Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 430 / Februar 2023

Vom Grauen des Krieges

Seit 1998 hat das traditionsreiche Berliner Anti-Kriegs-Museum seinen Standort im Wedding

Von Rainer Balcerowiak

In der Brüsseler Straße befindet sind unweit der Einkaufsmeile Müllerstraße ein kleines Museum mit großer Geschichte. Das „Anti-Kriegs-Museum“ wurde als weltweit erstes seiner Art 1925 von dem anarchistischen Pazifisten Ernst Friedrich in der Parochialstraße in Berlin-Mitte eröffnet. Friedrich, der den Kriegsdienst im 
Ersten Weltkrieg verweigert und später einige antimilitaristische Bücher veröffentlicht und Ausstellungen – unter anderem mit Heinrich Zille und Käthe Kollwitz – organisiert hatte, wollte vor allem jungen Menschen mit den Gräueln des Krieges konfrontieren.


Schon früh war das Museum den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Eingeschlagene Scheiben und beschmierte Fassaden waren keine Seltenheit. Nach der Machtergreifung der NSDAP kam Friedrich ins Gefängnis und konnte nach seiner Entlassung das Land verlassen. Die Museumsräume wurden zeitweilig von der SA als Folterkeller genutzt. Auch im Exil blieb Friedrich seiner Mission treu und gründete unter anderem in Brüssel und in Frankreich derartige Museen. 

Während Friedrich nach mehreren Zwischenstationen in Frankreich blieb, wurde seine Familie in England aufgenommen. Sein dort geborener Enkel Tommy Spree kehrte später nach Berlin zurück und arbeitete nach Abitur und Studium als Lehrer für Englisch, Geschichte und Sport. Spree nahm die Fackel seines Großvaters auf und gründete an dessen 15. Todestag 1982 ein neues Anti-Kriegs-Museum. 

Das befand sich zunächst in der Stresemannstraße, bevor es sich 1984 im Wedding niederließ. Nach mehreren Umzügen fanden Spree und seine Mitstreiter 1998 schließlich ihr endgültiges Domizil in der Brüsseler Straße. Dem Museumsverein wurde es durch eine größere Erbschaft möglich, die in einem großen Ladenlokal befindlichen Räumlichkeiten zu erwerben, vor Verdrängung ist man also geschützt.

Bis zu 5.000 Besucher pro Jahr

Was diesen Standort so einzigartig macht, ist der gut erhaltene Luftschutzkeller, in dem mit zahlreichen, mühevoll restaurierten Ausstattungsgegenständen und originalen Toneinspielungen aus den Bombennächten die brutale Realität des Krieges erlebbar gemacht wird. In den oberen Räumen, zu denen auch eine Bildergalerie gehört, schildern zahlreiche Exponate – von der Handgranate bis zur Gasmaske – sowie viele Dokumente das strukturelle Grauen des Krieges und auch die Antikriegsbewegungen der verschiedenen Epochen. Dazu kommen temporäre Sonderausstellungen. Besonders für Gruppen gibt es auch einführende Videopräsentationen in vielen Sprachen.

Bis zu 5.000 Besucher hat das Museum pro Jahr. Darunter viele Schulklassen, auch aus dem Ausland. Man unterhält zahlreiche Verbindungen zu Antikriegs-Projekten in der ganzen Welt, u.a. nach Nagasaki. Getragen wird es von einem Verein und derzeit 21 aktiven ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen, darunter viele ehemalige und noch aktive Lehrer/innen. Das Museum nimmt keine öffentlichen Fördermittel in Anspruch. Politisch ist man auf Landes- und Bezirksebene gut vernetzt, vor allem von Seiten der SPD gab und gibt es viel Unterstützung.

Über dem Eingang prangt in der Brüsseler Straße eine Nachbildung der Skulptur „Das zerbrochene Gewehr“, einem der weltweit berühmtesten Symbole der pazifistischen Bewegung, das auch von Ernst Friedrich im ersten Anti-Kriegs-Museum verwendet wurde. Doch im Gespräch mit seinem Enkel Tommy Spree wird deutlich, dass dieser radikalpazifistische Ansatz für ihn in Bezug auf den Krieg in der Ukraine nicht mehr gilt. Er teilt vielmehr die Narrative von der „westlichen Wertegemeinschaft“, die in der Ukraine gegen eine russische Aggression verteidigt werden müssten und befürwortet auch die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Dass die Vorgeschichte dieses Krieges vor allem von einer aggressiven Ausweitung der NATO in Richtung Osteuropa geprägt war, stellt er in Abrede, da die betroffenen Ex-Sowjetrepubliken und Warschauer Pakt-Staaten das so gewollt hätten.

Das sind verstörende Aussagen, die so gar nicht zu den Intentionen seines Großvaters und Gründers des ersten Anti-Kriegs-Museums passen. Das wirft auch einen Schatten auf die Arbeit dieses Museums. Dennoch lohnt sich ein Besuch der eindrucksvollen Ausstellungsräume und vor allem des Luftschutzkellers. 

 

Anti-Kriegs-Museum
Brüsseler Straße 21 / Täglich von 16-20 Uhr geöffnet. Gruppenbetreuung nach Anfrage.
www.anti-kriegs-museum.de


MieterEcho 430 / Februar 2023

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

Email: me(at)bmgev.de

Ferienwohnungen

Unsere Umfrage

Falls sich eine oder mehrere Ferienwohnung(en) in Ihrem Haus befinden, berichten Sie uns davon und schildern Sie Ihre Erfahrungen in unserer Online-Umfrage.