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MieterEcho online 26.10.2014

Kaufen, teilen, verkaufen

Berlin Aspire vermarktet Eigentumswohnungen, bevor ihre Umwandlung genehmigt ist.


Das Immobilienunternehmen Berlin Aspire Real Estate GmbH sucht das schnelle Geschäft. Die Vertreibung von Mieter/innen, die Täuschung von Käufern und die Zwischennutzung als Ferienwohnungen gehören zur Verwertungsstrategie.


Die Berlin Aspire Real Estate GmbH ist noch nicht lange am Berliner Markt tätig, hat es aber schon zum beachtlichen Bestand von mindestens 19 Mietshäusern gebracht. 2011 wurde die Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen, 2013 verlegte sie ihren Firmensitz von Schönefeld nach Berlin. Ihr Vorgehen beim Kauf und bei der Vermarktung läuft stets nach einem ähnlichen Muster ab, wie die Mieter/innen aus den betroffenen Häusern berichten. Für jedes Haus wird eine eigene GmbH gegründet, die eine c/o-Adresse bei der Berlin Aspire Real Estate GmbH in der Friedrichstraße hat. Bereits zeitgleich mit dem Erwerb werden die Wohnungen auf der israelischen Internetseite „Berlinestate.com“ angeboten. Bei Häusern, deren Fassaden nicht hinreichend repräsentabel sind, wurden die Fotos der einzelnen Projekte digital retuschiert. Die Gestalter/innen der Internetseite haben sich nicht die Mühe gemacht, die Rechtschreibung der jeweiligen Adressen zu überprüfen, so wird dort ein Haus in der „Wesser Strasse“ und eins in der „Shtefan Strasse“ angepriesen. Offenbar soll bei Berlin Aspire beziehungsweise Berlin Estate alles besonders schnell gehen. Auch juristisch schleichen sich da gern kleine Fehler ein: Vielfach werden die Wohnungen als Eigentumswohnungen angeboten, bevor eine Teilungserklärung vorliegt. Besonders brisant ist dies in der Reichenberger Straße 114 in Kreuzberg, da sich das Haus noch bis Mai 2015 in der Förderbindung der behutsamen Stadterneuerung befindet und eine Umwandlung in Eigentumswohnungen bis dahin ausgeschlossen ist.

Abfindungen und Räumungsklagen

Zeitgleich mit der Vermarktung beginnt die Entmietung der Häuser. In der Hobrechtstraße 40 in Neukölln ist mittlerweile ein Drittel der 30 Mietparteien ausgezogen, hauptsächlich aus dem besonders schlecht erhaltenen Quergebäude. „Die meisten wollten sowieso ausziehen und haben noch ein paar Tausend Euro Abfindung dazu bekommen“, berichtet der Mieter Roland Zöllig*. Die verbleibenden Mieter/innen rechnen mit zunehmendem Druck. Erste Mieterhöhungen und Einladungen zu „Mietergesprächen“ wurden verschickt, ebenso eine Abmahnung wegen der Nichteinhaltung eines von den Eigentümern vorgeschlagenen Termins. Welche Schikanen noch zu erwarten sind, zeigen Erfahrungen aus anderen von Berlin Aspire gekauften Häusern: „Seit März 2013 werden wir mit Ankündigungsschreiben zu Bauarbeiten überhäuft, die vor allem wohl erst mal Angst machen sollen. Die angekündigten Bauarbeiten finden dann meist nicht statt, dafür aber andere außerhalb der angekündigten Zeit. (…) Einigen Mietern wurde „Hilfe“ beim Auszug angeboten und direkt mitgeteilt, dass sie uns alle loswerden wollen, um in den Wohnungen eine Luxussanierung durchzuführen und sie möglichst teuer zu verkaufen. (…) Gegen einige Mieter liegen aus meist fadenscheinigen Gründen Räumungsklagen vor.“ So heißt es auf dem Blog der Mieter/innen, die in der in Preuzlauer Berg gelegenen Sonnenburger Straße 55 wohnen. In dem Haus Weserstraße 59/60, Ecke Wildenbruchstraße 6 in Neukölln engagierte Berlin Aspire die auf Entmietung spezialisierte Firma Pro Soluta (MieterEcho Nr. 354/ Mai 2012 und MieterEcho Nr. 354/ Dezember 2013). Die Geschäftspraxis von Pro Soluta besteht darin, Mieter/innen zu Gesprächen über anstehende „Veränderungen“ zu drängen, bei denen zumeist der Auszug gegen Abfindung angeboten wird. Wichtig ist es der Pro Soluta, die Gespräche – zu denen rechtlich kein/e Mieter/in verpflichtet ist – stets als Einzelgespräche zu führen.

