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MieterEcho 432 / Mai 2023

Spekulation lohnt sich

Steuerprivilegien heizen den Wohnungsmarkt an

Von Julia Jirmann

In Großstädten explodieren die Mieten, während leistungslose Vermögenszuwächse Superreicher auf Immobilienmärkten kaum besteuert werden. Die umfangreichen Steuerprivilegien im Immobiliensektor begünstigten die Anhäufung von Wohneigentum in den Händen weniger Menschen sowie Unternehmen. Die Folge der Privilegien: Hohe Immobilienpreise und hohe Mieten.

Nicht nur die hohe Nachfrage nach Wohnraum und Wohneigentum in den Ballungsräumen und die Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre haben den Immobilienmarkt angeheizt. Zusätzlich machen umfangreiche Steuerprivilegien Investitionen in Immobilien attraktiver als alternative Finanzanlagen und führen zu Fehlanreizen und Verzerrungen des Marktes.

Die Privilegien bei der Immobilienbesteuerung sind zahlreich: Es gibt sie sowohl beim Kauf, bei der Vermietung, beim Verkauf, als auch beim Nachlass. Wer in Deutschland eine Immobilie kauft, zahlt dabei in der Regel Grunderwerbsteuer. Einige, vor allem große Akteure umgehen diese Steuer allerdings, indem sie zunächst nur Anteile von höchstens 90% an einer Gesellschaft erwerben, in der die Immobilie eingelegt ist. Die übrigen 10% können nach Ablauf einer 10-jährigen Frist erworben werden, ohne dass die Steuer anfällt. Von diesem Privileg für sogenannten Share-Deals profitierte etwa Vonovia beim Kauf der Deutsche Wohnen.

Eine weitere Ausnahmeregelung betrifft die Mieteinnahmen. Wer seine Immobilien in eine Kapitalgesellschaft einlegt, die lediglich vermögensverwaltend tätig ist, muss keine Gewerbesteuer auf die Mieteinkünfte zahlen. Grund dafür ist eine alte Steuerregel: die sogenannte „erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer“. Es fallen somit lediglich Körperschaftsteuern und Solidaritätszuschlag an.

Steuerfreie Wohnungsverkäufe 


Viele Hochvermögende sparen diese niedrig besteuerten Gewinne dann steuerfrei in ihrer Holding-Gesellschaft an und profitieren von weiteren großzügigen Regeln, zum Beispiel bei den Abschreibungen. Nach unseren Berechnungen im Jahrbuch Steuergerechtigkeit 2023 zahlt der typische deutsche Mustermillionär auf seine jährlichen Einkünfte aus Vermietung effektiv gerade einmal 12% Steuern. Damit werden auf die Vermietungseinkünfte deutlich weniger Steuern fällig als auf andere gewerbliche Tätigkeiten oder auf ein durchschnittliches Arbeitseinkommen.

Für Privatpersonen, die nicht gewerblich vermieten, gibt es noch einen weiteren Grund, warum sich eine Investition in Immobilien lohnen kann: Wer vor zehn Jahren eine günstige Immobilie gekauft hat, kann sie jetzt mit den enormen Wertsteigerungen der letzten Jahre völlig steuerfrei verkaufen – die selbst bewohnte Immobilie sogar schon nach drei Jahren. Und das, obwohl er zehn Jahre lang hypothetische Wertverluste in Form von Abschreibungen oder tatsächlichen Erhaltungsaufwand steuermindernd geltend gemacht hat. So wird aus einem hohen leistungslosen Gewinn aus steuerlicher Sicht ein Verlust. Wer etwa alternativ sein Geld in Aktien anlegt und dabei Verkaufsgewinne erzielt, muss darauf rund 26% Steuern zahlen.

Bei der Erbschaftsteuer gibt es ein besonders absurdes Privileg: Wer in Deutschland drei Wohnungen erbt oder geschenkt bekommt, zahlt Erbschaftsteuer, wer 300 erhält, kann sich befreien lassen. Ein Wohnungsbestand von mindestens 300 Wohnungen gilt einer Regelung des Bundesfinanzministeriums zufolge pauschal als Betriebsvermögen, das bei der Erbschaftsteuer verschont werden kann. Das höchste deutsche Steuergericht hat dieses Vorgehen zwar als nicht vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, allerdings wendet die Finanzverwaltung das Urteil nicht an.

Die massiven Steuerprivilegien auf dem Wohnungsmarkt locken also das Kapital von Hochvermögenden. Neben den gesamtwirtschaftlich schädlichen Fehlanreizen und Marktverzerrungen befeuern diese Steuerregeln die soziale Ungleichheit. Immobilien machen etwa drei Viertel des gesamten Vermögens aus. Und das ist in Deutschland extrem ungleich verteilt: Während von den reichsten 10% der Bevölkerung 92% Mietimmobilien besitzen, sind dies bei den unteren 20% nur 2%.

Zudem ist die Konzentration von vermieteten Immobilien extrem: 96% gehören dem oberen Drittel. Von den umfangreichen Privilegien im Immobiliensektor profitieren somit vor allem die oberen Schichten. Eine Steuerreform im Immobiliensektor würde sich somit auch auf die Verteilungsgerechtigkeit auswirken.

 

Julia Jirmann ist als Referentin für Steuerrecht beim Netzwerk Steuergerechtigkeit tätig.
www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de


MieterEcho 432 / Mai 2023