MieterEcho online – 10.05.2011
BBU: schwindender Leerstand und fehlende Wohnungspolitik des Senats
Die Leerstandszahlen gehen in Berlin drastisch zurück. Dies stellte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) heute bei seiner Jahrespressekonferenz fest. Berlin sei angesichts der drastisch steigenden Haushaltszahlen „auf dem Weg in ein Angebotsproblem“, so Maren Kern vom Vorstand des BBU. Dies erfordere unbedingt eine „vorausschauende Wohnungspolitik“ und den Neubau von mindestens 60.000 Wohnungen bis zum Jahr 2020, denn sonst sei der bis dahin zu erwartende Zuwachs um 130.000 Haushalte nicht bewältigbar.
Die Wohnungsunternehmen, die Mitglied im BBU sind – hauptsächlich die größeren Wohnungsbaugesellschaften und viele Wohnungsgenossenschaften – verfügen über rund 660.000 Wohnungen in Berlin und stellen damit annähernd 40% des Wohnungsangebots der Stadt. Unter den BBU-Wohnungen ist der Leerstand in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zurückgegangen und liegt mittlerweile nur noch bei 3%. Dabei werden in der Wohnungswirtschaft 3% Leerstand als notwendige Fluktuationsreserve betrachtet, die notwendige Wohnungswechsel überhaupt möglich macht. In den Bezirksteilen Tiergarten, Charlottenburg, Wilmersdorf, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Hohenschönhausen liegen die Leerstandsquoten bereits unter 2% und nähern sich teilweise 1%. Weitere neun Alt-Bezirke spielen sich zwischen 2% und 3% ab.
Die sinkenden Leerstandszahlen spiegeln die wachsende Zahl der Haushalte in Berlin wider. Eine klaffende Lücke zwischen wachsender Wohnungsnachfrage und völlig unzureichendem, jedoch vorwiegend hochpreisigem Neubau mache dringend ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept und die Förderung von preisgünstigem Wohnungsneubau nötig. „Das Gros der Mieterinnen und Mieter bei BBU-Mitgliedsunternehmen kann sich die teuren Neubaumieten nicht leisten“, gibt Kern an und fordert daher Förderprogramme vom Berliner Senat, die Neubaumieten von den üblichen 9,50 bis 10 Euro auf rund 6 Euro drücken könnten.
Für das Jahr 2011 planen die BBU-Wohnungsunternehmen in Berlin den Neubau von lediglich 157 Wohnungen – das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Grund für die Zurückhaltung seien die zu hohen Baukosten, die ohne öffentliche Förderung keine vertretbaren Miethöhen ermöglichten.
Der Senat müsse nun eine belastbare Wohnungsbedarfprognose vorlegen, einen Stadtentwicklungsplan Wohnen. Weiterhin müsse er seine Liegenschaftspolitik umstellen, weg von der möglichst profitablen Privatisierung städtischer Flächen und hin zur vergünstigten Abgabe an jene Wohnungsunternehmen, die die Preiserspanis im Neubau am effektivsten an die Mieter/innen weitergeben. Weiterhin müssten weitere Förderinstrumente wie zinsgünstige Kredite und revolvierende Wohnungsbaufonds erschlossen werden, um den Bau preisgünstiger Mietwohnungen zu ermöglichen.
Im Statement des BBU werden drei Dinge klar:
1. Hier wird in aller Deutlichkeit ein wohnungspolitisches Konzept gefordert, weil der Berliner Senat dergleichen bislang schmerzlich vermissen lässt. Die laissez-faire-Politik der rot-roten Koalition muss endlich aufhören.
2. Ein Ankurbeln des Neubaus ist nicht ohne öffentliche Förderung möglich. Der Markt allein wird das Problem nicht richten, sondern nur weiter verschärfen.
3. Zudem drängt die Zeit – die Wohnungsunternehmen rechnen mit zwei bis drei Jahren Vorlaufzeit, bis ein Wohnungsneubau in relevantem Umfang realisiert werden kann. Viele Unternehmen haben es regelrecht „verlernt“, Wohnungen zu bauen, besitzen anscheinend gar nicht mehr genügend erfahrenes Fachpersonal dafür und müssen hier neu anfangen.
Dabei ist völlig unklar, ob die vom BBU geforderten 60.000 Neubau-Wohnungen überhaupt ausreichen würden, um die nahende Not zu lindern: Dass der Berliner Leerstand tatsächlich weit unter der vom Senat proklamierten und in Stein gemeißelten Zahl der 100.000 Wohnungen liegt, ist mittlerweile klar geworden. Dabei wird offenbar nur ein kleinerer Teil der nicht bewohnten Wohnungen tatsächlich am Markt angeboten. Ein Großteil wird vielmehr umgebaut oder modernisiert oder steht aus anderen Gründen dem Markt nicht zur Verfügung. Eine halbwegs „gesunde“ Fluktuationsreserve erfordert es wiederum, einen marktaktiven Leerstand von mindestens 50.000 Wohnungen bereit zu halten. Doch 130.000 neue Haushalte bis 2020 werden als Nachfrage auf den Wohnungsmarkt drängen und die verbliebenen Leerstände zum Dahinschmelzen bringen. So dürfte der Neubaubedarf noch um einiges höher liegen als es der BBU bisher anzusetzen wagt.