Umwandlung in Ferienwohnungen
Leer stehende Wohnungen in den Häusern der Berlin Aspire werden in der Regel schnell oberflächlich modernisiert und in Ferienwohnungen umgewandelt. Auf diese Weise entsteht eine zusätzliche Belastung der Bewohner/innen durch wechselnde Feriengäste. Bewohner/innen der Sonnenburger Straße 55 berichten, dass der „Ferienwohnungsbeauftragte“ von Berlin Aspire nachts mit laufendem Motor und aufheulender Klimaanlage vor dem Haus auf Gäste wartete.
Trotz Zweckentfremdungsverordnung tritt Berlin Aspire offen als Vermieter von Ferienwohnungen auf dem Internetportal Airbnb auf. Die möblierten Wohnungen werden hier für 65 bis 95 Euro pro Nacht offeriert. Berlin Aspire versucht mit seinen insgesamt 21 Angeboten nicht, sich als Privatperson zu tarnen. Die Bezirksämter zeigen bis jetzt jedoch keine Initiative, der Zweckentfremdung von Wohnungen durch Berlin Aspire entgegen zu treten. In Prenzlauer Berg bietet das Unternehmen auf Airbnb vier Wohnungen an, die eigentlich im Milieuschutzgebiet liegen, und deren Zweckentfremdung daher jederzeit untersagt werden könnte. Das Ordnungsamt nimmt die Hinweise der Bewohner/innen zwar entgegen, hat aber nach eigenen Angaben keine Mitarbeiter/innen, die diesen nachgehen könnten.
Die Mieter/innen der Hobrechtstraße 40 in Neukölln machten das Wohnungsamt auf die Zweckentfremdung im Haus aufmerksam. Vier Wohnungen stehen bereits im Ferienwohnungsportal, drei weitere Wohnungen werden gerade zu Ferienwohnungen umgebaut. „Mir wurde beim Wohnungsamt telefonisch mitgeteilt, alle ab Mai beantragten Wohnungen würden genehmigt“, sagt Zöllig.. „Die Zweckentfremdung müsse nicht verboten werden, sondern könne etwa gegen finanzielle Auflagen erlaubt werden.“ Daraufhin wandte sich der Mieter mit einem Brief an Stadtentwicklungssenator Michael Müller, erhielt aber bislang keine Antwort. Offenbar gibt es aber schon Pläne für die Zeit, wenn Ferienwohnungen nicht mehr toleriert werden. So ließ der Geschäftsführer von Berlin Aspire, Eliezer Post, in einem Mietergespräch verlauten, dass die möblierten Apartments dann eben längerfristig an „Businesskunden“ vermietet würden.

Täuschung von Käufern
Nicht nur Mieter/innen in den aufgekauften Häusern beklagen sich über das Gebaren von Berlin Aspire, sondern auch Käufer von Wohnungen. „Das Unternehmen ist ein Haufen von Verbrechern. (…) Sie bieten Investoren Wohnungen an, die sie noch lange nicht verkaufen dürfen. Der Umwandlungsprozess eines solchen Gebäudes kann aufgrund der restriktiven Mieterschutzgesetze in Deutschland Jahre dauern“. So beschwerte sich eine Investorin auf der Facebookseite von Berlin Estate. Zwar sind die kritischen Kommentare inzwischen gelöscht, jedoch werden einige auf dem Blog der Hobrechtstraße 40 zitiert.
Zwar trägt jeder Investor selbst die Verantwortung dafür, sich über die Gesetzeslage im jeweiligen Land zu informieren, Berlin Aspire beziehungsweise Berlin Estate scheinen aber bewusst auf die Unkenntnis der von ihnen angesprochenen Käufer zu setzen. Dies betrifft auch den Zustand der Gebäude. „Unser Haus ist eine Ruine, das Dach ist undicht, alle Reparaturen Pfusch“, beschreibt Zöllig das Mietshaus, in dem er wohnt. Die Modernisierung der frei gewordenen Wohnungen erfolgt, bevor wichtige Reparaturen und Modernisierungen am gesamten Haus vorgenommen werden. „Mein Eindruck ist, dass aufgehübscht und ganz schnell mit enormen Gewinnen weiterverkauft wird.“

Baustopp in Prenzlauer Berg
Kleine Erfolge in den Auseinandersetzungen mit Berlin Aspire gibt es aber auch. In der Sonnenburger Straße 55 wurde Ende Juli ein Baustopp verhängt, da dort entgegen der sozialen Erhaltungssatzung Luxuswohnungen entstehen sollten. Entsprechende Anträge ans Bezirksamt stellten die Eigentümer nicht. Ohne die Öffentlichkeitsarbeit der Mieter/innen wäre das Amt wahrscheinlich nicht auf die geplanten Luxuseigentumswohnungen aufmerksam geworden. „Der Verkauf von Wohnungen im zukünftigen sanierten Zustand ohne Berücksichtigung städtebaulicher Genehmigungsvorbehalte ist (leider) gängige Praxis“, heißt es in der Antwort des Bezirksamt auf eine kleine Anfrage des Bezirksverordneten Michail Nelken (Die Linke).

Jutta Blume


* Name geändert.

Weitere Informationen im Internet:
hobrechtstrasse40.blogsport.de
wildeweser.blogsport.de
sonnenburger55.blogsport.de
reichenberger114.blogspot.de


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