Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 437 / Dezember 2023

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Die neue Kooperationsvereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen verschlechtert die soziale Wohnraumversorgung

Von Philipp Möller

Mit der neuen Kooperationsvereinbarung koppelt der Senat die landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) wieder stärker an die allgemeine Entwicklung des Wohnungsmarktes und verschlechtert die soziale Wohnraumversorgung für die ärmsten Haushalte.
Die sechs LWU sind als GmbHs oder Aktiengesellschaften rechtlich dazu verpflichtet, eigenwirtschaftlich zu agieren und Überschüsse zu erzielen. Doch die Ausrichtung der LWU ist stets eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse, die sich mit dem Mietenvolksbegehren von 2015 und der Regierungsübernahme durch die rot-rot-grüne Landesregierung im Jahr 2016 vorsichtig in Richtung einer sozialen Wohnraumversorgung verschob.     


Das wichtigste Instrument dafür war die 2017 geschlossene Kooperationsvereinbarung (KoopV) zwischen Senat und den sechs Unternehmen. Sie verpflichtet die LWU zu einer Vielzahl von sozialen Vorgaben, die der neue Senat von CDU und SPD nun mit einer neuen Vereinbarung aufweicht. Mit der neuen KoopV wird der sogenannte „Mietendimmer“ vorzeitig beendet, den die rot-rot-grüne Landesregierung nach dem Fall des Mietendeckels installierte und der einige Teile des vom Bundesverfassungsgericht kassierten Gesetzes für die LWU weiterführte. Der im Juni 2021 erlassene Mietendimmer kappte Mieterhöhungen im Bestand bei maximal 1% pro Jahr bis zum Jahr 2025. Als Reaktion auf die Preissteigerungen im November des vergangenen Jahres verhängte die Koalition darüber hinaus einen einjährigen Mietenstopp. Wiedervermietungen durften nur zu maximal 10% unter der ortsüblichen Vergleichsmiete erfolgen. 

Die harten Mietregulierungen standen bei den Vorständen der landeseigenen Unternehmen stets in der Kritik. Denn einerseits entkoppelten sie die Mietentwicklung im öffentlichen Wohnungsbestand vom allgemeinen Marktgeschehen, während die Vorstände die öffentlichen Gesellschaften gerne als normale Marktakteure sähen. Andererseits führten sie zu Mindereinnahmen bei den Unternehmen, die der vormalige Senat durch eine Zuführung von etwa 20 Millionen Euro Eigenkapital aus dem öffentlichen Haushalt ausglich. Die Zuführung von Eigenkapital scheuen die Vorstände jedoch wie der Teufel das Weihwasser, denn die finanzielle Unterstützung durch den alten Senat war mit einem klaren politischen Auftrag zur Stabilisierung der Mieten verbunden und stellten die neoliberalen Dogmen sowohl der Eigenwirtschaftlichkeit als auch der betriebswirtschaftlichen Eigenständigkeit infrage. 

Schritte zu marktkonformen Mieten

Mit der neuen Kooperationsvereinbarung erlaubt der Senat seinen kommunalen Gesellschaften fortan Mietsteigerungen von bis zu 2,9% pro Jahr. Bis zum Ende der Legislatur dürfen die Mieten bei den landeseigenen Unternehmen also im Durchschnitt um rund 9% angehoben werden, wobei deutlich höhere Ausnahmen von dieser Regelung durchaus möglich sind. Im Bestand bleiben die LWU mit den neuen Vorgaben zwar noch deutlich unter den gesetzlichen Vorgaben des Kappungsgrenze, die Mietsteigerungen von bis zu 15% in drei Jahren erlauben.  Aber noch deutlicher sind die Verschlechterungen bei den Wiedervermietungsmieten, bei denen für die LWU künftig lediglich die gesetzlichen Vorgaben der Mietpreisbremse gelten, die eine Vermietung von 10% oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete erlaubt. Damit garantiert der Senat seinen Unternehmen einen deutlichen Mietsprung von 20% bei der Wiedervermietung von Wohnungen ohne Belegungsbindungen. Durch das Ende des Mietendimmers dürften die Mieten der LWU künftig wieder stärker an allgemeine Entwicklung des Mietspiegels herangeführt werden.

Als vermeintlichen Ausgleich für die neuen Mieterhöhungsmöglichkeiten passt der Senat auch die Regelungen für Härtefälle an. Bislang sahen diese vor, dass Haushalte maximal 30% ihres verfügbaren Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete aufwenden sollten. Diese Grenze wird nun auf 27% herabgesetzt. Steigt die Wohnkostenbelastung über diesen Wert, können Mieter/innen einen Antrag auf eine reduzierte Miete stellen. Gleichzeitig weitet der Senat die Einkommensgrenzen für Anspruchsberechtigte deutlich aus. Künftig können Mieter/innen mit einem Einkommen von bis zu 120% der Bundeseinkommensgrenzen für einen Wohnberechtigungsschein (WBS 220) einen Härtefall geltend machen. Für einen Ein-Personen-Haushalt entspricht das einem Nettoeinkommen von 2.200 Euro im Monat. 

