Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 424 / Mai 2022

Zwischen Lohndumping und Diskriminierung

Bedenkliche Erfahrungen aus dem kalifornischen Tesla-Werk

Von Bernd Müller

Der Elektro-Autobauer Tesla gilt als industrieller Hoffnungsträger für das strukturschwache Brandenburg. Doch die Firmenkultur ist von wenig Wertschätzung der Mitarbeiter/innen geprägt.

Tesla in Grünheide – das klingt wie eine Erfolgsgeschichte: Ein neuer Industriebetrieb siedelt sich im ansonsten eher kargen Brandenburg an und rund 12.000 Arbeitsplätze entstehen. Tesla sei „das herausragende Beispiel für Brandenburgs neue Wirtschaftsdynamik“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) anlässlich der Eröffnung der „Gigafactory“. Und die Fabrik werde das Land als Hightech-Standort „noch bekannter“ machen.

Im Überschwang ist auch die Gewerkschaft IG Metall. „Wer auf einer Weltkarte die großen Automobilstandorte sucht, wird künftig auf den Ort Grünheide in Brandenburg stoßen“, hatte Birgit Dietze, Leiterin des IG Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen getönt. Mit der Fabrik stärke Ostdeutschland seine internationale Vorreiterrolle bei der Elektromobilität. Die Beschäftigten in Grünheide arbeiteten als deren Pioniere. Nur bei den Arbeitsbedingungen hinke das Unternehmen im innerdeutschen Vergleich hinterher. Was sie damit konkret meinte, führte sie nicht näher aus.

Die Löhne dürften ein Thema sein. Tesla zahle gut, hieß es, als sich das Unternehmen ansiedelte. Es war von tarifnahen Gehältern die Rede. Doch einem Bericht der Märkischen Oderzeitung zufolge sollen sie rund 20% unter dem Flächentarif liegen. Eine Bestätigung dafür gab es bislang noch nicht.

Aber auch der Deutschlandfunk hatte im letzten Jahr ähnliches berichtet. Der Sender zitierte einen gelernten Mechatroniker, Ende 30, der bei einem Vorstellungsgespräch bei Tesla war. Obwohl er einen Berufsabschluss habe, werde er eingruppiert wie ein Ungelernter, außerdem ohne Tarifvertrag. Über das angebotene Entgelt sagte er: „Ich würde sagen, dass es ein Drittel weniger ist, als im IG-Metall-Tarifvertrag drin ist“. Am Ende des Monats hätte er also ein Drittel weniger Geld als die Kolleg/innen bei Volkswagen oder Daimler, aber bei gleicher Arbeit.

Aktienoptionen statt Tariflöhne

Ein Teil des Lohnes sollte offenbar in Form von Aktienoptionen ausgezahlt werden – wie es im Tesla-Stammwerk in Fremont durchaus üblich ist. Zumindest wurde berichtet, dass dieses Entgeltmodell in den Stellenausschreibungen angeboten wurde. Bei den Gewerkschaftern in Brandenburg stieß das auf Kritik.

Man hätte keinen Einwand, sagte Dietze im Januar dem Manager Magazin, wenn es die Aktienoptionen zusätzlich zum Tariflohn gäbe. „Was aber nach Einschätzung unserer Mitglieder generell nicht geht, ist, dass Teile des Entgelts so durchflexibilisiert sind, dass der Beschäftigte nicht genau weiß: Was kommt denn am Ende des Monats oder des Jahres für mich raus?“

Ob dieses Vergütungsmodell inzwischen vom Tisch ist oder implementiert wurde, zählt bis heute zu den Unbekannten. Der IG Metall liegen offenbar keine belastbaren Informationen dazu vor. Trotz mehrfacher Nachfragen in den letzten Monaten konnte die Gewerkschaft weder bestätigen noch verneinen, dass tatsächlich ein Teil des Lohnes in Aktienoptionen ausgezahlt wird.

Nicht nur, weil die Arbeiter/innen am Monatsende nicht genau wissen, wie viel Geld sie bekommen, sind die Aktienoptionen problematisch. Sie lassen sich auch dafür nutzen, die Beschäftigten unter Druck zu setzen. So hatte zum Beispiel Tesla-Chef Elon Musk 2018 versucht, die Gründung einer Gewerkschaft im Tesla-Werk in Fremont zu verhindern.

Damals schrieb er auf Twitter: „Nichts hält das Tesla-Team in unserem Autowerk davon ab, für die Gewerkschaft zu stimmen. Sie könnten das morgen tun, wenn sie wollten. Aber warum für nichts Gewerkschaftsbeiträge zahlen und Aktienoptionen aufgeben?“. Die zuständige US-Behörde sah das damals als Drohung an und entschied, Musk müsse den „Tweet“ wieder löschen. Denn nach US-amerikanischem Recht ist es illegal, Vergeltungsmaßnahmen wegen einer gewerkschaftlichen Organisation der Angestellten zu ergreifen.

Aber auch die Löhne liegen in Fremont unter den branchenüblichen. In der kalifornischen Tesla-Fabrik verdient der große Teil der Arbeiter/innen zwischen 17 und 21 US-Dollar in der Stunde, berichtete das Magazin Business Insider. Der Durchschnitt in der Branche liege bei über 25 US-Dollar. Der Verdienst bei Tesla entspreche auch nicht den Lebenshaltungskosten in Kalifornien. Hinzu kämen unbezahlte Überstunden. Der Großteil der 5.000 Arbeiter/innen in Fremont müsse demnach länger als 40 Stunden in der Woche arbeiten, manche berichteten sogar von mehr als 70 Stunden.

