Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 434 / Juli 2023

Der Mietspiegel 2023 oder die Veredelung des Geschäfts mit Berlins Mieter/innen um 5,4%

 

Von Marek Schauer

Nun ist er doch noch gekommen. Bleiben wird er wohl nicht lange: Der Berliner (Übergangs-)Mietspiegel 2023. Nachdem die Erarbeitung eines qualifizierten Mietspiegels im Rahmen eines vergaberechtlichen Verfahrens (MieterEcho 431/ April 2023) torpediert wurde, konnte zum angepeilten Zeitpunkt im Mai 2023 keine neue Tabelle über die ortsübliche Vergleichsmiete rechtzeitig erscheinen. Daher war von Berlins Regierung – der alten, wie der neuen – ein „Übergangsmietspiegel“ angedacht, bis der nunmehr in Arbeit befindliche Mietspiegel im Mai 2024 erscheinen soll.

Das wäre nicht zwingend erforderlich gewesen, da der letzte Mietspiegel aus dem Jahr 2021 von der herrschenden Meinung in der Berliner Rechtsprechung als Schätzgrundlage sowohl im Rahmen von Mieterhöhungen wie der Anwendung der Mietpreisbremse anerkannt und angewandt wurde. Die BGH-Rechtsprechung sieht auch in „veralteten“ Mietspiegeln im Übrigen kein Problem, solange ein solcher wohl nicht unbedingt zweistelligen Geburtstag feiern würde. 

Trotzdem war die Überlegung, bis zur Herausgabe des neuen qualifizierten Mietspiegels 2024 zumindest übergangsweise eine „aktualisierte Lösung“ zu finden. Lösung wofür eigentlich? Klar: Für eine Veredelung des Geschäfts mit den Mieter/innen. Eine Miethöhe soll ja keinen Dauerbestand haben oder gar gedeckelt werden, wie wir mittlerweile in Berlin erfahren durften. 

Man sprach also Mieter- und Vermieterverbände an, ob diese sich auf eine Aktualisierung des Mietspiegels ab Mai 2023 verständigen würden. Sprich, einen vertretbaren Faktor, mit dem man die Werte aus 2021 multiplizieren kann. Das ist nicht geschehen, weil die Ansprüche der Vermieterseite unseren Mitgliedern gegenüber nicht vertretbar waren. Gerade in diesen Zeiten. Da war der Ball wieder bei der Berliner Regierung. Und die hat jetzt entschieden.

5,4% Renditesicherung für das Geschäft mit dem Wohnraum

Senator Gaebler hat zwar recht: Die 5,4% generelle Mietsteigerung aller Werte in der Tabelle entspricht den durchschnittlichen Steigerungen zwischen den letzten Mietspiegeln. Wie aber schon erwähnt: Eine Not für diesen Mietspiegel gab es schlicht nicht. Es wäre ein mieterfreundliches Signal gewesen – gerade in den Zeiten dieser Preissteigerungen – den Mietspiegel 2021 bis ins Jahr 2024 durchlaufen zu lassen. Eine „Atempause“ – so wurde das Motiv zum Mietendeckel benannt – ganz legaler Art. Die Praxis in der Beratung des Autors zeigte zudem, dass selbst die Werte des Mietspiegels 2021 bei vielen Vermietern nicht ausgereizt waren. Mieterhöhungen nach diesem Mietspiegel waren nach wie vor regelmäßiger Gegenstand der Prüfung.

Aber so weit wollte die Berliner Regierung nicht gehen. Die traurige „von den hohen Instandsetzungskosten gebeutelte“ Immobilienwirtschaft (sie über sich, wo sie so gerne Instandhaltungskosten ausgibt…) muss ihre Immobilien nicht in die Zwangsverwaltung (Insolvenz bei Immobilieneigentümern) geben, sondern kann überleben und mit höheren Mieten rechnen. Aber man sollte auch ehrlich sein: Etwas anderes hatte man unter Schwarz-Rot nicht erwartet. 

Die praktische Anwendung der neuen Tabelle 

Der neue Mietspiegel soll nach Angaben der Herausgeber die Mieten darstellen, die am 1. September im Jahr 2022 in den jeweiligen Feldern ortsüblich waren. Bei der genauen Berechnung spielt nach wie vor die Ausstattung der Wohnung, des Gebäudes und des Wohnumfeldes eine Rolle. Diese sogenannte Spanneneinordnung ist wie im Mietspiegel 2021 identisch. Es sind ja nur die Werte verändert worden. Was bedeutet das genau für uns Mieter/innen? Hierzu sind drei verschiedene Szenarien bedenkenswert:

Erstens, das klassische Szenario. Man bekommt ab jetzt eine Mieterhöhung mit Bezug auf den Mietspiegel 2023. Das ist einfach: Sofort zur Mieterberatung gehen und diese von unseren Berater/innen prüfen lassen. Gemeinsam erarbeiten wir eine Strategie, wie wir uns gegen das Geschäftsinteresse unseres „Vertragspartners“ wehren werden. Wenn es nicht anders geht, müssen wir uns beugen, ansonsten verweigern wir uns oder geben allenfalls eine teilweise Zustimmung ab. Wichtig ist vor allem: Nicht die Post liegen lassen. Wichtig ist aber auch: Wenn wir uns wehren, kann es keine Kündigung geben. Man muss keine Angst haben, im Zweifel gibt es eine Klage auf Zustimmung und dort wird weitergekämpft und das Schlimmste ist, dass es eine Verurteilung zur Zahlung gibt. Diese muss dann geleistet werden – im besten Fall legt man also lieber etwas Geld zurück. Die Wohnung ist jedoch bei Gegenwehr nicht in Gefahr!

