Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 434 / Juli 2023

Mieter/innen fragen – wir antworten

Fragen und Antworten zum Mietspiegel 2023

Von Rechtsanwalt Marek Schauer

Der neue Mietspiegel 2023 ist nun veröffentlicht worden. Die Werte in der Tabelle steigen um 5,4% durchweg – es hätte schlimmer kommen können, oder?

Bestimmt, aber das ist kein Argument für den Zustand jetzt. Die Berliner Regierung war nicht in der Not, einen Mietspiegel zu veröffentlichen, nachdem sich die Erstellung verzögerte (MieterEcho Nr. 431/April 2023). Gerade in der aktuellen Zeit des Preisanstiegs wäre sozial angemessen gewesen, die Mietwerte des Mietspiegels 2021 beizubehalten. Zumal die überwiegende Zahl der Richter/innen diesen Mietspiegel anerkannte und mit ihm arbeitete. Das hätte die Mieter/innen, die schon alle möglichen Preissteigerungen mitmachen müssen vor einer Steigerung des Mietpreises bewahrt. Es wäre auch möglich gewesen, den Index, also den Faktor, mit dem die Mietwerte multipliziert wurden, deutlich unter 5,4% anzusetzen. Die Chance hat man leider zugunsten der Veredelung des Geschäfts mit den Wohnraummieter/innen verstreichen lassen.

Das leuchtet natürlich ein – wird meine Miete jetzt automatisch um 5,4% erhöht?

Das nicht. Natürlich braucht es eine klassische Mieterhöhungsforderung des Vermieters, wie Sie diese sicher aus der Vergangenheit schon kennen oder auch nicht, dann herzlichen Glückwunsch. Sollte eine solche Mieterhöhung kommen, gehen Sie alsbald in eine unserer Beratungsstellen, damit wir prüfen können, ob Sie zustimmen müssen oder nicht.

Der neue Mietspiegel 2023 ist ein sogenannter einfacher Mietspiegel – was heißt das?

Der Berliner Mietspiegel wurde in der Vergangenheit als sogenannter qualifizierter Mietspiegel erstellt. Das bedeutet, dass er nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden erstellt wurde. Mittlerweile sind die Überlegungen, was das sein sollte, in Gesetzesform (Mietspiegelverordnung) gegossen worden. 

Wenn jedenfalls ein Mietspiegel qualifiziert erstellt wurde, dann kam ihm eine besondere gesetzliche Bedeutung zu. Es galt die „Vermutung“ –  so sagen die Juristen –, dass er die „ortsübliche Vergleichsmiete“ abbildet und damit Maßstab für ein Mieterhöhungsverlangen eben mit Hilfe eines Mietspiegels ist. Wenn Vermieter nun meinten, dass die von Ihnen verlangte Miete über dem Mietspiegel zu sein habe, dann mussten sie schon schwere argumentative Geschütze auffahren, um den Mietspiegel als unqualifiziert abzuräumen und ihre Fantasiemiete durchzusetzen. 

Lange Rede – aber die war notwendig: Der Mietspiegel 2023 ist im Unterschied zum vorgenannten qualifizierten Mietspiegel ein einfacher Mietspiegel. Er hat also nicht die anerkannten wissenschaftlichen Methoden im Rücken, die die Mietwerte quasi wie ein Gesetz im Raume stehen lassen.

Wie bitte? Sind die neuen Werte dann also irgendwie ausgedacht und gar nicht rechtssicher?