Für die Beschäftigten ist es nicht einfach, die Probleme gegenüber der Geschäftsführung anzusprechen. Die britische Zeitung The Guardian listete 2018 mehrere Fälle auf, in denen Mitarbeiter/innen auf die Straße gesetzt wurden, nachdem sie sich gewerkschaftlich engagiert hatten. Die Unternehmensleitung hatte Gründe konstruiert, um die Betroffenen entlassen zu können; Personalakten wurden frisiert und Beurteilungen schlechter gemacht. Aus vormals geförderten Talenten wurden Mitarbeiter/innen, die zu schlecht waren, um bleiben zu können.

Rassismus an der Tagesordnung

Folge von diesem Gebaren ist auch, dass immer wieder Fälle vor den Gerichten verhandelt und dadurch bekannt werden. Für Schlagzeilen sorgte im Oktober letzten Jahres zum Beispiel ein Prozess wegen Rassismus-Vorwürfen, bei dem der Konzern zu einer Entschädigung von 137 Millionen US-Dollar verurteilt wurde. Ein Gericht in San Francisco sah es als gegeben an, dass der Konzern nichts gegen rassistische Beleidigungen unternommen hat, obwohl es Hinweise darauf gab.

Geklagt hatte der heute 53-jährige Owen Diaz mit seinem Sohn und einem weiteren früheren Tesla-Mitarbeiter. Diaz hatte in den Jahren 2015 und 2016 in einem Tesla-Werk im kalifornischen Fremont als Aufzugführer gearbeitet. „Ständig hörst du Sätze wie ‚Komm her, Nigger‘ oder ‚Geh zurück nach Afrika‘“, erklärte er im Herbst 2018 gegenüber der New York Times. In den Toiletten sollen Hakenkreuze gut sichtbar gewesen sein oder auch das Kürzel „KKK“, was für „Ku Klux Klan“ steht.

Statt an einen modernen Arbeitsplatz zu kommen, hätten sich die Kläger „in einem Stück direkt aus der Jim-Crow-Ära wiedergefunden“, hieß es damals bei der Agentur Bloomberg. Die Anklage warf Tesla zudem vor, sein „fortschrittliches Bild“ sei nur eine „Fassade“ gewesen. Stattdessen seien die Tesla-Fabriken eine „Brutstätte für rassistisches Verhalten“. Schwarze Mitarbeiter/innen, so die Vorwürfe, wären bei Tesla permanenten und ernsthaften Belästigungen ausgesetzt.

Die Kläger in diesem Prozess stehen mit ihren Anschuldigungen nicht allein. In den Jahren 2018 bis März 2021 hatten einem Bericht der Deutschen Welle (DW) zufolge 120 Personen das Recht beantragt, Tesla wegen Diskriminierung zu verklagen. Nur neun dieser Klagen seien demnach abgewiesen worden, weil die Beweise nicht ausreichten. Alle anderen wurden zugelassen.

Im Fall von Owen Diaz hatten sich Konzernvertreter/innen darauf berufen, von nichts gewusst zu haben. Man habe keine Kenntnis über ein mögliches Fehlverhalten von Mitarbeiter/innen, erklärte der Konzern laut DW. Gleichzeitig bekräftigte er, dass man gegen jede Form von Diskriminierung, Belästigung oder unfairer Behandlung sei und jeden Vorfall untersuche. Aber man werde „nie in der Lage sein, jede einzelne Person in der Fabrik von unangemessenem Verhalten abzuhalten“.

Die hohe Entschädigung, die Tesla zahlen musste, hat den Konzern offenbar nicht dazu angehalten, grundlegende Änderungen in der Fabrik in Fremont einzuleiten. Wohl auch deshalb reichte der US-Bundesstaat Kalifornien im Februar eine Klage gegen den Elektroautobauer wegen angeblicher Diskriminierung schwarzer Mitarbeiter/innen ein. In der Autofabrik herrsche ein rassistisches Arbeitsumfeld, hatte die Aufsichtsbehörde Department of Fair Employment and Housing (DFEH) mitgeteilt. Schwarze würden dort belästigt, schikaniert und angefeindet.

Wieder entgegnete der Konzern, jegliche Form von Diskriminierung abzulehnen, und behauptete, man greife bei Rassismus durch. Doch laut DFEH seien die Probleme in Fremont weit verbreitet. Man habe Hunderte von Beschwerden erhalten. Ein schwarzer Mitarbeiter hatte angegeben, zwischen 50- und 100-mal am Tag rassistische Beleidigungen zu hören.

Dass es solche Vorfälle auch in Grünheide geben könnte, mag man sich nicht ausmalen. Der Umgang mit ihnen in den US-Werken wirft aber ein Schlaglicht auf die Kultur in dem Unternehmen. 

 

Bernd Müller ist Umweltingenieur und arbeitet seit zehn Jahren als freier Journalist. Er schreibt für junge Welt, Telepolis und andere Zeitungen über wirtschaftliche und soziale Themen sowie zu Umwelt- und Klimaschutz.


MieterEcho 424 / Mai 2022

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