Zweitens, das modifizierte Szenario. Das heißt, es gab bereits seit dem September 2022 eine Mieterhöhung und es gab gegebenenfalls schon eine Beratung. Wenn zur Zustimmung geraten wurde, interessiert der Mietspiegel 2023 erst einmal nicht, weil eine gesetzliche Erhöhungspause von 12 Monaten vorgesehen ist. Wenn zur Ablehnung oder teilweisen Zustimmung geraten wurde, raten wir, das noch einmal in unseren Beratungsstellen abzugleichen. Es kann sein, dass sich durch die veränderten Werte die Beratung aktualisieren würde – das wären im Normalfall aber dann eben jene 5,4%. Auch hier der wichtige Hinweis: Don’t panic. Selbst, wenn jetzt ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung durch die neuen Werte besteht und man nicht reagiert hat, kann man nicht gekündigt werden. Im schlimmsten Fall wird über die Miethöhe – wie oben ausgeführt – im Gericht gestritten.

Drittens, das Mietpreisbremsenszenario: Ein Mietvertrag, der ab September 2022 geschlossen wurde und eine überhöhte Miete ausweist (regelmäßig Mietspiegelwert + 10%), kann nun mittels Rüge hinsichtlich der Höhe zielgenau angegriffen und die Miete reduziert werden. Auch hier der dringende Rat: Kommen Sie in die Beratungsstellen. Wir helfen beim Berechnen der gesetzlich korrekten Miete und dem Erstellen der Rüge. Die Praxis zeigt – wenig verwunderlich –, dass mietpreisbremsenwidrige Mieten ein Dauerthema sind und erfolgreich reduziert werden können, wenn Mieter/innen den Mut haben. Für Verträge vor September 2022 gilt dies freilich auch, dann ändern sich eben nur die Mietspiegelwerte – nach unten. Und gerade vor dem Hintergrund der Verschärfung der Mietpreisbremse seit 2019 sind dann regelmäßig Rückzahlungen im durchaus vierstelligen Bereich möglich, wenn man sich geschickt anstellt.

Wie geht es weiter mit dem Mietspiegel 2024?

Die Arbeitsgruppe Mietspiegel arbeitet nun mit Hochdruck an der Erstellung des neuen Mietspiegels. Wir als Berliner MieterGemeinschaft werden die Interessen unserer Mitglieder und der Berliner Mieter/innen vertreten. Dieser Mietspiegel soll dann wieder an die Qualität des 2019er anknüpfen. Am 2021er Mietspiegel gab es ja viel Kritik, so wurde u. a. die Qualifiziertheit bestritten. Der Mietspiegel 2024 soll wieder ein qualifizierter Mietspiegel und solchen Angriffen von vornherein nicht ausgesetzt sein. Qualifiziert bedeutet kurz gesagt: Die ermittelten Werte stellen mit so hoher Sicherheit die gesetzlich definierte „ortsübliche Vergleichsmiete“ dar, dass die Vermieter wie die Gerichte praktisch darauf verpflichtet sind. Mittlerweile gibt es durch die Reformierung des Mietspiegelrechts durch die (alte) Bundesregierung auch klarere Vorgaben, wie die Mietspiegelerstellung durchgeführt wird. Unter anderem ist dabei eingeführt worden, dass die angeschriebenen Mieter/innen und Vermieter verpflichtet sind, die notwendigen Angaben für die Stichprobe der Mieten zu machen. Anderenfalls droht ein Bußgeld. Wir raten – wie immer – zur Mitwirkung. Nicht erst wegen des Bußgeldes, sondern weil die Mieterwerte regelmäßig einen guten Realismus in den Mietspiegel bringen dürften. 

Inwieweit der Mietspiegel 2024 weitere Erhöhungsspielräume ins Feld führt, wird man sehen. Den Druck vom Kessel kann nur der Gesetzgeber beispielsweise mit einer massiven Senkung der Kappungsgrenze vornehmen. Diese besagt, dass man in Berlin die Nettokaltmiete in drei Jahren maximal um 15% erhöhen kann. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung war angedacht, dass man die Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten auf 11% absenkt. Was schon lächerlich ist unter den heutigen Bedingungen, aber das Justizministerium unter dem FDP-Minister Marco Buschmann ist nach 16 Jahren Merkel-Regierung selbst nach bürgerlichen Maßstäben im Mietrecht die mit Abstand lahmste Ente aller Zeiten. Bei der Umsetzung der Vorhaben der Koalition zur Verbesserung des Mieterschutzes und der Schließung des angestrebten „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ hat sich Herr Buschmann mit seiner Mannschaft bislang nicht gerade durch hohes Engagement und Produktivität ausgezeichnet. 

 

Rechtsanwalt Marek Schauer ist Vertreter der Berliner MieterGemeinschaft in der Arbeitsgruppe Mietspiegel.


MieterEcho 434 / Juli 2023

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