Co-Living: Was bislang als lukratives Geschäftsmodell für betuchtere Studenten und Nomaden der digitalen Arbeitswelt derzeit regelrechten Boom erlebt, könnte künftig auch auf ältere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zugeschnitten werden. „Barrierefreies Mikrowohnen“ ist das Thema einer Ausstellung, die am Montag im Foyer der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen eröffnet wurde. Unterstützt von der Senatsverwaltung und in Kooperation mit der Hochschule Luzern haben Studierende eines Masterstudiengangs für Modell und Design an der TU Berlin zehn Entwürfe für barrierefreie Wohnmodule auf kleinster Fläche erarbeitet, die dort vorgestellt werden. In einem Entwurf für einen nur 16 Quadratmeter großen „multifunktionalen Einzeller“ werden Bett, Küche, Tisch, Stühle und Stauraum in einer umfassend steuerbaren High-Tech-Wohnwand integriert, die dann per Fernbedienung gesteuert werden kann. Zu dem Konzepten gehören in unterschiedlichen Varianten auch Formen des „Co-Living“, also die die Schaffung von Gemeinschafträumen, etwa für Waschmaschinen, große TV-Geräte oder voll ausgestattete Küchen. Ein Modell sieht vor, dass die Gemeinschaftseinrichtungen teilweise auf die Mieter umgelegt werden, oder individuell zugebucht werden können.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) bewertete die Entwürfe bei der Eröffnung der Ausstellung als wichtigen Impuls, denn „steigende Boden- und Mietpreise, mehr Single-Haushalte und eine wachsende Anzahl an Menschen mit Mobilitätseinschränkungen fordern neue Lösungsansätze im Wohnungsbau“. In einer wachsenden Stadt sei deshalb „Flächeneffizienz“ das Gebot der Stunde, „auch unter dem Gesichtspunkt der Bezahlbarkeit“.
Einige Gäste der Veranstaltung zeigten sich allerdings wenig als begeistert von der „smarten Wohnzukunft“. Abgesehen von Zweifeln an der Praktikabilät und tatsächlichen Barrierefreiheit der komprimierten Multifunktions-Wohnungen ging es dabei auch um das Gesamtkonzept. Gerade ältere Menschen hätten oftmals den Wunsch nach einer vertrauten Umgebung und entsprechender Privatsphäre in ihrem Wohnbereich. Doch diese Form von „Co-Living“ habe „doch fast schon Heimcharakter“. An Lompscher gewandt empörte sich eine Rollstuhlfahrerin: „Ich wundere mich, das ausgerechnet ihre Partei sowas unterstützt“, wo sie doch sonst immer selbstbestimmtes Wohnen auch für ältere Menschen mit Einschränkungen propagiere. Vom Moderator wurde die Frau ziemlich barsch mit den Worten „Sie müssen da ja nicht wohnen“ abgebügelt. Lompscher verwies darauf, dass eine umfassende barrierefreie Nachrüstung des Wohnungsbestands nicht finanzierbar und in vielen Fällen aufgrund baulicher Gegebenheiten auch nicht möglich sei. Es bleibt der Eindruck, dass „barrierefreies Mikrowohnen“ in erster Linie als Baustein für die weitere Prekarisierung von Wohn- und Lebensverhältnissen konzipiert ist.
Die Ausstellung „Barrierefreies Mikrowohnen“ ist noch bis zum 15.April geöffnet, Mo-Fr 9-17 Uhr.
Ort: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Württembergische Straße 6/10707 Berlin, Erdgeschoss links.
Rainer Balcerowiak
...zurück zu MieterEcho online...