Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.

MieterEcho online 02.11.2017

Kampagne gegen Datenkrake

In Kreuzberg formiert sich der Widerstand gegen eine Google-Einrichtung, die wohl die Umgebung verteuern wird. Wie bei einer Veranstaltung am Mittwochabend deutlich wurde, speist sich die Wut nicht nur aus der befürchteten Verdrängung von Gewerben und ansässiger Bevölkerung, sondern auch aus Googles umfassendem Anspruch der Strukturierung des menschlichen Lebens mit Computertechnologie.

Die „Google-Implementierung ins Gehirn“ sei „kein Hirngespinst“. Dass Google nach etwas suchen kann, an das du gerade erst gedacht hast, sei langfristig realistisch. Die Firmenchefs sagten offen, sie wollten die totale Technologisierung, die totale Bündelung des Weltwissens, wobei die Verbindung zwischen Mensch und Maschine von Google hergestellt werden soll. In diesem Ausblick kulminierte der Vortrag von jemandem vom „Anti-Google-Café“, einem informellen Treffen jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat in der anarchistischen Bibliothek „Kalabalik“. Rund 200 Meter vom in der Reichenbergerstraße 63 gelegenen „Kalabalik“ entfernt drängten sich am Mittwoch über 70 Menschen in einen viel zu kleinen Raum (weitere zehn standen permanent vor der Tür) des Gewerbehofs Lausitzer Straße 10, um kritischen Vorträgen zu Google zu lauschen und den Kampf gegen den IT-Giganten anzuschieben. Bekanntlich will Google bald im ehemaligen Umspannwerk in der Ohlauer Straße eine Einrichtung eröffnen, die möglichst viele Leute aus der IT-Branche anziehen soll. Die sollen dort nämlich völlig autonom Geschäftsideen entwickeln und Firmen gründen. Sobald diese zu einem der vielen Datenausbeutungsmodelle von Google passt, kann Google die entsprechenden Leute ködern und sich deren Projekt einverleiben.

Wie so ein „Google Campus“ aussieht und funktioniert, erklärte ein Mitglied der Initiative „Gloreiche“. Diese Initiative hatte sich letztes Jahr gegründet, um die Kündigung des Bäckerei-Cafés „Filou“ zu verhindern, übrigens mit Erfolg. Solche oben beschriebenen Einrichtungen von Google gibt es schon in anderen Ländern und sie sollen immer gleich aufgebaut sein: Im Erdgeschoss ein Café für den niedrigschwelligen Austausch, das schnelle Kennenlernen; darüber ein Bürobereich, wo Schreibtische gemietet werden können; und darüber der Exklusivbereich für Projekte, die Google interessant findet. Zutritt zum Café erhalte übrigens nur, wer eine Arbeit im IT-Bereich nachweisen kann und sich registrieren lässt.

Der erste Google-Campus sei 2012 in London eröffnet worden, ein weiterer befinde sich etwa in Warschau – Widerstand dagegen habe es aber in keiner der betroffenen Städte gegeben, hielt die „Gloreiche“ fest. Das wird in Berlin anders sein. Bei dem Treffen waren etliche Leute mit viel Protesterfahrung anwesend, die Stimmung war kämpferisch. 

Es geht schließlich um einen globalen Kampf, der gerade erst beginnt, wie ein weiterer Vortrag der Initiative „Lause bleibt“ nahelegte. Mit „Lause“ ist der Gewerbehof, der die Veranstaltung beherbergte, gemeint. Er soll verkauft werden, es droht der Bau von Luxuswohnungen und somit die Vertreibung der ansässigen Gewerbe und Initiativen. In diesem Vortrag ging es um die Beziehungen zwischen Stadtregierungen und Google. So war zu hören, dass Google eine Kooperation mit der kanadischen Metropole Toronto ins Leben gerufen habe. Deren Umgestaltung zur ständig Daten erhebenden „Smart City“ solle eine Blaupause sein. Der umfassende Datendienstleister Google sehe eine Stadt als Vermarktungsplattform. Die Städte wiederum seien froh, wenn jemand mit Kapital die Innenstädte belebt, denn sie seien „totgespart“. So sollen im Internet Werbefilme zu finden sein, mit denen US-amerikanische Städte um die Ansiedlung einer Amazon-Zentrale konkurriert haben.

Die vielen folgenden Wortmeldungen aus dem Publikum erweckten den Eindruck, Berlin könnte in Sachen Zugriff der Datenkraken auf Metropolen für einen global vernehmbaren Paukenschlag sorgen. Die mit Applaus bedachten Vorschläge für ein weiteres Vorgehen waren: Googles Image beschmutzen, umliegende Gewerbe und Bevölkerung ansprechen, den Widerstand nicht nur in Kreuzberg organisieren, Druck auf politisch Verantwortliche machen und Ankündigung einer Besetzung am Eröffnungstag. Weitergehendes wurde angedeutet. 

„Wer erinnert sich an das BMW-Guggenheim-Lab?“, fragte eine Stimme aus dem Publikum und erhielt als Antwort einiges Gejohle. Das 2012 in der Schlesischen Straße geplante temporäre Projekt zur Stadtentwicklung sei „wegen der glaubhaften Androhung von Krawall und Remmidemmi“ verlegt worden.

Nach der Veranstaltung fand eine rege Demonstration mit über 30 Menschen auf der die kurzen Strecke zum geplanten Ort des „Google Campus“ statt.