Nein, die Werte stellen die ortsübliche Vergleichsmiete genau so dar wie bei einem qualifizierten Mietspiegel. Allerdings sind sie vergleichsweise nicht so in „Stein gemeißelt“. Wie Sie ja schon sehen, ist hier der Mietspiegel 2021 insofern fortgeschrieben worden, als dass die dortigen Werte mit einem Faktor, welcher die Preissteigerungen der letzten zwei Jahre abbildet, angepasst wurden. Das ist keine klassische Erhebung mit Befragung der Mieter/innen und Vermieter zu den Miethöhen mit entsprechenden wissenschaftlichen Modifikationen, die nun in der Mietspiegelverordnung nachzulesen sind. Das wäre aber Voraussetzung für einen qualifizierten Mietspiegel. Das wäre sagen wir mal „Kür“ der Mietspiegelerstellung und was wir jetzt haben, das ist die Pflicht. Das sind auch an sich rechtssichere Werte, insbesondere, wenn sich die Vermieter an den Mietspiegel binden. Falls nicht, haben sie aber auch einen Aufwand zu betreiben, um den Mietspiegel zu kippen und wir vermuten stark, dass dies nicht geschehen wird. Vielmehr werden die Vermieter die 5,4% auf die Nettomiete mitnehmen und auf den Mietspiegel 2024 mit der umfassenden Erhebung der Mieten warten.

Das klingt plausibel, aber sagen Sie doch nun einmal: Ändert sich etwas bei dem klassischen vorgerichtlichen Mieterhöhungsverfahren?

Nein, der Vermieter muss bei einer Mieterhöhung mit Bezugnahme auf den Mietspiegel 2023 nach wie vor den Erhöhungsbetrag oder die neue Miete benennen und – wichtig – die Einordnung in den Mietspiegel 2023 vornehmen. Der Vermieter hat im Rahmen der Begründung eine Einstufung der Wohnung, etwa innerhalb einer tabellarischen Auflistung, vorzunehmen, die schlichte Bezugnahme auf den Mietspiegel reicht nicht aus. Zwar muss er den konkreten Mietspiegelwert nicht nennen, aber er muss die Angaben zur Einordnung der Wohnung in den Mietspiegel, auf die er sein Erhöhungsverlangen stützt, mitteilen, damit Sie erkennen können, wie er die Wohnung in den Mietspiegel eingruppiert hat. Das werden Vermieter teilweise anders sehen, aber die – auch neuere – Rechtsprechung ist da recht klar. Wenn es sich Vermieter daher leicht machen wollen und lediglich die Erhöhung mit allgemeinem Bezug auf den Mietspiegel 2023 fordern, kann die Mieterhöhung bereits unwirksam sein. Wie gesagt: Zögern Sie nicht, das von uns in den Beratungsstellen prüfen zu lassen.

Was ist zur Ausstattung der Wohnung vom Vermieter mitzuteilen wegen der Spanneneinordnung?

Ein wichtiger Punkt. Erstmal so viel vorweg: Die sogenannte Spanneneinordnung, welche die Ausstattung der Wohnung abbildet, hat sich nicht geändert im Verhältnis zu 2021. Wenn Sie also eine Mieterhöhung bekommen, dann ist für die Spanne in Ihrem Mietspiegelfeld – vom untersten Mietwert bis zum obersten – enorm wichtig, wie die Wohnung ausgestattet ist. Hier können Sie wichtige „Punkte“ machen, weil der Vermieter regelmäßig die eigene Wohnung nicht kennt und daher völlig falsch einordnet. Zudem sind die Ausstattungsmerkmale, die Sie selbst eingebracht haben, zum Beispiel eine Spüle in der Küche oder gar die Elektrik und die Heizung, negativ für den Vermieter. Dadurch verschiebt sich die Miete nach unten zu Ihren Gunsten. Lassen Sie uns das daher in der Mieterberatung genauestens prüfen, was wir hier für Sie in Stellung bringen können.

Der Vermieter muss aber keine Angaben zur Spanneneinordnung machen. Manchmal tut er es doch, dann sieht man recht eindeutig, dass er meint, eine Luxuswohnung zu haben. Faktisch ist es aber der Mangelmoloch, für den Sie viel zu viel Miete zahlen und noch mehr zahlen sollen. Wir gehen damit taktisch um. Denn wir müssen unsere Erkenntnisse dem Vermieter auch nicht mitteilen und prüfen dann anhand Ihrer Angaben, ob Sie zustimmen müssen (leider …) oder nur eine Teilzustimmung oder gar keine solche abgeben müssen.

Mal abgesehen vom Mietspiegel selbst: Kann der Vermieter die Miete auch anders erhöhen?

