MieterEcho online 18.02.2013
Lobbyveranstaltung für Baugruppenarchitekt/innen
Baugruppen verstehen es weiterhin, sich interessant zu machen. Am 15.2. wurde im überfüllten Radialsystem das neu erschienene Buch „Selfmade City“, herausgegeben von Kristien Ring und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, vorgestellt.
„Selfmade City“ ist ein Lob auf die sich in Berlin etablierende Baugruppenbewegung. Die Architektin und ehemalige Direktorin des Deutschen Architekturzentrums Ring hat sich nach eigener Aussage rund 125 Baugruppenprojekte näher angeschaut und 50 davon schließlich in die Publikation aufgenommen. Ring plädiert zwar für eine differenzierte Betrachtung von Baugruppen, kommt aber zu einem überwiegend positiven Fazit, dass Gemeinschaft und Familienfreundlichkeit, nachbarschaftliches Engagement und Bezahlbarkeit bei solchen Projekten eher gegeben sind als in anderen Wohnformen. Ring erachtet die Wohnungen als bezahlbar, wenn die Errichtungskosten unter 2000 Euro/qm liegen, denn damit liege die Kostenmiete deutlich unter dem Berliner Mietmarkt.
Als Indikator für nachbarschaftliches Engagement gilt der Architektin, dass 17 der untersuchten Projekte ihre Grünflächen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Bei der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung veranstalteten Buchpräsentation kamen neben der Autorin auch Staatssekretär Ephraim Gothe, Reiner Nagel sowie mehrere Architekt/innen zu Wort, letztere fast ausnahmslos Mitglieder des Netzwerks Berliner Baugruppenarchitekten. Der Architekt Marc Richter machte dabei deutlich, worum es beiden Seiten geht: „Das Land verfügt über Flächenreserven, ist aber pleite. Baugruppen sind nicht pleite, und Berlin benötigt dringend bezahlbare Mietwohnungen.“ Es stellt sich nur noch die Frage, wie Baugruppenprojekte, die ja in der Regel selbstgenutztes Eigentum schaffen, mit dem Mietwohnungsbedarf in Verbindung gebracht werden können. Richter schlägt vor, dass gegen eine Quersubventionierung, etwa in Form kostengünstigen Baulands, 10 bis 20 Prozent der Wohnungen in den Projekten mietpreisgebunden sein sollten. Neben dem Zugang zu den rar werdenden, bzw. bisher meist im Höchstpreisverfahren vergebenen landeseigenen Grundstücken liegt ein weiteres Interesse der Architekt/innen darin, auch Zugang zu größeren Projekten von Genossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften zu bekommen. Bisher seien die großen Wohnungsbaugesellschaften wenig an partizipativer Planung interessiert, beklagen die Architekt/innen.
Wie bei vielen anderen Themen der Berliner Wohnungspolitik kommt in Bezug auf die Flächenvergabe die Diskussion allerdings reichlich spät. „Es wäre gut gewesen, die Grundstücke in den letzten Jahren stärker zu horten“, gestand Ephraim Gothe ein. Nun seien gar nicht mehr so viele geeignete Grundstücke im Portfolio des Liegenschaftsfonds vorhanden. „Selfmade City“ sieht er als Hilfe, um Kriterien für die Konzeptverfahren des Fonds zu entwickeln. Reiner Nagel von der Senatsverwaltung vertrat die Auffassung, dass den Baugruppen bei einer weiteren inneren Verdichtung der Stadt eine wichtige Rolle zukommen kann. „Baugruppen können eher einen Konsens im Quartier erzielen.“ Eine gewagte These, erkennen doch inzwischen auch die Architekt/innen, dass die öffentliche Kritik an Baugruppen wächst. Die Architektin Julia Dahlhaus brachte auf den Punkt, dass Baugruppen in erster Linie die Bedürfnisse einer bestimmten Bevölkerungsgruppe bedienen, nämlich des „erbenden Mittelstands“.
[Jutta Blume]
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