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MieterEcho 438 / Januar 2024

Ein bisschen Kältehilfe reicht nicht

Die Überwindung der Wohnungslosigkeit bedarf struktureller Veränderungen

Von der Berliner Obdachlosenhilfe e.V.

Berlin kämpft mit einer bedrückenden Realität – dem Geschäft mit Armut und Wohnungslosigkeit. Die eisigen U-Bahnhöfe, die als Zuflucht dienen sollten, spiegeln die prekäre Lage wider, während Menschen in der Kälte ums Überleben ringen. Das Kältehilfe-Programm, das erst spät abends startet und morgens endet, bietet nur begrenzten Platz und zwingt viele, die Nacht auf den Straßen zu verbringen.   

Die Weigerung der BVG, U-Bahnhöfe nachts zu öffnen, verschärft die Herausforderungen für Obdachlose. Sicherheitsdienste auf den Bahnhöfen geraten ihrerseits in die Kritik, da Betroffene von Schikanen und Gewalt berichten. In der Öffentlichkeit werden deshalb immer lauter Schutzmaßnahmen und Unterstützung für Obdachlose gefordert.

Doch wie entkommt man diesem Teufelskreis? Ein Blick in die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zeigt, dass Sozialarbeiter/innen oftmals engagiert versuchen, Menschen in Not zu helfen. Anträge auf Bürgergeld sind oft der erste Schritt. Anschließend führt der Weg oft in ein Wohnheim, da es selten ist, dass Obdachlose direkt von der Straße in eine eigene Wohnung vermittelt werden können.

Die Realität der Wohnheime ähnelt jedoch oft einem Alptraum, und auch im Bereich der privaten Vermietung fehlen wesentliche Standards. Berichte über skrupellose Vermieter, die die prekäre Lage von Obdachlosen ausnutzen, häufen sich. Die Mieten für heruntergekommene Unterkünfte sind exorbitant hoch und illegale Vermietungen von winzigen Wohnungen an mehrere Personen sind an der Tagesordnung. 

Mit 50.000 Wohnungslosen in Berlin, von denen viele in teuren Heimplätzen einquartiert werden statt angemieteten Wohnraum beziehen zu können, ist das Ausmaß des Problems erschreckend. Noch gar nicht in dieser Zahl erfasst sind Menschen, die mehr oder weniger provisorisch bei der Familie, bei Freunden oder Bekannten unterkommen. Auch illegal vermietete Wohnungen sind ein Problem. 

Unhaltbare Zustände

Das führt zu einer Spirale der Ausbeutung, die die prekäre finanzielle Situation der Betroffenen weiter verschärft. Im Fall eines Gastes der BOH, der in einem heruntergekommenen Haus mit 15 Mitbewohner/innen lebte, denen nur ein Badezimmer zur Verfügung stand, zahlte das Sozialamt 1.100 Euro pro Monat an den privaten Vermieter. Gleichzeitig wurde ein Wohnungsangebot in Schöneberg für 510 Euro als zu teuer abgelehnt. Es sind auch Fälle bekannt, wo 8-10 Leute, die tagsüber per Fahrrad Essensbestellungen ausliefern, in einer 1-Zimmer- Wohnung leben und Miete zahlen.

Die für die Kältehilfe als „Notanker“ bereitgestellten Mittel der Senats- und Bezirksverwaltungen landen oft in den Verwaltungsapparaten der Trägerorganisationen. Dieser Missstand führt dazu, dass zu wenig Geld direkt bei den betroffenen Menschen ankommt. Zudem setzen viele Träger auf ehrenamtliche Helfer/innen, was zwar Kosten spart, aber zu einem Mangel an professioneller Betreuung, insbesondere für Menschen mit psychischen Erkrankungen, führt. 

Um die akute Notlage zu lindern, sind kurzfristige Maßnahmen unerlässlich. Die Ausweitung der Kältehilfeangebote in den eisigen Wintermonaten sowie die Öffnung der U-Bahnhöfe während der Nacht könnten einen bedeutenden Unterschied machen. Eine verstärkte Kontrolle der Vermietungspraktiken ist notwendig, um illegale Unterbringungen zu unterbinden und die Ausbeutung wohnungsloser Menschen zu stoppen. 

Langfristig müssen jedoch die strukturellen Ursachen der Wohnungslosigkeit angegangen werden. Es braucht tiefgreifende Veränderungen in der Wohnungspolitik und der sozialen Infrastruktur. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, die Förderung sozialer Wohnprojekte und wirksame Schutzmechanismen vor Mietpreisspekulationen sind Schlüsselaspekte, um das Wohnungsproblem nachhaltig anzugehen. Schärfere Kontrollen und Sanktionen gegen Vermieter, die sich illegaler Praktiken schuldig machen, sind darüber hinaus unerlässlich.      

 

Die Berliner Obdachlosenhilfe e.V. (BOH) unterstützt Menschen, die von Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit betroffen sind und fördert ihre gesellschaftliche Teilhabe. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Hilfstouren, bei denen unter anderem Essen und Hygieneartikel an obdachlose Menschen verteilt werden. Die BOH arbeitet ehrenamtlich und basis-demokratisch, mit zwei eingestellten Sozialarbeiter/innen kann auch professionelle Hilfe angeboten werden. Weitere engagierte Ehren-
amtliche sind herzlich willkommen: www.berliner-obdachlosenhilfe.de
Tel.: 030–23544217, Mi. & Sa. 13:00 – 18:00 Uhr


MieterEcho 438 / Januar 2024