Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 427 / Oktober 2022

Westliche Werte wertlos

Proteste gegen explodierende Preise – wenig Unterstützung für Sanktionen

Von Andreas Hüttner

Trotz ständiger medialer Beschwörung „unserer westlichen Werte“ , die durch Sanktionen gegen die Kriegspartei Russland verteidigt werden sollen, kommt es zu Protesten gegen steigende Preise und Inflation. Die Länder des „Globalen Südens“ , die ihre eigenen Erfahrungen mit diesen Werten haben, verweigern fast geschlossen die Sanktionen.

Ende Juli gab die Hälfte der Befragten bei einer bundesweiten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa an, dass sie „an Demonstrationen gegen die hohen Energiepreise teilnehmen“ würde. Darauf rückte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) diese sogleich in die rechte Ecke.

In Italien war man in Bezug auf Proteste schon weiter. So weigerten sich bereits im März Flughafenbeschäftigte in Pisa, als „humanitäre Hilfe für die Ukraine“ getarnte Waffen zu verladen. Unterstützt wurden sie dabei von der Unione Sindicale di Base (Basisgewerkschaft).

In Großbritannien, wo der Gewerkschaftsverband TUC davor warnt, dass Energierechnungen bald zwei Monatsgehälter verschlingen könnten, nehmen Organisierung und Protest an Fahrt auf. So veranstaltet „Enough is Enough“ (Genug ist genug) Massenkundgebungen und mobilisiert für einen landesweiten Aktionstag. Getragen wird „Enough is Enough“ von Gewerkschaften, sozialen Organisationen bis hin zu Fußballfans. Forderungen sind Lohnerhöhungen, Senkung der Energierechnungen, Ende der Ernährungsarmut, Wohnungen für alle und eine Reichensteuer. Nach eigenen Angaben wird „Enough is Enough“ von 500.000 Menschen unterstützt. Auch die Kampagne „Don‘t Pay“ (Zahle nicht) hat nahezu 200.000 Unterstützer/innen. Sollten es bis zum 1. Oktober eine Million werden, ruft sie zu einem gemeinsamen Boykott der Energierechnungen auf.

Keine Beteiligung an Sanktionen

Auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es vereinzelt Proteste wegen steigender Preise. Die Furcht der Regierungen vor Hungerrevolten ist groß, verschärft der Krieg doch die ohnehin prekäre Ernährungssituation dramatisch. Das ist einer der Gründe, warum die Länder des Globalen Südens zwar Russlands Angriff auf die Ukraine nahezu einmütig verurteilten, sich aber nicht an den Sanktionen beteiligen. Andere Gründe sind die vielen, nicht vergessenen Kriege des Westens, einschließlich zahlreicher Menschenrechts- und Kriegsverbrechen – von Vietnam über den Irak bis zum heutigen Krieg Saudi-Arabiens im Jemen. Ganz zu schweigen von anhaltender neokolonialer Ausbeutung, den Folgen des Klimawandels und dem Feilschen um Patente während der Corona-Pandemie.
Da verwundert es nicht, dass sich die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor gegen „Bevormundung und Einschüchterungsversuche“ durch den Westen verwahrt. Der ehemalige und wahrscheinlich auch zukünftige Präsident Brasiliens, Lula da Silva, entlässt keine der Kriegsparteien aus der Verantwortung. Dem amerikanischen Time-Magazine sagte er: „Putin hätte nicht in die Ukraine einmarschieren dürfen. Aber es ist nicht nur Putin, der schuldig ist. Auch die USA und die EU sind schuldig.“

Proteste in Deutschland

Dass sich die Länder des Globalen Südens nicht an den Sanktionen beteiligen, wird hierzulande, wenn überhaupt wahrgenommen, als Unbotmäßigkeit betrachtet. Das gilt in Deutschland auch für gerade beginnende Proteste auf der Straße, etwa vor den Parteizentralen von FDP und  Grünen in Berlin, der Kochtopf-Kundgebung in Königs Wusterhausen, der Kundgebung der Kreishandwerkerschaft in Dessau oder der Montagsdemo in Leipzig. An manchen beteiligen sich Rechte, von Corona-Leugner/innen über AfD bis zu ausgemachten Faschist/innen, oder rufen dazu auf. Dem muss die gesellschaftliche Linke offensiv entgegentreten. Uwe Hiksch von „Heizung, Brot und Frieden“, einem von mehreren Berliner Bündnissen, bringt es in der Tageszeitung Junge Welt auf den Punkt: „Es wird einen Kampf um die Straße geben. Wir wollen nicht zulassen, dass die Rechten auch nur eine Chance haben, sich durchzusetzen. Unser Ziel ist eine solidarische Gesellschaft.“ 


MieterEcho 427 / Oktober 2022

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