Die Hürden, um in den Genuss der Härtefallregelung zu kommen, sind jedoch offensichtlich zu hoch. Ähnlich wie bei anderen Subjekthilfen, wie dem Wohngeld, müssen Mieter/innen selbst aktiv werden, um eine Mietreduzierung zu erhalten und dafür ihre Einkommensverhältnisse gegenüber ihrem Vermieter offenlegen. Laut Bericht zur Kooperationsvereinbarung kam es im Jahr 2021 lediglich in 66 Fällen zu Mietreduzierungen. 

Die Anpassung der Härtefallregelung ist ein wichtiger symbolischer Schritt des Senats, um für eine vermeintlich  „gerechte“ Wohnkostenverteilung unter den Mieter/innen im öffentlichen Wohnungsbestand zu sorgen. Haushalte mit größeren Einkommen sollen demnach auch mehr Miete bezahlen. In der Praxis haben die Regelungen bislang jedoch kaum für Entlastungen gesorgt, und so dürften die angekündigten Mieterhöhungen gerade ärmere Haushalte besonders treffen. Das gilt auch für die neuen Vorgaben für die Wiedervermietung sowie den Neubau bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen. In beiden Fällen bleiben zwar die bisherigen Quoten gleich: 63% aller freiwerdenden Wohnungen sollen an WBS-berechtigte Haushalte vergeben werden und 50% der neu gebauten Wohnungen sollen gefördert und damit mietpreis- und belegungsgebunden errichtet werden. 

Jedoch verschiebt der Senat die Einkommensgrenzen innerhalb der Sozialquoten mit der neuen Kooperationsvereinbarung deutlich nach oben. Bisher waren diese Wohnungen ausschließlich Haushalten mit einem geringen Einkommen bis maximal 40% über den WBS-Grenzen vorbehalten. Dadurch wurden zwischen 2017 und 2021 insgesamt knapp 46.750 Wohnungen aus dem landeseigenen Wohnungsbestand an Mieter/innen mit geringen Einkommen vermietet, die aufgrund der starken Mietsteigerungen auf dem freien Wohnungsmarkt und dem sinkenden Sozialwohnungsbestand ansonsten kaum noch Chancen haben, sich mit leistbarem Wohnraum zu versorgen.  

Weniger Wohnungen für Arme

Künftig soll 40% dieser Wohnungen an WBS-berechtigte Mieter/innen mit mittleren Einkommen bis WBS 220 vergeben werden. Gegenüber 2017 haben damit knapp 300.000 mehr Haushalte Anspruch auf belegungsgebundene Wohnungen bei den LWU, während die Zahl der jährlichen Wiedervermietungen nahezu stagniert. Beim kommunalen Neubau sollen nur 25% der Wohnungen im ersten Förderweg für Haushalte bis WBS 140 und 25% in zweiten und dritten Förderweg für Haushalte bis WBS 180 bzw. WBS 220 errichtet werden. Um der Einkommensentwicklung seit 2017 tatsächlich nahezukommen, wäre eine Anhebung der Einkommensgrenzen auf WBS 180 statt WBS 220 oder eine Ausweitung der Sozialquoten für Neubau und Wiedervermietung angemessen gewesen. 

Mit der neuen Kooperationsvereinbarung werden die öffentlichen Wohnungsbestände wieder stärker für Haushalte mit mittleren Einkommen geöffnet, während sich das Wohnungsangebot für die ärmsten Haushalte sowohl bei der Wiedervermietung als auch beim Neubau nahezu halbiert. Die wachsenden Schuldenstände bei den LWU und die großen Herausforderungen beim kommunalem Neubau sollen künftig durch höhere Mieteinnahmen aus dem Bestand und steigenden Mieten im freifinanzierten Wohnungsbau von durchschnittlich 15 Euro/qm kompensiert werden. 

Auch für die anstehenden energetischen Modernisierungen müssen Mieter/innen bei den LWU künftig tiefer in die Tasche greifen. Die neue KoopV erlaubt eine Umlage der Modernisierungskosten von bis zu zwei Euro/qm statt wie bisher maximal 6%. Damit erhalten künftig wieder marktwirtschaftliche Elemente verstärkt Einzug in die Bewirtschaftung der öffentlichen Wohnungsbestände. 

Es ist jedoch offen, wie lange sich diese Strategie angesichts der immens gestiegenen Kosten für Bauleistungen und energetische Modernisierung mit der Bezahlbarkeit des öffentlichen Wohnungsbestands für breite Schichten vereinbaren lässt. Insofern könnte die neue Kooperationsvereinbarung nur der erste Schritt sein, um die LWU allmählich wieder zu „ganz normalen“ Marktakteuren zu entwickeln. Jedenfalls solange sich dagegen kein wahrnehmbarer Widerstand regt.    


MieterEcho 437 / Dezember 2023

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