Ja, das konnte er vorher allerdings auch schon zu Zeiten der qualifizierten Mietspiegel. Es bestand stets die Möglichkeit, sich auch auf ein privates Sachverständigengutachten oder Vergleichswohnungen zu beziehen. Wichtig: Da wir jetzt keinen qualifizierten Mietspiegel haben, muss der Vermieter – wenn er auf Vergleichswohnungen oder ein Sachverständigengutachten Bezug nimmt – keinen Hinweis mehr auf den Mietspiegel zusätzlich machen. 

Aber: Wir gehen davon aus, dass die Vermieter diese Wege nicht wählen. Ein privates Sachverständigengutachten ist teuer und der Ausgang eines möglichen Gerichtsverfahrens in diesen Fällen offen. Das zuletzt genannte Prozessrisiko ist bei Vergleichswohnungen ebenfalls nicht ohne und auch diese Fälle sind im Gerichtsprozess selbst oft nicht ohne einen – dann gerichtlichen –  Sachverständigen abzuklären. Der Mietspiegel ist in Sachen prozessualer Anwendung einfach auch für Vermieter besser in der Geschäftskalkulation. Von daher gehen wir aktuell nicht von einer Änderung in der Praxis aus und das bestätigen auch die Berater/innen in den Beratungsstellen für die Zeit vor dem verspäteten Ergehen des Mietspiegels 2023. 

Ich habe schon vor zwei Monaten ein Mieterhöhungsverlangen vom Vermieter nach dem Mietspiegel 2021 bekommen. Der Berater sagte: Nicht zustimmen, das Mieterhöhungsverlangen ist nicht begründet – viel zu hoch. Ändert sich nun was mit dem neuen Mietspiegel 2023?

Die Frage ist wirklich wichtig: Es kann sein, muss aber nicht. Gehen Sie vorsorglich nochmal in die Beratung. Der neue Mietspiegel hat – wie die vorherigen – einen Stichtag. Den 1. September 2022. Zwar wurden dort – wie gesagt – keine Mieten erfragt, aber dort hat man die Berechnung vorgenommen. Mieterhöhungen, die nach dem Stichtag gültig werden sollten, können also jetzt der Höhe nach korrekt sein, auch wenn sie es vorher nach der Berechnung mit dem Mietspiegel 2021 nicht waren und der Berater zu Recht von einer Zustimmung abriet. 

Die gute Nachricht ist: Es können ja nur maximal 5,4% oben drauf kommen. Und wichtig ist auch: Wegen der Nichtzustimmung zur Mieterhöhung kann man nicht gekündigt, sondern allenfalls verklagt werden auf Zustimmung zur höheren Miete – wir unterstützen Sie hier gerne, aber raten nochmals, in so einem Fall in die Beratung zu kommen.  

Was bedeutet das mit der Kappungsgrenze in Höhe von 15%?

Das heißt, dass die Netto- oder Bruttomiete in Berlin nach dem Mietspiegel maximal 15% innerhalb von drei Jahren erhöht werden darf. Das ist neben dem Mietspiegel eine Art zweite Grenze der Mieterhöhung. Insbesondere, wenn Sie eine sehr geringe Miete unterhalb der gültigen Mietspiegelmiete haben, kann der Vermieter natürlich einen größeren Schluck aus der Pulle nehmen, aber eben maximal nur 15% innerhalb von drei Jahren. Falls er mehr verlangt, müssen Sie auch maximal nur auf 15% teilzustimmen – sofern der Mietspiegel nicht wie gesagt schon vorher eine Grenze der Erhöhung zieht.

Ist Ihr Vermieter ein städtisches Wohnungsunternehmen, gelten darüber hinaus die Regelungen der auf der Grundlage des Berliner Wohnraumversorgungsgesetzes (WoVG Bln) getroffenen Kooperationsvereinbarung „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“ vom April 2017 in Verbindung mit den nachfolgenden Ergänzungsvereinbarungen. Lassen Sie sich beraten.

Ich habe eine sogenannte Bruttomiete, also die Betriebskosten sind in meiner Miete enthalten.  Jetzt kommt der Vermieter mit der Erhöhung einer Nettokaltmiete und Betriebskosten, der ich zustimmen soll. Kann das sein?

