Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 423 / April 2022

Vom RAW zum Mercedes-Benz-Platz

Die Bebauungspläne der Kurth-Gruppe verschärfen den Aufwertungsdruck im Kiez

Von Peter Nowak

„Steter Wandel charakterisiert die Stadt. Diese Entwicklung ist auch in der DNA des R.A.W.-Geländes: Nach über hundert Jahren industrieller Nutzung bieten Teile des Geländes seit Beginn des 21. Jahrhunderts künstlerischen, kulturellen und gewerblichen Angeboten ein Zuhause.“ So wirbt die Kurth-Gruppe, ein bundesweit agierendes Immobilienunternehmen, für die Bebauungspläne auf dem Areal des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks zwischen Revaler und Warschauer Straße. Wohnungen werden dort nicht errichtet, das ist im Bebauungsplan festgeschrieben, der das Areal als Gewerbegebiet ausweist.

Ende Februar stellten vier Architekturbüros ihre Planungen vor. Alle bemühten in ihren Vorstellungen die DNA des Geländes, sprachen von der RAW-Familiy und verwiesen besonders darauf, wie klimagerecht und ökologisch ihre Konzepte seien. Doch den etwa 150 Anwesenden wurde durch die Schaubilder schnell klar, dass vom subkulturellen Flair, der das RAW-Gelände vor der Corona-Pandemie zum Anziehungspunkt für Besucher/innen aus aller Welt machte, wenig übrig bleiben würde. Ein Großteil der bisherigen angesagten Kulturräume würde verschwinden. Vor allem die beiden Hochhäuser, die auf dem RAW-Gelände geplant sind, sorgen für Kritik bei einigen Besucher/innen. Sie meldeten sich auch nach der Präsentation mit ihren Einwänden zu Wort. 

Druck auf die Nachbarschaft

Dabei geht es neben dem Erhalt eines subkulturellen Kulturorts auch um die Folgen der Aufwertungspläne auf die Nachbarschaft. „Man darf den Gentrifizierungsdruck, den eine solche Bebauung auf das angrenzende Milieuschutzgebiet hat, nicht unterschätzen. Da wird ein Schmuddelkiez zur Top-Adresse der Immobilienbranche“, moniert der Berliner Architekt Carsten Joost gegenüber MieterEcho. Er gehört seit Jahren zu den Kritiker/innen des aktuellen Bebauungsplans und spart auch nicht mit  Kritik an den Politiker/innen des Bezirks. „Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt Kurth-Immobilien freie Hand“, bemängelt Joost. Sein Wunsch wäre, dass der Bezirk hier seine Planungshoheit ganz anders ausübte. Eine ergänzende Bebauung müsste sich in das bestehende RAW-Ensemble einfügen und der Anteil der Freiflächen müsste viel größer sein. Die Befürchtung, dass es am RAW-Gelände bald aussehen könnte wie am Mercedes-Benz-Platz wird durch die Äußerungen der Projektentwickler/innen am RAW-Tempel keineswegs ausgeräumt. So betonten mehrere Architekt/innen, dass das geplante Hochhaus am RAW-Gelände gut in einem Ensemble mit dem Amazon-Tower auf der anderen Seite der Warschauer Straße harmoniert. Dieses Bauprojekt stand vor Baubeginn in der Kritik von Stadtteilgruppen. Auch sie warnten vor dem Aufwertungsdruck, der dadurch auf die angrenzenden Wohngebiete ausgeübt wird. Durch die Pandemie sind die Proteste allerdings ausgebremst worden, während der Amazon-Tower in die Höhe wächst. So könnte tatsächlich im südlichen Friedrichshain vom RAW-Tempel bis zum Mercedes-Benz-Platz ein neues Eldorado für die Profitinteressen der Wohnungskonzerne entstehen.  

Bei der Diskussion über die Zukunft des RAW-Geländes wird vor allem kritisiert, dass Teile der aktuellen Kultureinrichtungen auf dem Gelände verschwinden sollen. Dass subkulturelle Einrichtungen wieder weichen müssen, wenn die Immobilienwirtschaft das Areal erschließt, während andere kulturelle Einrichtungen mit den neuen Eigentümern kooperieren, ist ein Prozedere, das wir von vielen anderen Grundstücken kennen. Viel zu wenig wurde bisher über die Auswirkungen auf die Nachbarschaft gesprochen. Subkulturelle Einrichtungen beförderten die Aufwertung; der Massenansturm der Tourist/innen auf das RAW-Gelände hat schon in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass in den umliegenden Kiezen die Mieten gestiegen sind. In vielen Häusern wurden reguläre Mietwohnungen zu Ferienwohnungen umgewandelt. Sollte das RAW-Areal eine Fortsetzung des Mercedes-Benz-Platzes werden, würde der Aufwertungsdruck noch einmal verstärkt werden. 

 


MieterEcho 423 / April 2022

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