Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 430 / Februar 2023

Mieter/innen fragen – wir antworten

Fragen und Antworten zur Kündigung wegen Eigenbedarfs

Von Rechtsanwältin Daniela Rohrlack

Meine Wohnung wurde verkauft. Der Käufer hat sich bereits bei mir vorgestellt und mir schon mitgeteilt, dass er die Wohnung selbst nutzen will. Muss ich mich jetzt schon nach einer neuen Wohnung umschauen?

Nein, das wäre verfrüht. Denn die bloße Mitteilung, dass eine Kündigung beabsichtigt ist, stellt rechtlich noch keine Kündigung dar. Sollte auf die Ankündigung nun eine Kündigung folgen, sollten Sie zudem zunächst prüfen, ob der Käufer überhaupt schon Eigenbedarf geltend machen kann. Dies ist prinzipiell erst möglich, wenn er als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wurde. Ob eine Eintragung bereits stattgefunden hat, lässt sich über das Grundbuchamt herausfinden. Sie können als Mieter/in die Einsicht in das Grundbuch problemlos beim Amtsgericht Ihres Wohnsitzes selbst vornehmen.

Der neue Vermieter hat mir jetzt eine E-Mail geschrieben und mir wegen Eigenbedarfs gekündigt. Ist die Kündigung per E-Mail überhaupt rechtens?

Nein. Eine Kündigung der Wohnung ist nach § 568 Abs. 1 BGB nur schriftlich möglich. Schriftlich bedeutet in der Regel, dass die Kündigung eigenhändig unterschrieben sein muss.

Die Kündigung per E-Mail, SMS, WhatsApp oder ähnliches erfüllt die Schriftform nur unter engen Voraussetzungen. Lassen Sie daher die Kündigung in einer unserer Beratungsstellen überprüfen.

Mein Vermieter hat die Eigenbedarfskündigung nun per Brief und unterschrieben nachgeholt und verlangt, dass ich sofort ausziehe. Gibt es hier keine Fristen?

Natürlich gibt es Fristen, die auch bei einer Eigenbedarfskündigung einzuhalten sind. Die Kündigungsfrist ergibt sich aus dem Gesetz oder bei vertraglicher Vereinbarung aus Ihrem Mietvertrag.

Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind in § 573c Abs. 1 BGB geregelt und betragen drei Monate, wenn das Mietverhältnis noch keine fünf Jahre andauert, sechs Monate, wenn das Mietverhältnis länger als fünf Jahre aber noch keine acht Jahre andauert, neun Monate, wenn das Mietverhältnis schon älter als acht Jahre ist. Ist im Mietvertrag eine längere Kündigungsfrist vereinbart, gilt diese. Ich empfehle Ihnen, die Kündigung in der Beratung prüfen zu lassen.

Ich soll in neun Monaten ausziehen, obwohl in meinem Mietvertrag eine Kündigungsfrist von 12 Monaten geregelt ist. Muss ich dem Vermieter dies mitteilen?

Sie sind nicht verpflichtet, dem Vermieter mitzuteilen, dass die Kündigungsfrist zu kurz berechnet wurde. Allerdings kann es ratsam sein, ihn trotzdem darauf hinzuweisen. Hierdurch verschaffen Sie sich mehr Zeit, da Ihr Vermieter die Kündigungsfrist nochmal überprüfen wird und bestenfalls die längere Kündigungsfrist bestätigt.

Das Kündigungsschreiben wegen Eigenbedarfs enthält als Begründung nur den knappen Satz, dass der Vermieter die Wohnung selbst bewohnen möchte. Reicht das als Begründung aus? Nein. Das Kündigungsschreiben ist so zu begründen, dass es Sie in die Lage versetzt, den Eigenbedarfswunsch nachzuvollziehen und dessen Ernsthaftigkeit zu überprüfen. Enthält das Schreiben gar keine Begründung oder floskelartige Formulierungen, ist die Kündigung unwirksam. Da die Rechtsprechung in den letzten Jahren den Maßstab des Begründungsaufwandes immer weiter heruntergesetzt hat, sollten Sie auf jeden Fall einen Beratungstermin vereinbaren und die Kündigung in einer unserer Beratungsstellen anwaltlich prüfen lassen.