Gut, dass Sie fragen! Diese Frage kommt immer wieder. Wer hier bedenkenlos zustimmt, läuft nicht nur Gefahr, eine überhöhte Miete zu akzeptieren, sondern vergibt auch die sehr vorteilhafte Mietstruktur der Bruttomiete. Mit der Bruttomiete wachsen nämlich nicht die bereits eingepreisten Betriebskosten, sondern allenfalls die Nettomiete nach dem Mietspiegel.Zu Ihrer Frage: Wenn Sie so eine Erhöhung bekommen, sagen die Gerichte, dass Sie einer derart unvorteilhaften Umstellung der Mietstruktur nicht zustimmen müssen und die Mieterhöhung unwirksam ist. Lassen Sie sich vorsorglich jedoch bei uns dazu genau anhand Ihres Falles beraten.

Gut, der Mietspiegel 2023 hat aber auch noch eine andere Funktion, nämlich bei der Mietpreisbremse!?

Korrekt. Wenn Sie einen Mietvertrag ab dem oben genannten Stichtag des Mietspiegels 2023 geschlossen haben und der Vermieter wieder eine Fantastillionenmiete verlangt, dann zögern Sie nicht, eine Mietabsenkung vorzunehmen. Das geht mit der Mietpreisbremse und ist recht einfach. Die Faustformel ist: Wenn der Vermieter mehr als Mietspiegel + 10% nimmt, dann können Sie die Miete genau darauf herabsenken. Das muss man dann nur rügen und gegebenenfalls per Klage durchsetzen. Das lohnt sich und kann die Nettomietkosten teilweise um mehr als die Hälfte senken. Vermieter werden jetzt mit dem Hinweis darauf, dass der Mietspiegel „nur einfach“ ist, versuchen, Ihr Begehren abzuschmettern. Teilweise werden auch wilde Vorträge gehalten, was für eine tolle Wohnung Sie haben und dass die Mietpreisbremse daher nicht gilt. Alles oftmals Schnickschnack. Lassen Sie sich da nicht abhalten. Wir beraten Sie so smart, dass Sie über Ihre Chancen und Risiken genau Bescheid wissen und die Wohnung behalten und sich sogar leisten können.

Das hat mir schon alles sehr geholfen. Ich habe jetzt noch eine Frage zu dieser Indexmiete – was ist das und hat das auch was mit dem Mietspiegel zu tun?

Erst einmal nicht. Die Indexmieten sind aktuell in den Blickwinkel gekommen, weil diese wegen der Inflation neue Erhöhungsspielräume für die Vermieter eröffnen. Diese Mietverträge sind an den statistischen Verbraucherpreisindex gebunden. Und der ist durch die aktuelle Weltlage stark gestiegen.  Dadurch können Mieterhöhungen von über 10% zustande kommen. Es ist schon verrückt: Da herrschen Krisen auf der Welt, die man als Mieter/in gar nicht bestellt hat und wegen dieser können Mieten, die bisher jährlich mit 1 – 2% erhöht werden konnten, auf einmal um das 5fache angepasst werden. Ärgerlich, wenn man so einen Vertrag hat.

Wir prüfen diese Mieterhöhungen aber genau und manchmal ist es so, dass die Klausel zur Indexvereinbarung unwirksam ist. Dann gilt wieder der Mietspiegel, der unter aktuellen Bedingungen wohl vorteilhafter sein dürfte. Sollte die Klausel leider wirksam sein, prüfen wir die Erhöhung freilich auch inhaltlich in der Berechnung.

Und nochmals der Tipp:

Niemals aufgeben und lesen Sie gerne mehr in unserer Infoschrift zum Thema.

 

Rechtsanwalt Marek Schauer berät in unserer Beratungsstelle Sonnenallee 101 in Berlin-Neukölln.


MieterEcho 434 / Juli 2023

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

Email: me(at)bmgev.de

Ferienwohnungen

Unsere Umfrage

Falls sich eine oder mehrere Ferienwohnung(en) in Ihrem Haus befinden, berichten Sie uns davon und schildern Sie Ihre Erfahrungen in unserer Online-Umfrage.