Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 432 / Mai 2023

Bauen bis die Wände wackeln

In Kreuzberg errichtet die Bauwert AG hochpreisige Eigentumswohnungen

Von Peter Nowak

Wie wohne ich heute? Wie arbeiten die Erwachsenen heute? Das sind einige der Fragen, mit denen sich Schüler/innen der Charlotte-Salomon-Grundschule in Kreuzberg in Form von Malereien beschäftigt haben. Die großflächigen bunten Bilder sind seit einigen Wochen in einer Open-Air-Ausstellung auf dem Bauzaun in der Schwiebusser Straße 12 – 17 zu sehen. Die Bauwert-AG, die für die Planung auf dem Grundstück verantwortlich ist, verwendet natürlich die üblichen Floskeln der Immobilienwirtschaft, wenn sie auf ihrer Homepage schreibt: „Berlins erste Bockbrauerei erfindet sich neu – Wohnen und Arbeiten in Kreuzberg“ .     


Dass dabei auch Geschichte sehr „kreativ“ vermarktet wird, zeigt sich am Motiv des Steinbocks, mit dem die Bauwert AG wirbt. Denn mit der eigentlichen Geschichte des Areals hat das Tier nichts zu tun. Auf dem Gelände hatte Georg Leonhard Hopf 1839 eine Brauerei mit einem Gartenlokal gegründet, das sich zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Berliner Bevölkerung in der aufstrebenden Metropole entwickelte. Dort wurde auch reichlich Bockbier ausgeschenkt, das seinen Namen allerdings nicht vom Steinbock, sondern von dem Ort Einbeck in Niedersachsen hat, wo das Starkbier produziert wurde. „Ob die interessanten Bilder der Schüler/innen der Charlotte-Salomon-Grundschule oder der Steinbock, der nichts mit der Geschichte des Areals zu tun hat: Alles wird hier für die Profitinteressen der Bauwert AG ausgenutzt“, kritisiert Marianne, die in der Nachbarschaft der Bockbrauerei wohnt und die Entwicklung des Grundstücks wie andere Anwohner/innen auch kritisch beobachtet.

Die Initiative war auch mehrmals mit Infoständen am nahen Chamissoplatz anzutreffen, wo sie für ihre Kritik vor allem am rücksichtslosen Bauverhalten der Bauwert AG viel Zustimmung aus der Nachbarschaft bekommen hat. So stürzte am 22. Juli 2022 bei Abrissarbeiten eine bis zu vier Meter hohe Ziegelmauer auf den Hinterhof eines Nachbargrundstücks. „Terrassenmöbel wurden zerschlagen, Balkone beschädigt – nur durch großes Glück ist kein Mensch zu Schaden gekommen“, wird ein Anwohner im Tagesspiegel zitiert.

Im Februar 2023 verhängte die Bauaufsicht sogar für kurze Zeit einen Baustopp auf dem Gelände. Zuvor hatten Nachbar/innen der umliegenden Häuser Alarm geschlagen. Sie hatten berichtet, dass bei Erdarbeiten auf dem Gelände der Bockbrauerei die Wände ihrer Wohnungen so stark gewackelt haben, dass sie an ein leichtes Erdbeben dachten. 


Vertrag mit der Howoge gekündigt

In dem Werbematerial der Bauwert AG zur Bockbrauerei heißt es: „Auf dem ca. 13.000 m² großen Grundstück entstehen Eigentums- und Mietwohnungen, Studentenapartments und geförderte Wohnungen – sowie ein Bürohaus, eine Kita und Platz für kiezansässiges Gewerbe. Dieser breite Mix schafft ein natürliches Flair und ein angenehmes Wohn- und Arbeitsumfeld.“ Dass der Schwerpunkt auf hochpreisigen Eigentumswohnungen liegt, wird schnell deutlich. Unklar bleibt hingegen, wie viele sozial geförderte Wohnungen es auf dem Areal am Ende geben wird. Dafür sollte eigentlich die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Howoge zuständig sein, und es gab auch schon einen Vertrag. Aber der ist Geschichte.

„Der Eigentümer der Fläche hat zum Bedauern der Howoge von seinem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht, so dass der Vertrag mit der Howoge rückabgewickelt wurde“ erklärte die Pressesprecherin der Wohnungsbaugesellschaft gegenüber MieterEcho. Überrascht von dem Schritt gibt sich auch der Baustadtrat von Kreuzberg-Friedrichshain Florian Schmidt. „Ein Vertreter der Eigentümer hat im Stadtentwicklungsausschuss erklärt, dass ein Verkauf an eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft weiterhin geplant ist. Diese Zusage gegenüber dem Bezirk betrachten wir als verlässlich, alles andere wäre ein gravierender Vertrauensbruch“, erklärte Schmidt auf Nachfrage gegenüber MieterEcho. Die Nachbar/innen haben allen Grund, skeptisch zu bleiben. Schließlich sind solche „Vertrauensbrüche“ in der Immobilienbranche nicht so selten.


MieterEcho 432 / Mai 2023

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