Mein Vermieter hat mir wegen Eigenbedarfs gekündigt und dabei angegeben, dass er die Wohnung für seinen Patensohn benötigt. Muss er nicht selbst die Wohnung nutzen wollen?

Nein. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erlaubt dem Vermieter die Kündigung wegen Eigenbedarfs für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts. Der Eigenbedarf ist damit auch für Familienangehörige zulässig. Hierunter zählen insbesondere die sogenannten engen Familienangehörigen wie beispielsweise Eltern, Großeltern, Kinder (auch Stiefkinder), Geschwister, Neffen und Nichten, Ehegatten und eingetragene Lebenspartner/innen, Enkel und regelmäßig auch die Schwiegereltern. Für sonstige Angehörige kann Eigenbedarf nur geltend gemacht werden, wenn diese eine besondere enge Bindung zum Vermieter haben. Das muss Ihr Vermieter im Falle eines Prozesses auch beweisen. Darüber hinaus kann Eigenbedarf nur noch für Haushaltsangehörige – wie beispielsweise Pflegekinder oder Hausangestellte – geltend gemacht werden. Gehen Sie mit der Kündigung zur Beratung, die Materie ist kompliziert und bedarf gründlicher Prüfung.

Braucht mein Vermieter einen konkreten Grund, um Eigenbedarf anzumelden?

Ja, den braucht er schon. Im Gesetz ist normiert, dass der Vermieter den Wohnraum „benötigen“ muss. Es reicht daher nicht aus, dass er die Wohnung anlasslos bewohnen möchte. „Benötigen“ bedeutet allerdings nicht, dass Ihr Vermieter zwingend auf die Wohnung angewiesen sein muss. Die Rechtsprechung versteht hierunter, dass ein vernünftiger, nachvollziehbarer Grund bestehen muss. Auch wenn die Hürde für die Darlegung eines vernünftigen Grundes leider nicht besonders hoch ist, lohnt es sich dennoch, diesen zu hinterfragen. Denn nicht alles, was in der Kündigung als Grund angegeben wird, hält einer gerichtlichen Überprüfung stand. Lassen Sie sich daher unbedingt beraten, bevor Sie die Kündigung vorschnell akzeptieren.

Mein Vermieter hat meine Wohnung im Mai 2022 in eine Eigentumswohnung umgewandelt und sie dann zwei Monate später verkauft. Kann mir jetzt wegen Eigenbedarfs gekündigt werden?

Nein. Handelt es sich wie bei Ihnen um den Erstverkauf nach Umwandlung und haben Sie zum Zeitpunkt der Umwandlung dort bereits gewohnt, gilt in Berlin eine allgemeine Kündigungssperrfrist von 10 Jahren. Das bedeutet, dass Ihnen der Vermieter erst nach Ablauf dieser Frist wegen Eigenbedarfs kündigen kann. Die Sperrfrist beginnt mit der Eintragung des neuen Eigentümers in das Grundbuch. Um zu erfahren, wann eine Eintragung in das Grundbuch erfolgt ist, empfiehlt sich immer ein Blick in das Grundbuch beim Amtsgericht Ihres Wohnsitzes. Erhalten Sie nach Ablauf der Sperrfrist eine Kündigung wegen Eigenbedarfs, ist auch für diese die Kündigungsfrist einzuhalten. Der Ablauf der Sperrfrist bedeutet also nicht, dass Sie gleich ausziehen müssen.

Ich wohne in einem Milieuschutzgebiet. Bin ich hier besser vor Eigenbedarfskündigungen geschützt?

