MieterEcho online – 05.07.2011
Berliner Wohnungspolitk: Die unsichtbare Hand der Untätigkeit
Unter dem Motto „Zukunft heute bauen“ lud am heutigen Dienstag der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) zur „Neubautagung“. Verschiedenste Akteure der ehemals gemeinwirtschaftlichen, kommunalen und privaten Wohnungswirtschaft nutzten die Tagung, um den dringenden Bedarf an Wohnungsneubau zum Ausdruck zu bringen und Ansätze für einen zeitgemäßen Wohnungsbau zu diskutieren. Immer wieder wurde heraus gestellt, dass ohne öffentliche Förderung keine bezahlbaren Neubaumieten für breitere Schichten, geschweige denn für einkommensschwache Haushalte, realisierbar seien. Nur die unterschiedlichen Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gaben sich alle erdenkliche Mühe, die Dringlichkeit der Situation zu ignorieren und den freien Markt als alleinigen Lösungsweg darzustellen.
Das Thema Neubau voran bringen
BBU-Vorsitzende Maren Kern, einzige Frau auf dem Podium, aber gleichzeitig energischste Vertreterin eines wohnungspolitischen Neubeginns, kündigte gleich zu Beginn an, dass die Tagung ein Auftakt sei für eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema Wohnungsneubau. Pro-aktives Handeln sei angesichts der stetig steigenden Haushaltszahlen und damit der wachsenden Wohnungsnachfrage in Berlin nötig. Bereits jetzt liege der Leerstand nur noch bei 3 % der Wohnungen, mit deutlich fallender Tendenz. Wohnungsneubau sei dringend nötig, um sozial gemischte Viertel zu erhalten und eine Segregierung der Stadt, also eine soziale Aufteilung der Bevölkerung in wohlhabende und arme Stadtteile, zu vermeiden.
Dem Bedarf nach einer neuen Wohnungspolitik stimmten die anwesenden Vertreter verschiedener Wohnungs- und Immobilienunternehmen zu. Frank Bielka vom Vorstand der Degewo nannte die steigende Wohnungsnachfrage augenfällig, und angesichts dessen sei es nun an der Zeit, den Wohnungsbau anzuschieben. Selbst ein Vertreter der HochTief Projektentwicklung meinte, von allein, sprich: durch die unsichtbare Hand des Marktes, werde nicht genügend Wohnungsangebot entstehen. Ein weiterer Projektentwickler sekundierte, vom Senat sei zur Zeit keinerlei Wohnungspolitik spürbar. Man warte offenbar einfach ab, statt sich um die Probleme zu kümmern. Das Gegenteil ist offenbr der Fall: Ob den kleinen Genossenschaften oder der großen Degewo, ständig würden durch Senat und Bezirke Steine in den Weg gelegt, wenn es um Wohnungneubau gehe.
5,50 Euro/m² nettokalt im Potsdamer Neubau
Jörn Michael-Westphal von der Potsdamer Wohnungsbaugesellschaft Pro Potsdam stellte vor, wie es anders gehen könnte: Dort habe es – bislang nur im Einzelfall – für Wohnungsneubau zinsgünstige Kredite gegeben, die für 75% der Wohnungen in einem Bauprojekt eine Miete von 5,50 Euro nettokalt ermöglicht habe. Peter-M. Friemert, Architekt aus Hamburg, berichtete, dass dort zu den zinsgünstigen Krediten noch eine Förderung der Hamburger Wohnungsbaukreditanstalt komme, die sich nach dem energetischen Baustandard der Wohnungen richte.
Doch wer möchte nichts von der sich zuspitzenden Wohnungsnot, vom dringenden Bedarf nach politischem Handeln und den Möglichkeiten der Förderung günstigen Wohnungsbaus wissen? Das sind die anwesenden Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Angefangen mit Wolf Schulgen, Abteilungsleiter für Wohnungswesen, Stadterneuerung und Soziale Stadt, der sich als erstes darüber freut, dass Berlin noch „einen sehr hohen Bestand landeseigener Wohnungen“ habe und somit über die vergangenen Privatisierungswellen glatt hinweg ging. Er betonte: „Der Prozess des Wohnungsbaus muss marktförmig laufen, um erfolgreich sein zu können.“ Fragt sich, woran Herr Schulgen seinen „Erfolg“ misst. Ist er womöglich selbst Hauseigentümer und freut sich persönlich über satt steigende Werte und Mieteinnahmen? Oder ist da noch mehr zu holen? Der Berliner Bau-Politik-Sumpf war hier ja immer wieder für eine Fülle krummer Dinger gut.
In Berlin: Abwarten und Tee trinken
Dann Manfred Kühne, Abteilungsleiter für Städtebau und Projekte mit stadtweiter Bedeutung: Er zeigte sich entzückt darüber, dass es nach Jahrzehnten des regulierten Wohnungsbaus in Berlin nun endlich wieder einen echten Wohnungsmarkt gebe. Die wesentlichen Wohnungsmarktsegmente könnten „ganz normal“ (d.h. marktförmig) bedient werden, erforderten also keine Eingriffe. Sein Referatsleiter für Wohnungs- und Mietenpolitik, Thomas Brand, war sich nicht zu schade, ungeachtet der bereits genannten Vorschläge die BBU-Vertreter/innen zu fragen, wie man denn überhaupt kostengünstigen Mietwohnungsbau schaffen könne – um vom Moderator darauf hingewiesen zu werden, wie seltsam es doch sei, dass die Senatsverwaltung gerade einmal Fragen stelle, statt dringend notwendige Antworten zu liefern.
Wir wissen nicht, was Ihr Vermieter empfiehlt – wie empfehlen eine Neue Berliner Mieterbewegung.
Im Großen und ganzen blieb der Eindruck: Eine seltsam in sich gekehrte Verwaltung verwahrt sich, ebenso wie ihre politische Führung, der zahlreichen aufrüttelnden Statistiken und der dringlichen Aufforderungen tätig zu werden, die längst nicht mehr nur von Mieterverbänden, sondern mittlerweile aus der Mitte der Immobilienwirtschaft kommen, beharrt auf einem längst schon wieder anachronistischen, geradezu irren Marktvertrauen, spricht beständig ihr Gebet: Wieso denn? Läuft doch alles bestens.
Wer dagegen die zu erwartenden Zuspitzungen des Berliner Wohnungsmarkts nicht hinzunehmen bereit ist, darf sich angesichts solch ignoranten Personals auf das langwierige Bohren dicker Bretter – oder Gummi? – gefasst machen, es sei denn, es gelänge, dieses Personal endlich auszutauschen. Dies ist jedoch in Folge der nächsten Abgeordnetenhauswahlen nicht zu erwarten.