MieterEcho online 10.12.2012
»Keine spekulativen Absichten«
Bund erarbeitet Studie zur baulichen Verdichtung in ehemaliger Alliiertensiedlung Cité Pasteur. Schließung des Flughafens Tegel öffnet auch neue Flächen für Wohnungsbau. [Jörn Boewe]
460 Hektar, gut viereinhalb Quadratkilometer, misst das Gelände des Flughafens Tegel. Auf knapp der Hälfte, 220 Hektar, würde der Berliner Senat gern Hi-Tech-Industrien ansiedeln. Aber auch eine Wohnnutzung ist vorgesehen, auf drei Teilflächen: der Cité Pasteur am südöstlichen Rand, der »Flughafenspitze«, direkt im Osten am Ende der Start- und Landebahnen und im heute noch militärisch genutzten Bereich im Nordosten.
Das Café »Zum Hangar« am Kurt-Schumacher-Damm 42-44 ist einer der Orte, wo das alte Westberlin weiterlebt. Hier wird dienstags der halbe Liter Bier vom Fass für zwei Euro gezapft. Auf dem Gelände an der Ostspitze des Flughafens Tegel, nur 50 Meter vom Kurt-Schumacher-Damm, hat der Verein »Alliierte in Berlin e. V.« jede Menge historischer Militärtechnik, Uniformen und anderer Devotionalien zusammengetragen. »Für die nächsten fünf Jahre können wir hier bleiben«, sagt die Frau hinterm Tresen. »Aber wer weiß, ob der Flughafen überhaupt geschlossen wird.«
Stadt der Zukunft?
Die Hoffnung, die hier durchklingt, würde man an anderer Stelle eher als Skepsis bezeichnen. Sie ist unüberhörbar, besonders dann, wenn versucht wird, sie wegzureden. Es ist »kein großes Problem«, dass sich der anvisierte Schließungstermin des Airports immer wieder nach hinten verschiebt – so hübsch formulierte es Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) Ende August bei der Vorstellung des Masterplanentwurfs für die Nachnutzung des Flughafenareals. Eigentlich sollte in Tegel seit Anfang Juni schon kein Flugzeug mehr starten und landen. Weil die Eröffnung des neuen Großflughafens Schönefeld (BER) aber wegen offensichtlichen Planungschaos ein ums andere Mal verschoben wird, bleibt TXL mindestens bis Ende 2013, wahrscheinlicher 2014 in Betrieb.
Danach würde der Berliner Senat rund um das alte sechseckige Terminalgebäude gern moderne, forschungs- und technologieintensive Industrien ansiedeln. Auf Nachfrage wird schnell klar, dass das alles noch recht vage ist. Die bislang klarsten Ansiedlungsabsichten hat die Beuth Hochschule für Technik, die hier ein »Kompetenz-Cluster ›Stadt der Zukunft‹« etablieren will. Drumherum, so wünscht man sich, soll irgendwann das Hi-tech-Gründerleben toben. An den Rändern wünschen sich die Planer eine Mischnutzung – ein bisschen Kleingewerbe, umgeben von Wohnanlagen. Voraussichtlich im Januar wird die Landeregierung einen Beschluss zum Masterplan fassen, so Reiner Nagel, Abteilungsleiter für Stadt- und Freiraumplanung in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, auf Nachfrage des MieterEcho. 2013 soll dann das Konzept Schritt für Schritt in Bebauungspläne umgesetzt werden.
Französischer Charme
Vom Café »Zum Hangar« einen guten Kilometer den Kurt-Schumacher-Damm hinunter Richtung Südwesten gelangt man zur ehemaligen Alliiertensiedlung »Cité Pasteur«. Die großzügig geplante, parkähnliche Anlage mit dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern wurde zwischen 1952 und 1958 errichtet. 276 Wohnungen gibt es hier mit rund 600 Bewohnern. Nach dem Abzug der französischen Truppen ging die Cité Pasteur 1992-94 in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland über. Heute ist der unmittelbare Eigentümer die 2005 gegründete Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).
»Unsere Aufgabe ist es, den Konversionsprozess so zu begleiten, dass dem Bund keine finanziellen Nachteile entstehen«, sagt Christine Conradt-Rakei, Hauptstellenleiterin der Abteilung Portfoliomanagement bei der Bundesanstalt. Noch vor ein paar Jahren gab es Diskussionen, die Cité Pasteur abzureißen. Das sei mittlerweile vom Tisch, der Bestandsschutz gesichert. Allenfalls einige leer stehende Wohngebäude und das alte französische Gymnasium, das mittlerweile verfällt, seien »nicht sinnvoll zu erhalten«, sagt Conradt-Rakeis Kollege Michael Jaensch. Eine gewerbliche Nutzung an den Rändern der Siedlung sei denkbar. Erhebliche Herausforderungen dürften auf den Bezirk Reinickendorf zukommen, der die Straßen, die bislang als Privatwege gelten, übernehmen müsste. Hier steht nach Jahrzehnten eine Kompletterneuerung der Leitungen an, und keiner weiß so genau wie und nach welchem System die Franzosen in den 50ern was für Rohre und Kabel verlegt haben.
»Ergebnisoffene Studie«
Aber auch einen Neubau weiterer Wohnungen will man bei der BImA nicht ausschließen. Jedenfalls lasse man derzeit »in einer ergebnisoffenen internen Studie die Möglichkeiten baulicher Verdichtung prüfen«, bestätigt Conradt-Rakei auf Nachfrage. Denkbar sei eine etwas dichtere Bebauung an den Rändern. Der parkähnliche Charakter der Siedlung soll allerdings erhalten bleiben. »Diese alten Bäume kann und darf man nicht einfach abholzen«, betont Jaensch. Die Ergebnisse der Studie sollen im Januar vorliegen und ins B-Plan-Verfahren einfließen.
Die Planungshoheit für die Cité Pasteur - wie auch für die »Flughafenspitze« und den militärischen Bereich - liegt nicht beim Bezirk Reinickendorf, sondern bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Das Flughafenareal ist ein sogenanntes »9er Gebiet« von »außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung«, wie es in Paragraph 9 des Berliner Baugesetzes (AGBauGB) heißt. Mit einer öffentlichen Auslegung der Entwürfe zur Bürgerbeteiligung rechnet Nagel noch vor den Sommerferien. Für die Cité Pasteur sei an den Bau von Studentenwohnungen für den künftigen Standort der Beuth Hochschule gedacht, so Nagel. Im nördlichen Flughafenbereich, der bis 2018 noch vom Verteidigungsministerium genutzt wird, gebe es »denkmalwürdige Strukturen«, aber auch Flächen für den Wohnungsneubau. Die Stadt lege grundsätzlich Priorität auf die Schaffung erschwinglichen Wohnraums. Vom jetzigen Eigentümern erwartet man in dieser Hinsicht offenbar Kooperationsbereitschaft. »Die BImA verfolgt sicher keine spekulativen Absichten«, ist Nagel überzeugt.
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