Ansprache beschwor Kretschmer die verfallenen Wohnhäuser in Ost-Berlin, „die wir nach der Wiedervereinigung alle gesehen haben“. Mit vereinten Anstrengungen sei das seitdem alles „schöngemacht worden“, doch jetzt drohe erneuter Verfall.
Bei dieser Galerie der Mahner und Warner durfte auch ein Prototyp des viel beschworenen Kleinvermieters nicht fehlen. Annette Beccard beschwor die vielen „fleißigen Menschen, die auf Freizeit und Urlaub verzichtet haben, um sich ein Haus oder einige Wohnungen für ihre Altersvorsorge kaufen zu können“. Diese Menschen hätten auch das Recht auf einen angemessenen Ertrag für ihre Arbeit. Stattdessen drohe ihnen jetzt in einigen Fällen sogar „wirtschaftliche Not im Alter“. Sie beklagte den fehlenden „gesellschaftlichen Grundkonsens über Werte“. Die Politik „schielt nur auf die Mieter“, die ja leider „die große Mehrheit der Wähler stellen“.
Das scheint in der Tat das große Problem der Immobilienlobby und ihrer Verbündeten in Berlin zu sein. In der jüngsten repräsentativen Meinungsumfrage von Infratest dimap sprachen sich Ende November 71 Prozent aller wahlberechtigten Berliner für den Mietendeckel aus. Sogar unter den Anhängern der Oppositionsparteien CDU und AfD, die das Gesetz vehement ablehnen, stoßen die Pläne des Senats mehrheitlich auf Zustimmung, nur bei der FDP-Klientel ist eine knappe Mehrheit dagegen. Und auch diese Kundgebung dürfte wohl kaum geeignet gewesen sein, diese politische Stimmung zu drehen, denn längst wird der „Mietenwahnsinn“ von großen Teilen Bevölkerung als existenzielle Bedrohung wahrgenommen.
Rainer Balcerowiak
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