Ja. Die Länge der Sperrfrist wird anders berechnet, wenn Sie in einem sozialen Erhaltungsgebiet (Milieuschutzgebiet) wohnen. Liegt Ihre Wohnung in einem solchen Gebiet und bestand der Mietvertrag bereits vor der Umwandlung, sind Sie regelmäßig sieben plus fünf Jahre vor einer Eigenbedarfskündigung geschützt. Denn in den Milieuschutzgebieten muss eine Umwandlung vorher behördlich genehmigt werden. Die Genehmigung wird dabei nur erteilt, wenn der Vermieter sich verpflichtet, die Wohnung in den ersten sieben Jahren nach Teilung nur an die Mieter/innen zu verkaufen. Wird die Wohnung dann doch nach Ablauf der sieben Jahre veräußert, greift danach noch eine Fünf-Jahres-Sperrfrist. Wenn Sie nicht sicher sind, ob bei Ihnen eine Sperrfrist greift, lassen Sie sich durch uns in einer der Beratungsstellen beraten.

Ich habe eine Eigenbedarfskündigung erhalten. Wie soll ich mich verhalten? 

Der drohende Verlust des Wohnraums macht in der heutigen Zeit der Wohnungsknappheit nahezu allen Mieter/innen Angst. Als erstes gilt jedoch: Ruhe bewahren. Wegen der bestehenden Kündigungsfrist kann Ihnen eine Eigenbedarfskündigung nicht für den „übernächsten Tag“ ausgesprochen werden.

Bevor die Kündigung wirklich den Mietvertrag beendet, müssen einige formelle und inhaltliche Voraussetzungen erfüllt sein. Hier muss stets im konkreten Einzelfall geschaut werden, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Lassen Sie sich daher unbedingt beraten, wenn Sie eine Kündigung erhalten haben. Vereinbaren Sie zügig einen Beratungstermin, auch um prüfen zu lassen, ob bei Ihnen eine soziale Härte vorliegt. In einem solchen Fall sollte man der Kündigung widersprechen.

Erst nach einer Beratung sollten Sie entscheiden, wie Sie mit der Kündigung umgehen wollen. Neben der Möglichkeit, die Kündigung zu akzeptieren oder mit Ihrem Vermieter über eine mögliche Abfindung zu verhandeln, gibt es immer auch die Möglichkeit, die Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Während des Rechtsstreits sollten Sie wie gewohnt in der Wohnung wohnen und auch weiterhin die Miete zahlen. Erst nach dem Ende des Rechtsstreits haben Sie die Gewissheit, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Für den Prozess sollten Sie sich unbedingt anwaltlich vertreten lassen. Ein Räumungsprozess ist zweifelsohne emotional belastend. Fehler in der Prozessführung können fatale Folgen haben und zum Verlust der Wohnung führen.

Ich habe gegen meine Eigenbedarfskündigung Widerspruch eingelegt. Ist die Kündigung damit vom Tisch?

Das kommt darauf an. Es gibt die Möglichkeit des Kündigungswiderspruches. Dieser ist in § 574 BGB geregelt und sieht für Ausnahmefälle vor, dass das Mietverhältnis entweder für eine bestimmte Zeit oder ohne zeitliche Begrenzung fortgesetzt werden muss, wenn Sie eine soziale Härte vorweisen können, die einen Auszug unzumutbar macht. Das bedeutet, dass Sie konkrete Gründe anführen müssen, die gegen die Zumutbarkeit eines Auszuges sprechen. Allein die lange Dauer eines Mietverhältnisses oder hohes Alter reichen hierfür oft nicht aus. Vielmehr muss sich daraus ergeben, dass eine Räumung für Sie unzumutbar ist. Das ist beispielsweise bei schweren Erkrankungen – auch psychischer Art – oder kurzzeitiger Räumungsunfähigkeit (Risikoschwangerschaft etc.) denkbar. Klagt Ihr Vermieter auf Räumung, hat das Gericht im Prozess Ihren Widerspruch zu berücksichtigen und muss die Belange Ihres Vermieters mit Ihren Belangen abwägen.

