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MieterEcho 429 / Januar 2023

Wenn Energie zum Luxus wird

Internet-Ratgeber sollen Betroffene durch das Labyrinth der Energiebeihilfen leiten

Von Heiko Lindmüller

Die sprunghaft gestiegenen Heiz- und Stromkosten stellen für viele Haushalte eine sehr hohe Belastung oder gar eine existenzielle Bedrohung dar. Die Bundesregierung hat darauf mit einem für die „einfachen Bürger/innen“ nur schwer zu durchschauenden Konglomerat aus Einmalzahlungen, Preisdeckeln und haushaltsbezogenen Beihilfen reagiert, mit sehr unterschiedlichen Regelungen für die einzelnen Betroffenengruppen. Das Land Berlin hat zudem einen „Härtefallfonds“ eingerichtet, der ergänzend zu den Bundesprogrammen wirken soll. Mit diesen Hilfepaketen soll vor allem einer befürchteten großen sozialen Protestwelle weitgehend der Wind aus den Segeln genommen werden.    


Einmalige Energiebeihilfen in Höhe von bis zu 300 Euro haben bereits Berufstätige, Rentner sowie Grundsicherungs- bzw. Bürgergeldbeziehende erhalten. Studierende und Fachschüler/innen sollen ebenfalls bedacht werden, müssen dafür aber ab Januar einen entsprechenden Antrag stellen.

Natürlich reichen diese Einmalhilfen keineswegs aus, um die Preisexplosion bewältigen zu können. Bei Grundsicherung und Bürgergeld gilt laut Gesetz, dass die Heizkosten vom Jobcenter oder Sozialamt „in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen“ übernommen werden, wenn sie „angemessen“ sind. Man kann dafür einen „Antrag auf Übernahme der Heizkosten“ stellen.

Bei den Stromkosten sieht es anders aus, denn diese sind im Regelbedarf enthalten. So sind für Alleinstehende 40,73 Euro an Stromkosten vorgesehen. Wenn das nicht reicht, kann ein „Antrag auf einen Härtefallmehrbedarf für die hohen Stromkosten“ gestellt werden. Wenn die Betroffenen mit Nachzahlungsaufforderungen von Stromanbietern konfrontiert werden, besteht die Möglichkeit, eine Ratenzahlung oder ein Darlehen mit den jeweiligen Behörden zu vereinbaren. Ist bereits eine Stromsperre erfolgt und sind alle anderen Möglichkeiten erschöpft, kann ein Antrag auf eine Schuldenübernahme beim Jobcenter bzw. Sozialamt gestellt werden.

Viele Gruppen haben Anspruch  

Angestellte, Selbständige, Beziehende von Arbeitslosengeld I oder Krankengeld, Schüler/innen und Auszubildende mit eigenem Haushalt können ebenfalls die Übernahme von Nachforderungen bei der Heizkostenabrechnung oder entsprechenden Kosten zur Brennstoffbeschaffung beantragen, auch wenn sie bisher keine Leistungen vom Jobcenter bezogen haben. Und das auch bis zum Ende des dritten Monats nach der Fälligkeit. 

Auch Bezieher/innen von Wohngeld oder Kinderzuschlägen sowie Rentner/innen haben einen Anspruch auf aufstockende Leistungen vom Jobcenter, der aber individuell geprüft und berechnet wird. Kompliziert wird es bei Studierenden, wo es unterschiedliche Regelungen gibt, je nachdem, ob man Bafög bezieht oder nicht, und ob man im eigenen oder im elterlichen Haushalt lebt.

Anders sieht es beim Strom aus. Betroffene sind zunächst angehalten, mit dem Stromanbieter Ratenzahlungen für Nachzahlungen zu vereinbaren. Nur in Härtefällen, etwa bei drohenden oder bereits erfolgten Stromsperren, können Betroffene, die keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben, entsprechende Anträge auf Schuldenübernahme beim örtlichen Sozialamt stellen. Als letzten Rettungsanker gibt es dann schließlich ab Januar noch den Berliner „Härtefallfonds“.

Für eine zumindest teilweise Entlastung könnte der „Energiepreisdeckel“ sorgen, der für Gas, Fernwärme und Strom gelten soll, und eine Preisgrenze für den Großteil des individuellen Verbrauchs festlegt. Bei Gas können Mieter/innen in Wohnungen mit Sammelheizungen davon aber erst bei der nächsten Heizkostenabrechnung profitieren, also 2024. Und für Ölheizungen gibt es keinen Preisdeckel. Dieser kurze Abriss verdeutlicht, wie kompliziert der Weg durch den Dschungel der Energiebeihilfen ist.

 

Ratgeberseite des Erwerbslosenvereins Tacheles e.V. und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes mit vielen Informationen und Musteranträgen an Jobcenter und Sozialämter sowie Hinweise auf Beratungsstellen: www.energie-hilfe.org

Schritt-für-Schritt-Anleitung der Zeitschrift „analyse & kritik“, wie man sich mit Nachbar/innen organisieren kann: www.akweb.de/bewegung/sozialproteste-mieter-organizing-was-tun-wenn-die-nebenkosten-explodieren/

Weitere nützliche Tipps finden Sie auch unter nachstehenden Quellen:
Informationen der Bundesregierung zu den Entlastungspaketen
www.bundesregierung.de/breg-de/themen/entlastung-fuer-deutschland
Energiekrise und Inflation: Entlastung für Studierende
www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/2022/09/energiekrise-hilfe-fuer-studierende.html
Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner
www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/FAQ/energiepreispauschale/energiepreispauschale_liste.html

Antwort auf viele Ihrer Fragen erhalten Sie auch bei der telefonischen Sozialberatung (kein Mietrecht) der Berliner MieterGemeinschaft, dienstags von 10 bis 13 Uhr unter der Telefonnummer 030 - 21 00 25 71. Bitte bereiten Sie Ihre telefonische Konsultation vor, indem Sie sich vor der Beratung Notizen zu Ihren wesentlichen Fragen machen.


MieterEcho 429 / Januar 2023