Wollen Sie soziale Härtegründe einwenden, müssen Sie der Kündigung innerhalb gesetzlicher Fristen widersprechen. Aber: Bevor Sie sich gegenüber dem Vermieter äußern, lassen Sie sich bitte in einer unserer Beratungsstellen beraten. Wir helfen Ihnen bei der Formulierung des Schreibens. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, wann die Erhebung des Widerspruchs taktisch günstig ist. Denn widersprechen Sie der Kündigung zu früh, verschenken Sie Zeit, da Ihr Vermieter nun schon vor Ablauf der Kündigungsfrist klagen kann. Erheben Sie den Widerspruch nicht spätestens zwei Monate vor dem Kündigungszeitpunkt, ist er möglicherweise verfristet und Sie können sich nicht mehr darauf berufen.

Mir wurde wegen Eigenbedarfs gekündigt, weil mein Vermieter angeblich in meine Wohnung ziehen will. Er hat nun aber eine andere Wohnung in meinem Haus bezogen. Ist die Kündigung damit hinfällig?

Das kommt darauf an. Ist die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen und der Eigenbedarfswunsch liegt nicht mehr vor, wird die Kündigung unwirksam. Das Mietverhältnis läuft dann ganz normal weiter. Ihr Vermieter ist in diesem Zusammenhang auch verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass er Ihre Wohnung nicht mehr benötigt. Macht er das nicht, verhält er sich treuwidrig und macht sich Ihnen gegenüber schadensersatzpflichtig.

Fällt der Eigenbedarfsgrund dagegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist weg, zum Beispiel während eines Räumungsprozesses, hat das auf die Kündigung keinen Einfluss. Hier sollte aber immer in den Blick genommen werden, ob der behauptete Eigenbedarf nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt weggefallen ist. Prüfen Sie dies gewissenhaft und lassen Sie sich beraten, was Sie gegebenenfalls unternehmen können.

Mein Vermieter hat mir die Kündigung wegen Eigenbedarfs angedroht, wenn ich einer Mieterhöhung nicht zustimme. Kann er so einfach kündigen?

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs setzt immer voraus, dass Ihr Vermieter die Wohnung tatsächlich benötigt, also ein Wunsch zur Selbstnutzung vorliegt. Hat der Vermieter die Kündigung als Druckmittel eingesetzt oder folgt diese als „Bestrafung“ für unerwünschtes Mieter/innenverhalten, liegt womöglich eine „vorgeschobene Eigenbedarfskündigung“ vor. Das sind solche Fälle, in denen der Vermieter einen Nutzungswunsch nur vortäuscht, er aber eigentlich keinen hat. Zwar handelt es sich nicht immer um eine vorgetäuschte Kündigung, wenn Ihr Vermieter Ihnen nach ihm unliebsamem Verhalten hiermit droht. Allerdings ist eine solches Vorgehen nicht selten ein Indiz dafür, dass der Wunsch, die Wohnung selbst zu nutzen, nicht ernsthaft vorliegt.

Vorgeschobene Kündigungen sind immer unwirksam und führen dazu, dass sich Ihr Vermieter Ihnen gegenüber sogar schadensersatzpflichtig macht.

Haben Sie den Verdacht, dass der Nutzungswunsch gar nicht ernsthaft gegeben ist, vereinbaren Sie unverzüglich einen Beratungstermin. Informieren Sie die Beraterin/den Berater auch darüber, ob ein konkreter Anlass Ihren Vermieter zur Kündigung bewegt haben könnte.

Noch ein Hinweis: Wenn Sie eine Kündigung erhalten, sollten Sie sich immer anwaltlich beraten lassen. Die Problematik ist vielfältig. Jeder noch so kleine Fehler kann verheerende Folgen haben und zum Verlust der Wohnung führen. Vereinbaren Sie als Mitglied nach Zugang einer Kündigung unverzüglich einen Beratungstermin für eine individuelle Beratung in einer unserer Beratungsstellen.

 

Rechtsanwältin Daniela Rohrlack berät in mehreren Beratungsstellen der Berliner MieterGemeinschaft.


MieterEcho 430 / Februar 2023

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Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

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